OGH 27.07.2017, 2Ob117/17w
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Veith, Dr. Musger und Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Weixelbraun-Mohr als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem zwischen 23. und verstorbenen G***** H*****, infolge des Revisionsrekurses des erbantrittserklärten Erben N***** M*****, vertreten durch Dr. Bärbel Humitsch, Rechtsanwältin in Spittal an der Drau, gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgericht vom , GZ 3 R 51/17k, 3 R 52/17g-63, womit infolge Rekurses des Noterben M***** H*****, vertreten durch HRG Heidelberger Rechtsberatungsgesellschaft Stiehl & Schmitt Rechtsanwälte/Fachanwälte PartGmbB in Heidelberg, der Beschluss des Bezirksgerichts Spittal an der Drau vom , GZ 1 A 643/15x-50 in der Fassung des Ergänzungsbeschlusses vom , GZ 1 A 643/15x-57, teils bestätigt, teils abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Akt wird dem Erstgericht zurückgestellt.
Text
Begründung:
Das Erstgericht stellte über Antrag des erbantrittserklärten Erben (in der Folge nur: Erbe) mit Beschluss vom , ON 50, fest, dass eine nachlasszugehörige Liegenschaft ein Erbhof iSd § 2 Abs 1 KrntErbhöfeG sei (1.). Mit Beschluss vom (ON 57) ergänzte es diese Entscheidung durch die weitere Feststellung, dass auf das Verlassenschaftsverfahren die Bestimmungen des Kärntner Erbhöfegesetzes anzuwenden seien (2.).
Das von einem in Deutschland wohnhaften Noterben angerufene Rekursgericht bestätigte die erstinstanzliche Entscheidung hinsichtlich des ersten dieser Aussprüche und änderte sie hinsichtlich des zweiten Ausspruchs dahin ab, dass es den Antrag des Erben abwies. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.
Gegen den abweisenden Teil der Rekursentscheidung richtet sich der Revisionsrekurs des Erben. Der Noterbe erstattete eine Revisionsrekurs-beantwortung, wobei er durch eine deutsche Rechtsanwaltsgesellschaft vertreten wird.
Rechtliche Beurteilung
Die Vorlage des Rechtsmittels an den Obersten Gerichtshof erfolgte verfrüht:
1. Vorauszuschicken ist, dass den Noterben Beteiligtenstellung zugebilligt wird, wenn durch eine Entscheidung des Verlassenschaftsgerichts eine Verkürzung ihrer materiellen Rechte herbeigeführt wird (2 Ob 134/15t; RIS-Justiz RS0006500 [T9 und T12]). Ein solcher Fall liegt hier vor, weil nach § 15 Abs 1 Satz 2 KrntErbhöfeG der Pflichtteilsberechnung der nach § 12 leg cit bestimmte Wert des Erbhofs zugrunde zu legen wäre (6 Ob 34/13p).
2. Das Erstgericht hat den Revisionsrekurs vorgelegt, ohne ihn zuvor an die beiden aktenkundigen Noterben, den Sohn und die Witwe des Erblassers, zuzustellen. Die dennoch erhobene Revisionsrekurs-beantwortung des Sohnes bedarf aus mehreren Gründen der Verbesserung:
2.1 Gemäß § 6 Abs 2 AußStrG müssen sich die Parteien eines Verlassenschaftsverfahrens im Revisions-rekursverfahren durch einen Rechtsanwalt oder Notar vertreten lassen, es besteht also absolute Vertretungspflicht. Gemäß § 68 Abs 1 letzter Satz iVm § 65 Abs 3 Z 5 AußStrG bedarf die Revisionsrekursbeantwortung der Unterschrift eines Rechtsanwalts oder Notars.
2.2 Ist der frei gewählte Rechtsanwalt ein dienstleistender europäischer Rechtsanwalt, so gelten die Bestimmungen des Bundesgesetzes über den freien Dienstleistungsverkehr und die Niederlassung von europäischen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten sowie die Erbringung von Rechtsdienstleistungen durch international tätige Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte in Österreich (EIRAG), BGBl I 2000/27. Dieses ist hier auf den Vertreter des Rechtsmittelgegners anzuwenden (vgl § 1 Abs 1 EIRAG; Deutschland ist Mitgliedstaat der Europäischen Union).
2.3 Gemäß § 5 EIRAG dürfen in Verfahren, in denen sich die Partei durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen muss, dienstleistende europäische Rechtsanwälte als Vertreter nur im Einvernehmen mit einem in der Liste der Rechtsanwälte der österreichischen Rechtsanwaltskammer eingetragenen Rechtsanwalt (Einvernehmensrechtsanwalt) handeln. Das Einvernehmen ist bei der ersten Verfahrensverhandlung gegenüber dem Gericht schriftlich nachzuweisen (§ 5 Abs 2 erster Satz EIRAG), und zwar auch bei Vollmachtserteilung an eine Rechtsanwaltsgesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit (2 Ob 36/15f; 2 Ob 12/16b). Verfahrenshandlungen, für die der Nachweis des Einvernehmens im Zeitpunkt ihrer Vornahme nicht vorliegt, gelten als nicht von einem Rechtsanwalt vorgenommen (§ 5 Abs 2 dritter Satz EIRAG).
