OGH vom 01.07.2004, 2Ob117/04a
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G***** GmbH, ***** vertreten durch Tramposch & Partner, Mag. Ulrich Hiob, Rechtsanwälte in Eisenstadt, gegen die beklagten Parteien 1. Malhaz D*****, und 2. Anna D*****, wegen EUR 16.572,15 sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom , GZ 1 R 5/04a-7, womit infolge Berufung der klagenden Partei das negative Versäumungsurteil des Landesgerichtes Innsbruck vom , GZ 5 Cg 84/03m-4, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Das Versäumungsurteil des Erstgerichts und das bestätigende Berufungsurteil werden aufgehoben. Der vorbereitende Schriftsatz der klagenden Partei vom und der darauf beruhende Antrag auf Fällung eines Versäumungsurteiles werden zurückgewiesen.
Die klagende Partei hat die Kosten des Rechtsmittelverfahrens selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Die Klägerin begehrte mit einer am beim Erstgericht eingebrachten elektronischen Mahnklage von den Beklagten Zahlung von EUR 17.059,73 sA. Zur Anspruchsbeschreibung wurde vorgebracht: "Code Nr 06 Darlehen/Kredit/Bürgschaft" sowie "Belegnummer 2933798504". Die Klage enthielt das weitere Vorbringen, dass die Beklagten gemäß § 13 KSchG unter Androhung des Terminsverlustes qualifiziert gemahnt worden seien und in der Folge mangels Zahlung Terminverlust eingetreten sei, weshalb der eingeklagte Betrag zur Gänze fällig sei. Zum Zinsenbegehren enthielt die Klage die Behauptung "Zinsen vereinbart".
Das Erstgericht erachtete das Klagebegehren mangels hinreichender Bestimmtheit des geltend gemachten Rechtsgrundes als unschlüssig und trug den Beklagten die Erstattung einer Klagebeantwortung binnen vier Wochen auf. Dieser Beschluss wurde dem Klagevertreter am , den Beklagten ebenfalls am durch Hinterlegung zugestellt, wobei der Beginn der Abholungsfrist der war.
Die Beklagten ließen die ihnen gesetzte vierwöchige Frist ungenützt verstreichen, worauf die klagende Partei am mittels vorbereitenden Schriftsatzes infolge zwischenzeitlich erfolgter Zahlungen der Beklagten das Klagebegehren auf EUR 16.572,12 sA einschränkte und die Klage auch durch ein ausführliches Vorbringen hinsichtlich der Anspruchsgrundlagen sowie der Fälligkeit schlüssig stellte (ON 3). In diesem Schriftsatz beantragte die klagende Partei aufgrund der nunmehr erfolgten Schlüssigstellung des Klagebegehrens die Fällung eines Versäumungsurteils mangels Klagebeantwortung durch die Beklagte, schloss die Rubriken für das Versäumungsurteil an und begehrte die Verpflichtung der Beklagten zur ungeteilten Hand zur Zahlung des eingeschränkten Betrages von EUR 16.572,12.
Das Erstgericht wies am das Klagebegehren mit (negativem) Versäumungsurteil ab. Es begründete seine Entscheidung damit, die klagende Partei habe ihr Vorbringen erst nach Ablauf der Frist zur Beantwortung der Klage schlüssig gestellt. Da die eingetretene Säumnis der Beklagten nicht durch ein Prozessverhalten seitens der Klägerin behoben werde und ein zweiter Beschluss, mit dem den Beklagten die Beantwortung des weiteren klägerischen Vorbringens aufgetragen werde, im Gesetz nicht vorgesehen sei, könne auf ein nach Ablauf der Frist zur Beantwortung der Klage eingelangtes Vorbringen nicht Bedacht genommen werden, weil diesfalls den Beklagten das rechtliche Gehör genommen würde. Über den Antrag auf Erlassung eines Versäumungsurteiles sei ausschließlich aufgrund des Vorbringens in der Klage zu entscheiden.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung im Ergebnis. Es teilte die Rechtsansicht des Erstgerichtes hinsichtlich der Unschlüssigkeit der Klage, weshalb nach § 244 Abs 2 Z 4 ZPO idF ZVN 2002 BGBl I/2002/76 kein Zahlungsbefehl habe erlassen werden dürfen.
