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OGH vom 20.04.2018, 7Ob188/17y

OGH vom 20.04.2018, 7Ob188/17y

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Höllwerth, Dr. E. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B***** GmbH, *****, vertreten durch Raits Bleiziffer Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, gegen die beklagte Partei A***** Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Kaan Cronenberg & Partner Rechtsanwälte GmbH & Co KG in Graz, wegen 4.140.585,67 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom , GZ 2 R 54/17d-62, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Der Oberste Gerichtshof hat die von der Klägerin behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens geprüft; sie liegt nicht vor. Das Berufungsgericht hat mit seinen Überlegungen zur Geschäftsentwicklung bei der Beklagten – entgegen der Behauptung der Klägerin – seiner rechtlichen Beurteilung keinen nicht festgestellten, hypothetischen Sachverhalt zugrundegelegt, sondern damit seine Behandlung der in der Berufung erhobenen Tatsachenrüge begründet. Das Berufungsgericht ist auch befugt, Hilfstatsachen zum Zwecke der Beweiswürdigung ohne Verfahrensergänzung aus den Akten abzuleiten (vgl RIS-Justiz RS0043159). Ob diese Schlussfolgerungen richtig sind, betrifft Fragen der Beweiswürdigung, die in der Revision nicht erfolgreich aufgegriffen werden können (vgl RIS-Justiz RS0043371; RS0043521).

2.1. Die Höhe von Ansprüchen nach § 12 HVertrG bestimmt sich nach der Differenz zwischen jenem Betrag, den der Handelsvertreter voraussichtlich verdient hätte, wenn er nicht vom Geschäftsherrn vertragswidrig am Verdienen gehindert worden wäre, und den tatsächlich verdienten Provisionen (RIS-Justiz RS0063302 [noch zu § 10 HVG]). Die Beweislast trifft den Handelsvertreter (5 Ob 479/97w). Von dieser Rechtsprechung sind die Vorinstanzen nicht abgewichen.

2.2. Dass für die Ermittlung dieser Differenz die die Vertragsgrundlage bildende Umsatzentwicklung der Beklagten praktisch weitestgehend ausgeblendet und auf Planzahlen und die allgemeine Marktlage abgestellt werden soll, mag ergebnisorientierten Vorstellungen der Klägerin entsprechen; damit zeigt sie allerdings keine unvertretbare Einzelfallbeurteilung auf:

2.3. Die Planzahlen beruhten auf den Zahlen der D*****-Gruppe und damit weitgehend auf Informationen der Klägerin und nicht auf eigenen Erkenntnissen der Beklagten. Dementsprechend wurde der Inhalt der Businessplan-Präsentationen von den Parteien in keiner Weise, weder ausdrücklich noch stillschweigend, zum Inhalt ihres Vertrags gemacht, sondern der tatsächliche Umsatz als maßgeblich vereinbart. Es lagen vom Erstgericht auch festgestellte und gewichtige, in der Person und im Verhalten des Geschäftsführers der Klägerin gelegene Gründe vor, die dessen Tätigkeit bei der Akquisition als evidente Belastung erscheinen ließen. Diese, den konkret vorliegenden Einzelfall bestimmenden, von der Klägerin aber außer Acht gelassenen Faktoren erweisen die Ansicht der Vorinstanzen, den Planzahlen keine entscheidende Bedeutung beizumessen, als jedenfalls vertretbare Einzelfallbeurteilung.

3. Es mag sein, dass in der Lehre für die Ermittlung von Ansprüchen nach § 12 HVertrG zum Teil auf einen Vergleichszeitraum abgestellt wird (vgl Nocker, HVertrG2§ 12 Rz 2, 19, 20), doch könnte dies nur mangels anderer Anhaltspunkte und unter Außerachtlassung möglicher atypischer Entwicklungen in Frage kommen. Hier lagen allerdings schon zuvor beschriebene persönliche Umstände und als Vergleichszeitraum nur ein solcher von neun Monaten vor, der die Zeit einer Unternehmensneuausrichtung betraf. Diese Unsicherheiten lassen es als durchaus vertretbar erscheinen, besagtem Vergleichszeitraum keine entscheidende Bedeutung beizulegen.

4. Ob ein Tatbestand vorliegt, der einen Anscheinsbeweis zulässt, ist eine einzelfallbezogene Rechtsfrage (RIS-Justiz RS0022549 [T3]), die das Berufungsgericht vertretbar verneint hat. Es gibt keinen typischen Kausalverlauf, nach dem ein Unternehmen tatsächlich die überwiegend auf Einschätzungen einer anderen Unternehmensgruppe entwickelten Planzahlen erwirtschaftet und die Akquisition durch einen nicht wohl gelittenen Handelsvertreter besser verläuft als durch die unternehmenseigene Vertriebsabteilung.

5.1. Soweit es darum geht festzustellen, was eine Person unter bestimmten Voraussetzungen erworben hätte, ist volle Gewissheit nicht zu erwarten, wohl aber eine gewisse Wahrscheinlichkeit erforderlich, die unter Zugrundelegung des Wissensstandes zur Zeit des Verhandlungsschlusses erster Instanz zu beurteilen ist (RIS-Justiz RS0022483). Die Frage, ob sich aus dem Gesamtzusammenhang der erstinstanzlichen Feststellungen das Vorliegen dieser Überzeugung ableiten lässt, betrifft die Auslegung der Urteilsfeststellungen im Einzelfall, was die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO regelmäßig nicht erfüllt (2 Ob 100/10k).

5.2. Selbst wenn man insoweit als Beweismaß von einer doch nur „abgeschwächten“ hohen Wahrscheinlichkeit ausgehen wollte (vgl 2 Ob 100/10k; s aber auch RIS-Justiz RS0022483 [T5]), hält sich das von den Vorinstanzen gewonnene Ergebnis, insbesondere in Anbetracht der schon mehrfach bezeichneten besonderen Umstände des vorliegenden Einzelfalls (Persönlichkeit des Geschäftsführers der Klägerin; Unternehmensneuausrichtung) im Rahmen vorliegender Rechtsprechung.

6. Mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision somit unzulässig und daher zurückzuweisen. Einer weitergehenden Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2018:0070OB00188.17Y.0420.000

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