2.4 Das Erfordernis der Benennung eines Einvernehmensrechtsanwalts gilt nicht nur bei absoluter Anwaltspflicht, sondern auch in Fällen absoluter Vertretungspflicht (2 Ob 189/15; 2 Ob 12/16b [jeweils Verlassenschaftsverfahren]).
2.5 Somit besteht im vorliegenden Fall zunächst Rechtsklarheit dahin, dass im Rekursverfahren die deutsche Rechtsanwaltsgesellschaft wirksam vertreten konnte, weil im Rekursverfahren nur relative Anwaltspflicht bestand (§ 6 Abs 2 AußStrG) und die Benennung eines Einvernehmensrechtsanwalts in diesem Verfahrensstadium daher noch nicht erforderlich war. Auch die Zustellung der Rekursentscheidung ist wirksam (2 Ob 12/16b).
2.6 Für die Erhebung der Revisionsrekurs-beantwortung bedarf es jedoch der Herstellung und des Nachweises des Einvernehmens als Bedingungen dafür, dass die Verfahrenshandlung des einschreitenden ausländischen Rechtsanwalts denen eines österreichischen gleichgestellt ist. Solange das Einvernehmen nicht nachgewiesen ist, ist die Postulationsunfähigkeit der Partei nicht beseitigt (2 Ob 36/15f mwN; 2 Ob 12/16b). Auch das Fehlen des Nachweises eines Einvernehmens ist ein der Verbesserung zugängliches Formgebrechen (RIS-Justiz RS0124121). Dabei ist die Aufforderung zur Verbesserung an den ohne nachgewiesenen Einvernehmensrechtsanwalt einschreitenden europäischen Rechtsanwalt zu richten (2 Ob 12/16b mwN).
2.7 Rechtsanwälte und Notare sind gemäß § 89c Abs 5 Z 1 und 2 GOG idF BGBl I 2012/26 nach Maßgabe der technischen Möglichkeiten zur Teilnahme am Elektronischen Rechtsverkehr verpflichtet. Ein Verstoß gegen diese Bestimmung ist als Formmangel zu behandeln, der zu verbessern ist (§ 89c Abs 6 GOG idF BGBl I 2012/26).
Auch dienstleistende europäische Rechtsanwälte iSd § 1 Abs 1 EIRAG sind bei der Vertretung von Mandanten vor österreichischen Gerichten ebenso wie inländische Rechtsanwälte zur Teilnahme am Elektronischen Rechtsverkehr verpflichtet (2 Ob 36/15f; 2 Ob 12/16b).
2.8 Schon aus diesen Gründen ist der Akt an das Erstgericht zurückzustellen. Dieses wird ein Verbesserungsverfahren einzuleiten und der deutschen Vertreterin des Rechtsmittelwerbers die nach den obigen Ausführungen erforderlichen Verbesserungsaufträge zu erteilen haben.
3. Das Erstgericht hat die erstinstanzlichen Entscheidungen an die Witwe des Erblassers persönlich zugestellt (die Sendung wurde an einer deutschen Adresse hinterlegt und nicht behoben; ON 60), obwohl sie einen deutschen Rechtsanwalt mit ihrer Vertretung beauftragt und bevollmächtigt hat. Die Vollmachtsurkunde wurde vorgelegt (ON 16). Die Rekursentscheidung wurde dieser Noterbin überhaupt nicht zugestellt. Das gilt – wie erwähnt – auch für den gegenständlichen Revisionsrekurs.
4. Erst nach Vornahme des gemäß Punkt 2. durchzuführenden Verbesserungsverfahrens, aller Zustellungen an die Witwe des Verstorbenen und dem Ablauf offener Rechtsmittel- und Rechtsmittelbeantwortungsfristen ist der Akt zur Erledigung des Revisionsrekurses erneut vorzulegen.
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin Hon.-Prof. Dr. Lovrek als Vorsitzende, die Hofräte Dr. Veith und Dr. Musger, die Hofrätin Dr. E.Solé und den Hofrat Dr. Nowotny als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem ***** 2015 verstorbenen G***** H*****, infolge des Revisionsrekurses des erbantrittserklärten Erben N***** M*****, vertreten durch Dr. Bärbel Humitsch, Rechtsanwältin in Spittal an der Drau, gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgericht vom , GZ 3 R 51/17k, 3 R 52/17g-63, womit infolge Rekurses des Noterben M***** H*****, vertreten durch HRG Heidelberger Rechtsanwaltsgesellschaft Stiehl & Schmitt Rechtsanwälte/Fachanwälte PartGmbB in Heidelberg, der Beschluss des Bezirksgerichts Spittal an der Drau vom , GZ 1 A 643/15x-50 in der Fassung des Ergänzungsbeschlusses vom , GZ 1 A 643/15x-57, teils bestätigt, teils abgeändert wurden, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Zurückziehung des Revisionsrekurses wird zur Kenntnis genommen.
Der Akt wird dem Erstgericht zurückgestellt.
Text
Begründung:
Der erbantrittserklärte Erbe zog seinen Revisionsrekurs mit Schriftsatz vom zurück.
Rechtliche Beurteilung
Die Zurückziehung des Revisionsrekurses ist bis zur Entscheidung über diesen zulässig und mit deklarativer Wirkung zur Kenntnis zu nehmen (2 Ob 234/15y mwN).
Zusatzinformationen
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Rechtsgebiet | Zivilrecht |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:2017:0020OB00117.17W.0727.000 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
PAAAD-45117