Zwar sei im Sinne der neueren Judikatur (1 Ob 73/03x = JBl 2003, 653) ein unschlüssiges Klagebegehren einer Verbesserung zugänglich, weshalb darauf hinzuwirken sei, dass die für die Entscheidung erheblichen tatsächlichen Angaben gemacht oder ungenügende Angaben über die zur Begründung des Anspruchs geltend gemachten Umstände vervollständigt oder klargestellt würden. Das Erstgericht hätte daher, bevor es den Beklagten im Sinne des § 230 Abs 1 ZPO die Beantwortung der Klage aufgetragen habe, hinsichtlich der Klage einen Verbesserungsversuch unternehmen müssen. Ein solcher sei zwar nicht ausdrücklich erteilt worden, wohl sei aber der klagenden Partei implizit die Möglichkeit zur Verbesserung eingeräumt worden, weil im Beschluss, mit dem den Beklagten die Beantwortung der Klage aufgetragen worden sei, klargestellt worden sei, dass das Erstgericht die Klage zur Erlassung eines Zahlungsbefehles wegen deren Unschlüssigkeit für nicht geeignet halte. Die Klägerin habe auf die ihr in diesem Sinne eingeräumte Verbesserungsmöglichkeit auch durch Einbringung eines Schriftsatzes, mit dem sie die Klage schlüssig gestellt habe, reagiert.
Zwingende Konsequenz der Verbesserungsmöglichkeit einer unschlüssigen Klage müsse sein, dass das die Klage verbessernde Vorbringen als prozessgegenständlich behandelt und der Entscheidung über den Antrag der klagenden Partei auf Fällung eines Versäumungsurteiles zugrunde gelegt werde. Dies habe zur Wahrung des rechtlichen Gehörs der beklagten Partei zur Voraussetzung, dass dieser die Möglichkeit zur Erstattung eines rechtsvernichtenden Vorbringens eingeräumt werde. In den Fällen, in denen das Gericht zu Unrecht nicht bereits vor dem ersten Auftrag zur Beantwortung der Klage ein Verbesserungsverfahren hinsichtlich der Klage eingeleitet habe, müsse bei einer danach erfolgten tatsächlichen Verbesserung der Klage der beklagten Partei noch einmal eine fristgebundene Klagebeantwortung im Sinne des § 230 Abs 1 ZPO aufgetragen werden. Dies sei zwar in § 230 ZPO nicht ausdrücklich vorgesehen, jedoch gesetzlich auch nicht ausdrücklich ausgeschlossen.
Hier sei der Verbesserungsschriftsatz der Klägerin deshalb unbeachtlich, weil nach § 398 ZPO (idF ZVN 2002) die Bestimmungen über das Ruhen des Verfahrens (§§ 168 bis 170) sinngemäß anzuwenden seien, solange der Gegner des Säumigen keinen Antrag auf Erlassung eines Versäumungsurteiles stelle (Abs 1). Durch einen anderen als den in Abs 1 genannten Antrag könne das Verfahren erst drei Monate nach Eintritt der Säumnis fortgesetzt werden.
Aus den Gesetzesmaterialien ergebe sich, dass mit dieser Gesetzesbestimmung die Folgen geregelt werden sollten, wenn im Falle der Säumnis der Antrag auf Fällung eines Versäumungsurteiles ausbleibe. Wäre die Fällung eines echten Versäumungsurteiles möglich und beantrage der Gegner der säumigen Partei ein solches nicht, weil er befürchten müsse, ein aus seiner Sicht bloß negatives Versäumungsurteil erwirken zu können, so solle es jedenfalls für drei Monate beim Verfahrensstillstand bleiben, indem ein ruhensähnlicher Zustand im Verfahren eintrete. Die klagende Partei könne ihre unschlüssige Klage, die beklagte Partei die unschlüssige Klagebeantwortung bzw den unschlüssigen Einspruch oder die unschlüssigen Einwendungen im Gerichtshofverfahren erst nach Ablauf der Ruhensfrist durch die Erstattung weiteren Vorbringens sanieren. Danach könne die klagende Partei, wenn sie mit dem Antrag auf Erlassung eines Versäumungsurteils säumig sei, innerhalb der dreimonatigen Ruhensfrist ein ursprünglich unschlüssiges Klagebegehren nicht verbessern, wohl aber einen Antrag auf Erlassung eines Versäumungsurteils stellen, über den der Vorsitzende als Einzelrichter nach § 397 ZPO binnen acht Tagen ohne Anberaumung einer Verhandlung zu erkennen habe. Wenn also der Kläger innerhalb der dreimonatigen Ruhensfrist einen Antrag auf Versäumungsurteil stelle und gleichzeitig die Verbesserung der ursprünglich unschlüssigen Klage vornehme, könne auf diese Verbesserung bei Fällung des Versäumungsurteiles nicht Bedacht genommen werden. Über den Antrag der (diesbezüglich säumigen) klagenden Partei auf Fällung eines Versäumungsurteiles könne das Gericht trotz Verbesserung nur aufgrund der unschlüssigen Klage entscheiden, weshalb es zu einem "negativen" Versäumungsurteil kommen müsse.
