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OGH vom 10.06.1999, 6Ob11/99g

OGH vom 10.06.1999, 6Ob11/99g

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer, Dr. Huber, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj. Johann Karl S*****, in Obsorge der Mutter, Karin Maria K*****, Unterhaltssachwalter Bezirkshauptmannschaft Amstetten, Jugendabteilung, wegen Erhöhung der Unterhaltsverpflichtung des Vaters, Walter Alfred S*****, infolge des ordentlichen Revisionsrekurses des Minderjährigen gegen den Beschluß des Landesgerichtes St. Pölten als Rekursgerichtes vom , GZ 10 R 233/98m-91, womit infolge der Rekurse des Kindes und des Vaters der Beschluß des Bezirksgerichtes Amstetten vom , GZ 1 P 1169/95w-84, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Der jetzt 17-jährige Minderjährige befindet sich nach der Scheidung der Ehe seiner Eltern in der Obsorge der Mutter. Der Vater wurde mit Beschluß des Pflegschaftsgerichtes vom zu einem monatlichen Unterhaltsbeitrag von 2.050 S verpflichtet (ON 48). Das durch einen Unterhaltssachwalter vertretene Kind beantragte am die Erhöhung des Unterhaltsbeitrages auf 3.300 S monatlich ab (ON 52). Der Unterhaltserhöhungsantrag wurde am für die Monate Februar und März 1998 wegen eines vom Minderjährigen erzielten eigenen Einkommens zurückgezogen (ON 71).

Der Vater sprach sich unter Hinweis auf sein gesunkenes Einkommen und auf weitere Sorgepflichten gegen eine Unterhaltserhöhung aus.

Das Erstgericht erhöhte den vom Vater zu leistenden monatlichen Unterhaltsbeitrag für die Zeit vom bis auf 3.000 S und für die Zeit vom bis auf 2.740 S und wies das Unterhaltserhöhungsmehrbegehren ab. Von seinen auf den S 2 bis 4 in ON 84 ersichtlichen Feststellungen sind folgende als wesentlich hervorzuheben:

Der Vater verdiente im Jahr 1996 17.693,47 S monatlich netto, im Jahr 1997 16.107,40 S. Vom 1. 2. bis bezog er Arbeitslosengeld von 10.531 S monatlich. Seit dem beträgt sein monatliches Einkommen 15.464 S netto. Im Jahr 1998 erhielt er eine Abfertigung von drei Monatslöhnen (62.112 S). Der Vater ist wieder verheiratet. Seine Gattin hat ein Monatseinkommen von 7.710 S. Der Vater ist weiters für eine eheliche Tochter und eine außereheliche Tochter sorgepflichtig. Der unterhaltsberechtigte Antragsteller hat seine Schulpflicht mit der Absolvierung der 3. Klasse Hauptschule erfüllt und am zu arbeiten begonnen. Er bezog in den Monaten Jänner bis März 1998 ein Einkommen von 32.070,09 S. Am wurde er aus seinem Verschulden entlassen. Er meldete sich beim Arbeitsmarktservice nicht als arbeitsuchend.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, daß der Unterhaltserhöhungsantrag teilweise berechtigt sei. Der Minderjährige habe Anspruch auf 17 % des monatlichen Nettoeinkommens des Vaters. Von Jänner bis März 1998 sei der Minderjährige aufgrund des von ihm erzielten Einkommens, das den Richtsatz nach dem ASVG überstiegen habe, selbsterhaltungsfähig gewesen. Bei der Prüfung der Selbsterhaltungsfähigkeit könne ein unterhaltsberechtigtes Kind auch auf ein zumutbares fiktives Einkommen angespannt werden. Der Minderjährige habe seinen Arbeitsplatz aus eigenem Verschulden verloren. Er habe sich auch nicht als arbeitsuchend gemeldet. Dieses grob fahrlässige Verhalten könne nicht zu Lasten des unterhaltspflichtigen Vaters gehen.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Unterhaltssachwalters und dem Rekurs des Vaters nicht Folge. Es sprach hinsichtlich der Entscheidung über den Rekursantrag des Unterhaltssachwalters aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, hinsichtlich der Entscheidung über den Rekurs des Vaters aber, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Das Rekursgericht teilte die Auffassung des Erstgerichtes, der unstrittige Umstand, daß der Minderjährige des Diebstahls überführt und deswegen fristlos entlassen worden sei, könne bei der Unterhaltsfestsetzung über den hinaus nicht außer Betracht bleiben. Dem Minderjährigen könne zugemutet werden, ein zur Befriedigung seiner Bedürfnisse ausreichendes Einkommen zu erzielen. Wenn er den Arbeitsplatz aufgrund eigenen Verschuldens verloren habe, könne er nicht anders behandelt werden als ein unterhaltsberechtigtes Kind, dessen Berufsausbildung aus seinem Verschulden gescheitert sei oder ein unterhaltspflichtiger Elternteil, der seinen Arbeitsplatz aus eigenem Verschulden verloren habe. In diesen Fällen gehe aber die ständige Rechtsprechung vom Eintritt der Selbsterhaltungsfähigkeit bzw von einer Anspannung auf das bisher erzielte Einkommen aus. Bei einem Sechzehneinhalbjährigen könne die nötige Einsicht vorausgesetzt werden, daß ein Diebstahl verboten sei und zur Entlassung führe. Der Minderjährige habe die unterhaltsrechtlichen Konsequenzen seines Fehlverhaltens selbst zu tragen. Zu dieser Frage liege aber keine oberstgerichtliche Rechtsprechung vor.

