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OGH vom 20.12.2017, 3Ob170/17x

OGH vom 20.12.2017, 3Ob170/17x

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hoch als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Schwarzenbacher und die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr und Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A*****, vertreten durch die Christandl Rechtsanwalt GmbH in Graz, gegen die beklagte Partei I*****, vertreten durch Dr. Stefan Herdey, Dr. Roland Gsellmann, Rechtsanwälte in Graz, wegen 13.500 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom , GZ 5 R 17/17k-15, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom , GZ 10 Cg 82/16v-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.017,90 EUR (darin 169,65 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Der Beklagte erstellte in einem Zwangsversteigerungsverfahren als gerichtlich beeideter Sachverständiger ein Gutachten zur Feststellung des Verkehrswerts zweier Liegenschaften, die als wirtschaftliche Einheit verwertet und dem Kläger (als einzigem Bieter) zum geringsten Ausrufpreis rechtskräftig zugeschlagen wurden. Nachträglich erfuhr der Kläger, dass eine Grundstücksparzelle (entgegen den Angaben im Grundbuch) laut dem GeoInformationssystem des Landes eine (rund ein Drittel) geringere Fläche aufweist, als dem Gutachten zugrunde gelegt wurde. Der Verkehrswert der Liegenschaften liegt – nach der Berechnung des Klägers – (erheblich) über dem vom Kläger im Zwangsversteigerungsverfahren geleisteten Betrag.

Die Vorinstanzen wiesen das Begehren des Klägers auf Schadenersatz ab. Der vom Kläger geltend gemachte Schaden werde nach der Rechtsprechung vom Schutzzweck der Bestimmungen über die Liegenschaftsschätzung (§ 141 Abs 1 und 5 EO,§ 2 LBG) nicht erfasst.

Das Berufungsgericht ließ die Revision zur Frage zu, ob der Ersteher der Liegenschaft im Zwangsversteigerungsverfahren auch bei einem Fehlen konkurrierender Bieter den Differenzbetrag zwischen seinem tatsächlichen Gebot und dem niedrigeren fiktiven Gebot bei korrekter Schätzung der Liegenschaft dann nicht ersetzt verlangen könne, wenn sein Gebot geringer war als der (wahre) Verkehrswert der Liegenschaft.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Revision des Klägers wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens sowie unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das Urteil im klagsstattgebenden Sinn abzuändern, hilfsweise aufzuheben.

Der Beklagte beantragt, die Revision mangels erheblicher Rechtsfrage zurückzuweisen, hilfsweise, ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zurückzuweisen.

1. Der Oberste Gerichtshof ist bei der Prüfung der Zulässigkeit der Revision an den Ausspruch des Berufungsgerichts nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO nicht gebunden (§ 508a Abs 1 ZPO). Die Revision ist nur dann zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer erheblichen, in ihrer Bedeutung über den Einzelfall hinausgehenden Rechtsfrage des materiellen oder des Verfahrensrechts abhängt. Das ist hier nicht der Fall. Die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).

2.1 In der (bereits von den Vorinstanzen zitierten) Entscheidung 9 Ob 56/11t (SZ 2012/58 = JBl 2012, 520 = EvBl 2012/158, 1082 [Schwab] = ecolex 2012, 888 [Angst]) hat der Oberste Gerichtshof zur Haftung des Sachverständigen nach § 141 Abs 5 EO iVm § 2 LBG klargestellt, dass nach dem Zweck dieser Bestimmungen die Versteigerungssituation im Exekutionsverfahren möglichst einem regulären Marktgeschehen angenähert werden soll. Die Absicht des Gesetzgebers ist hingegen nicht darauf gerichtet, in einem Versteigerungsverfahren einen besonders günstigen Erwerb unter dem Verkehrswert zu fördern (auch wenn ein Erwerb ab dem halben Schätzwert – aus dem Exekutionsrecht immanenten Gründen – möglich ist). Außerdem gibt es keine gesetzliche Bestimmung, nach der ein Bieter in einem Zwangsversteigerungsverfahren das Recht hat, den Gegenstand der Versteigerung überhaupt oder zu einem bestimmten Preis zu erwerben. Der Sachverständige, der nach § 141 Abs 1 EO,§ 2 LBG die Schätzung eines Exekutionsobjekts vornimmt, hat den Verkehrswert der Sache korrekt zu ermitteln. Erfolgt der Zuschlag an den Ersteher zu einem Meistbot, das wegen eines vom Sachverständigen hervorgerufenen Irrtums zwar unter dem überhöhten, jedoch über dem richtigen Verkehrswert liegt, so hat der Sachverständige dem Ersteher gemäß § 141 Abs 5 EO für die Differenz zum richtigen Verkehrswert einzustehen. Die Differenz zwischen dem tatsächlichen und einem verhältnismäßig geringeren (aufgrund des richtigen Verkehrswerts angenommenen) fiktiven Meistbot steht dagegen nicht mehr im Rechtswidrigkeitszusammenhang mit der Pflicht des Sachverständigen zur korrekten Verkehrswertermittlung (9 Ob 56/11t = RISJustiz RS0127857).