Aus der Wortfolge des § 398 Abs 1 ZPO "solange der Gegner des Säumigen keinen Antrag stellt, sind die Bestimmungen über das Ruhen des Verfahrens anzuwenden", könnte man zwar ableiten, dass durch den Antrag auf Erlassung eines Versäumungsurteils das Ruhen des Verfahrens beendet werde, womit eine gleichzeitig mit dem Versäumungsurteilsantrag erfolgte Verbesserung der Klage trotz Säumnis der klagenden Partei zulässig wäre. Eine derartige Gesetzesinterpretation lasse sich mit der Intention des Gesetzgebers aber nicht vereinbaren. Der Regelung des § 398 ZPO könne nicht entnommen werden, ab wann eine Säumnis des Klägers mit dem Antrag auf Erlassung eines Versäumungsurteiles anzunehmen sei; hier sei die Säumnis der Klägerin eindeutig, weil die Frist zur Beantwortung der Klage für beide Beklagten am abgelaufen sei und die Klägerin ihren Antrag auf Erlassung des Versäumungsurteils erst am eingebracht habe. Sie habe die Verbesserung der unschlüssigen Klage innerhalb der dreimonatigen Ruhensfrist vorgenommen, weshalb dieser infolge Ruhens unzulässige Schriftsatz vom Erstgericht hätte zurückgewiesen werden müssen. Jedenfalls sei bei der Entscheidung über den Antrag auf Erlassung des Versäumungsurteils auf die Verbesserung nicht Bedacht zu nehmen.
Die ordentliche Revision sei zulässig, weil über die Auslegung der novellierten Fassung des § 398 Abs 1 ZPO höchstgerichtliche Judikatur noch nicht ergangen sei.
Dagegen richtet sich die Revision der klagenden Partei mit dem Antrag, ein dem Klagebegehren stattgebendes Versäumungsurteil zu erlassen; hilfsweise werden Aufhebungsanträge gestellt.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist berechtigt.
Die Klägerin macht in ihrer Revision geltend, das Erstgericht hätte zwingend einen Auftrag zur Verbesserung der Klage erteilen müssen; durch den Antrag auf Fällung eines Versäumungsurteiles sei der "ruhensähnliche" Zustand unterbrochen worden und daher die Klage einer Verbesserung zugänglich.
Dazu wurde erwogen:
Der erkennende Senat hat in den Entscheidungen 2 Ob 222/01p und 2 Ob 524/95 = RdW 1997, 18 die Rechtsansicht vertreten, die Verbesserung eines Schriftsatzes sei nicht möglich, wenn zwar unschlüssiges Vorbringen vorliege, darüber aber - wenn auch nicht im stattgebenden Sinn - abgesprochen werden könne. In der Entscheidung 1 Ob 73/03x (= JBl 2003, 653 [Gitschthaler-Höllwerth]) wurde diese Rechtsansicht mit dem Hinweis abgelehnt, es sei nicht einzusehen, warum unschlüssiges Klagebegehren nicht schon von Anfang an einer Verbesserung zugänglich gemacht werden sollte. Demnach wurde in diesem Fall ein negatives Versäumungsurteil aufgehoben, das aufgrund einer unschlüssigen Mahnklage nach dem rechtzeitigen Antrag auf Fällung eines Versäumungsurteiles vom Erstgericht gefällt und vom Berufungsgericht bestätigt worden war. Dem Erstgericht wurde die Einleitung eines Verbesserungsverfahrens hinsichtlich des Klageschriftsatzes aufgetragen.
