OGH vom 14.11.2012, 3Ob171/12m

OGH vom 14.11.2012, 3Ob171/12m

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon. Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache der Betroffenen J*****, vertreten durch Wetzl Partner Rechtsanwälte GmbH in Steyr, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Betroffenen gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt als Rekursgericht vom , GZ 16 R 240/12a 31, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Baden vom , GZ 3 P 53/12z 8, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Das Erstgericht sprach aus, dass das Verfahren, in dem die Notwendigkeit der Bestellung eines Sachwalters für die Betroffene geprüft wird, fortgesetzt wird, und bestellte einen Rechtsanwalt zum Verfahrenssachwalter sowie zum einstweiligen Sachwalter zur Besorgung dringender Angelegenheiten (Überprüfung der Vorsorgevollmacht vom ). Das Erstgericht begründete seine Entscheidung damit, dass die Betroffene nach dem Ergebnis der Erstanhörung vom nicht in der Lage zu sein scheine, alle ihre Angelegenheiten ohne Gefahr eines Nachteils für sich selbst zu besorgen.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der anwaltlich vertretenen Betroffenen, mit der sie ein ärztliches Attest einer Ärztin für Allgemeinmedizin vom und ein psychiatrisches Privatgutachten eines Facharztes für Psychiatrie und Neurologie sowie für Psychotherapeutische Medizin vom vorlegte, nicht Folge. Es verneinte nach Darstellung des gesamten Akteninhalts (auch desjenigen nach der Beschlussfassung des Erstgerichts) die wegen mangelhafter Beschlussbegründung geltend gemachte „Nichtigkeit“ sowie eine Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens. Das Erstgericht habe nachvollziehbar und ausreichend dargelegt, dass es seine Entscheidung auf das Ergebnis der Erstanhörung stütze, für die im Protokoll festgehalten worden sei, dass die Betroffene „leicht beeinträchtigt“ wirke. Der Rekurs übergehe, dass nach dem mit dem Rekurs vorgelegten Gutachten vom ein geringgradiges demenzielles Zustandsbild bei altersbedingt zerebralem Abbau mit leichter Einschränkung der Merkfähigkeit diagnostiziert worden sei; es sei zur Beurteilung gelangt, dass die Geschäftsfähigkeit der nunmehr 99 jährigen Betroffenen in Bezug auf einfache Verträge, Schenkungen und Testamentserrichtungen nicht eingeschränkt sei. Dass es sich bei einer umfassenden Vorsorgevollmacht wie im gegenständlichen Fall sowie den erst in jüngster Vergangenheit abgeschlossenen aktenkundigen Verträgen vom und keinesfalls um „einfache“ Verträge handle, bedürfe keiner weitwendigen Erörterung. Zur Klärung der Frage, ob die betroffene Person an einer psychischen Krankheit oder geistigen Behinderung leide, müsse das Verfahren fortgesetzt werden. Auf dieser Grundlage sei auch die Bestellung eines Verfahrenssachwalters und eines einstweiligen Sachwalters nicht zu beanstanden.

Der Revisionsrekurs sei mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zulässig.

In ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs , beantragt die Betroffene die Abänderung dahin, „dass von der Bestellung eines einstweiligen Sachwalters abgesehen“ werde. Sie beruft sich darauf, das Rekursgericht habe zwar angesichts des nichtigen Beschlusses des Erstgerichts auf der Basis des Akteninhalts umfangreiche ergänzende Feststellungen getroffen, dabei aber ihr rechtliches Gehör verletzt, weil ihr weder der Clearingbericht noch die schriftliche Anregung der Sachwalterschaft bekannt sei. Deshalb sei die Rekursentscheidung nichtig, zumindest aber mangelhaft; letzteres auch wegen Unterlassung einer Beweisergänzung und unterbliebener Auseinandersetzung mit den mit dem Rekurs vorgelegten ärztlichen Unterlagen.

Rechtliche Beurteilung

Damit macht die Betroffene keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG geltend, weshalb ihr Revisionsrekurs als nicht zulässig zurückzuweisen ist.

1. Die geltend gemachte „Nichtigkeit“ liegt nicht vor. Der Anfechtungsgrund der Verletzung des rechtlichen Gehörs iSd § 58 Abs 1 Z 1 AußStrG ist dadurch gekennzeichnet, dass er nicht mehr absolut wie die Nichtigkeitsgründe der ZPO wirkt. Er kann nur dann zur Aufhebung führen, wenn er zum Nachteil des Rechtsmittelwerbers ausschlagen könnte (RIS Justiz RS0120213 [T22]). Das ist hier für den Clearingbericht und die schriftliche Anregung der Sachwalterschaft schon deshalb zu verneinen, weil das Rekursgericht daraus zwar im Zuge der Darstellung der Aktenlage wiedergab, seine Entscheidung aber nicht darauf stützte, sondern im Wesentlichen auf das Ergebnis der Erstanhörung, das mit dem Rekurs vorgelegte Privatgutachten und die von der Betroffenen unstrittig - eingegangenen Vorsorgevollmacht und Rechtsgeschäfte.

Dafür bedurfte es aber keiner Beweisaufnahme durch das Rekursgericht, sodass auch die geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens mangels Beweisergänzung zu verneinen ist.

2. Der Vorwurf an das Rekursgericht, es habe sich mit dem Privatgutachten nicht auseinander gesetzt erweist sich als aktenwidrig.

Wenn das Rekursgericht dem mehrseitigen, privaten Fachgutachten (erkennbar) mehr Gewicht zumisst als dem knappen, vierzeiligen allgemeinärztlichen Attest, das zur Geschäftsfähigkeit anders als das Privatgutachten gar nicht Stellung nimmt, kann darin kein Mangel des Rekursverfahrens erblickt werden.