OGH vom 20.12.2016, 4Ob254/16f
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Musger, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Rassi als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H***** GmbH, *****, Deutschland, vertreten durch Biedermann Belihart Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die beklagte Partei W***** GmbH, *****, vertreten durch Stolz Rechtsanwalts-GmbH in Radstadt, wegen 13.724,23 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom , GZ 22 R 227/16k 25, womit das Urteil des Bezirksgerichts St. Johann im Pongau vom , GZ 1 C 273/15y 21, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Die beklagte Partei erwarb bei der klagenden Partei zwei Lieferungen von Schutzfolien zur Beschichtung von Gondelfenstern. Die klagende Partei begehrte die Zahlung der zweiten Lieferung. Die beklagte Partei hielt dem Klagebegehren eine Gegenforderung in Höhe des Klagsbetrags wegen der von ihr behaupteten mangelhaften ersten Lieferung entgegen. Die Vorinstanzen gaben dem Klagebegehren zur Gänze statt und beurteilten die Gegenforderung als nicht zu Recht bestehend.
Das Berufungsgericht ließ die Revision nachträglich (§ 508 Abs 3 ZPO) zur Frage zu, ob nach deutschem Gewährleistungsrecht bei der Beurteilung eines Sachmangels in der Regel ein subjektiver Maßstab anzulegen sei.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der beklagten Partei ist ungeachtet des – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden –berufungsgerichtlichen Zulassungsausspruchs mangels erheblicher Rechtsfragen iSv § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.
1. Die beklagte Partei rügt die Erledigung ihrer Beweis und Verfahrensrüge durch das Berufungsgericht als aktenwidrig.
1.1 Eine Aktenwidrigkeit ist nur dann gegeben, wenn Feststellungen auf aktenwidriger Grundlage getroffen werden, das heißt, wenn der Inhalt einer Urkunde, eines Protokolls oder eines sonstigen Aktenstücks unrichtig wiedergegeben wurde. Erwägungen der Tatsacheninstanzen, weshalb ein Sachverhalt als erwiesen angenommen oder bestimmte Feststellungen nicht getroffen werden können, fallen hingegen in das Gebiet der Beweiswürdigung (RIS Justiz RS0043347). Der Revisionsgrund ermöglicht es daher nicht, die aus Beweisergebnissen gezogenen Schlussfolgerungen zu bekämpfen, mögen diese auch unrichtig sein (RIS Justiz RS0043289 [T3, T 7]; RS0043421 [T2, T 6]; RS0043256), insbesondere bei Schlussfolgerungen aus Sachverständigengutachten (RIS Justiz RS0043298 [T3, T 7, T 11]). Dass eine Feststellung zu irgendeinem Beweisergebnis, auf das sie nicht gegründet wurde, in Widerspruch steht, bedeutet keine Aktenwidrigkeit (RIS Justiz RS0043284). Der Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit kann nicht als Ersatz für eine im Revisionsverfahren generell unzulässige Beweisrüge herangezogen werden (RIS Justiz RS0117019).
1.2 Der als aktenwidrig beanstandete Verweis des Berufungsgerichts auf die Ausführungen des Gutachters in der mündlichen Verhandlung findet Deckung im Protokoll. Im Übrigen begründete das Berufungsgericht die Verwerfung der Tatsachenrüge mit einer umfassenden Betrachtung mehrerer Beweismittel. Der Umstand, dass sich daraus auch günstigere Schlussfolgerungen für die Rechtsmittelwerberin ableiten ließen, erfüllt den behaupteten Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit nicht.
1.3 Somit kann die Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht auf eine Aktenwidrigkeit gestützt werden.
2. Die Rechtsrüge kann schon mangels gesetzmäßiger Ausführung keine erhebliche Rechtsfrage begründen. Die gesetzmäßige Ausführung einer Rechtsrüge setzt nämlich voraus, dass der Rechtsmittelwerber – ausgehend vom von den Vorinstanzen festgestellten Sachverhalt – darlegt, aus welchen Gründen die rechtliche Beurteilung der Sache durch das Berufungsgericht unrichtig sein soll (RIS Justiz RS0043603). Diese Anforderung erfüllen die knappen rechtlichen Ausführungen in der Revision nicht im Ansatz, weil die beklagte Partei nicht vom festgestellten Sachverhalt, sondern von einem „Wunschsachverhalt“ – nämlich einem Sachverhalt nach Bereinigung der behaupteten Aktenwidrigkeit – ausgeht (vgl 4 Ob 159/15h, 4 Ob 205/16z) und die rechtliche Konsequenz zudem bloß behauptet, ohne dies näher zu begründen (RIS Justiz RS0043605).
3. Da die klagende Partei auf die Unzulässigkeit der Revision mangels erheblicher Rechtsfrage nicht hingewiesen und demgemäß auch nur beantragt hat, dieser nicht Folge zu geben, hat sie auch keinen Anspruch auf Honorierung ihrer Revisionsbeantwortung.
European Case Law Identifier
ECLI:AT:OGH0002:2016:0040OB00254.16F.1220.000
Fundstelle(n):
NAAAD-44980