Der erkennende Senat schließt sich nunmehr dieser Rechtsansicht an. Demnach ist im Falle einer unschlüssigen Mahnklage nicht mit einem Beschluss im Sinn des § 230 Abs 1 ZPO vorzugehen, sondern zunächst ein Verbesserungsverfahren über die Klage einzuleiten.
Im vorliegenden Fall kann aber ein Verbesserungsverfahren (über die Klage vor Erlassung eines Zahlungsbefehls) nicht mehr eingeleitet werden, weil die Klage dem Beklagten mit dem Auftrag zur Erstattung der Klagebeantwortung bereits zugestellt worden ist.
Zu beachten ist weiters, dass hier die Bestimmung des § 398 Abs 1 ZPO idF ZVN 2002 Anwendung findet, die am in Kraft getreten ist. Danach kann der Kläger wegen der Nichterstattung der Klagebeantwortung einen Antrag auf Erlassung eines Versäumungsurteiles stellen; unterlässt er aber einen solchen, so tritt ein ruhensähnlicher Zustand ein. Durch einen anderen als den im Abs 1 leg cit genannten Antrag kann das Verfahren erst drei Monate nach Eintritt der Säumnis fortgesetzt werden (Abs 2). Dies bedeutet, dass nach Eintritt der Säumnis zwar jederzeit die Fällung eines Versäumungsurteils beantragt werden kann, andere Verfahrenshandlungen (zB das Schlüssigstellen der Klage) aber erst nach Ablauf von drei Monaten zulässig sind. Es kommt somit zum Eintritt einer Sperrfrist von drei Monaten, weil der Kläger seine Klage erst nach drei Monaten schlüssig stellen kann (Gitschthaler/Höllwerth in JBl 2003, 656 [Entscheidungsbesprechung]; Beran ua RZ 2003, 10; Frauenberger, Die ZVN 2002 - Neuerungen im Zivilprozessrecht, ÖJZ 2002, 873 [875 Fn 25]).
Hier wurde die Klage (unzulässig) innerhalb der dreimonatigen Ruhensfrist ab Säumnis der Beklagten schlüssig gemacht und gleichzeitig der Antrag auf Fällung eines Versäumungsurteils aufgrund der verbesserten Klage gestellt. Dies wäre aber erst nach Ablauf von drei Monaten möglich gewesen. Ein (bloßer) Antrag auf Fällung eines Versäumungsurteils, der innerhalb der ruhensähnlichen Frist zulässig gewesen wäre, liegt hier nicht vor, weil die klagende Partei die Fällung eines Versäumungsurteils auf der Basis des (neuen) schlüssig machenden Vorbringens beantragt hat. Die vor Ablauf der Ruhensfrist gestellten Anträge des Klägers haben das Ruhen auch nicht - mit Ablauf der gesetzlichen Frist - beendet, weil vorzeitige Fortsetzungsanträge gemäß § 169 Satz 2 ZPO, der hier sinngemäß anzuwenden ist, zurückzuweisen sind, als unzulässige Anträge daher keine prozessualen Wirkungen zeitigen können.
Daher waren das negative Versäumungsurteil aufzuheben und die während des Ruhens gestellten, als Einheit zu betrachtenden Anträge des Klägers zurückzuweisen. Im Falle der nunmehr zulässigen Fortsetzung des Verfahrens wird das Erstgericht den (neuerlich einzubringenden) Schriftsatz des Klägers, mit dem das Klagebegehren schlüssig gemacht wird, den Beklagten zuzustellen haben.
Eine zufolge der Abänderung der angefochtenen Entscheidung zu fällende Entscheidung über die Kosten des Fortsetzungsantrages erübrigt sich hier, weil die Zurückweisung des Fortsetzungsantrages auch die Zurückweisung des darin enthaltenen Kostenantrages umfasst. Da die klagende Partei zwar die Aufhebung des negativen Versäumungsurteils erreicht hat, der Urteilsantrag aber zurückzuweisen war, hat sie nur einen Formalerfolg erzielt, weshalb sie die Kosten des Rechtsmittelverfahrens selbst zu tragen hat (§§ 40, 50 ZPO).