Diese Entscheidung wurde in der Lehre zustimmend aufgenommen (Schwab, EvBl 2012, 1082 [1085]; Angst, ecolex 2012, 888 [889]; Angst, EO3§ 141 Rz 14 und 16; Mini/Neumayr in Burgstaller/Deixler-Hübner, Exekutionsordnung,§ 141 Rz 43). Zum Umfang der Haftung des Sachverständigen für Fehler (bei der Schätzung eines Objekts im Zwangsversteigerungsverfahren) gegenüber dem Ersteher liegt damit eine gesicherte Rechtsprechung vor (RISJustiz RS0103384).

2.2 Es besteht kein Anlass, in diesem Zusammenhang zwischen Versteigerungsverfahren, an denen sich mehrere Bieter beteiligen, und solchen, bei denen der einzige Bieter den Zuschlag erhält, zu differenzieren. In beiden Fällen gilt der Grundsatz, dass eine Haftung des Sachverständigen, der (nach § 141 Abs 1 EO,§ 2 LBG) die Schätzung des Objekts vorgenommen hat, dem Erwerber des Versteigerungsobjekts gegenüber nur insoweit in Betracht kommt, als der Zuschlagspreis über dem wahren Verkehrswert lag. Der vom Kläger behauptete Schaden, den er auf seine Annahme stützt, dass er (als einziger Bieter) den Zuschlag für die Liegenschaften bei der Berechnung des (seiner Ansicht nach richtigen) Verkehrswerts zu dem um den Klagebetrag geringeren Betrag erhalten hätte, steht hingegen – unabhängig davon, dass hier mangels konkurrierender Bieter eine Lizitation gar nicht stattgefunden hat und der Zuschlag (daher) zum geringsten Ausrufpreis erfolgte – nicht im Rechtswidrigkeitszusammenhang mit vom Sachverständigen (allenfalls) verletzten Pflichten zur korrekten Verkehrswertermittlung: Geht der Kläger doch in seiner Berechnung selbst davon aus, dass der richtige Verkehrswert erheblich über dem Zuschlagspreis lag.

3. Vom Berufungsgericht verneinte Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens können nicht nach § 503 Z 2 ZPO als Mängel des Berufungsverfahrens geltend gemacht werden (RISJustiz RS0042963). Feststellungen zur tatsächlichen Größe des (einen zum Versteigerungsobjekt gehörenden) Grundstücks, zur Frage, ob der Kläger den Zuschlag bei einem niedriger ermittelten Verkehrswert ebenfalls zum geringsten Gebot erhalten hätte, sowie zu den vom Kläger zum Verschulden des Beklagten vorgebrachten Umständen sind für die rechtliche Beurteilung nicht erforderlich. Daher ist auch auf die in der Revision (neuerlich) als überschießend beanstandete Negativfeststellung über einen (anzunehmenden) Zuschlag zum niedrigeren Ausrufpreis an den Kläger nicht einzugehen.

Die Revision zeigt daher insgesamt keine Rechtsfrage von der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität auf.

4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Der Beklagte hat auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen (RIS-Justiz RS0112296).

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2017:0030OB00170.17X.1220.000

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