Gegen die Abweisung des Unterhaltserhöhungsbegehrens ab dem richtet sich der Revisionsrekurs des Kindes mit dem Antrag auf Abänderung dahin, daß die Unterhaltsverpflichtung des Vaters für die Zeit vom bis auf 2.740 S monatlich und ab auf 3.000 S monatlich erhöht werde.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist nicht zulässig, weil die an sich erheblichen Rechtsfragen zu den Voraussetzungen für ein Wiederaufleben des Unterhaltsanspruchs des Kindes nach schon eingetretener Selbsterhaltungsfähigkeit hier im Ergebnis nicht entscheidungswesentlich sind und der Revisionsrekurs zu der vom erkennenden Senat für wesentlich erachteten Frage der Behauptungs- und Beweislast keine Ausführungen enthält.

Die elterliche Unterhaltspflicht entfällt bei Selbsterhaltungsfähigkeit des Kindes. Diese liegt dann vor, wenn das Kind die zur Deckung seines Unterhalts erforderlichen Mittel selbst erwirbt oder zu erwerben imstande ist (ÖA 1994, 25 uva). Die Selbsterhaltungsfähigkeit kann vor oder nach Eintritt der Volljährigkeit eintreten. Ähnlich wie bei der Unterhaltsfestsetzung nach Anspannungsgrundsätzen ist die Selbsterhaltungsfähigkeit des Kindes dann zu bejahen, wenn dem Kind eine Erwerbstätigkeit zumutbar ist. Das Kind kann unter Umständen auch auf Hilfsarbeitertätigkeiten verwiesen werden (SZ 70/36 mwN). Der fehlende erfolgreiche Pflichtschulabschluß des Minderjährigen verhinderte eine weitere Berufsausbildung. Mit dem Antritt einer Beschäftigung als ungelernter Arbeiter trat aufgrund des festgestellten relativ hohen, jedenfalls aber über der gesetzlichen Mindestpension liegenden Eigeneinkünfte die Selbsterhaltungsfähigkeit ein. Nach Lehre und Rechtsprechung kann diese allerdings wieder wegfallen, was das Wiederaufleben der Unterhaltsverpflichtung der Eltern auslöst (ÖA 1990, 18 mwN; SZ 70/8 uva; Schwimann, Unterhaltsrecht2, 89 f mwN). Der vorliegende Fall ist dadurch gekennzeichnet, daß der Wegfall des Eigeneinkommens des Kindes seine primäre Ursache in der vom Kind verschuldeten Entlassung hat (das Rekursgericht ging von einem Dienstdiebstahl aus). Fraglich ist, ob dies allein schon ein Wiederaufleben der Geldunterhaltspflicht des Vaters hindert oder ob die am Beginn des Berufslebens gesetzte Verfehlung noch nicht die Rechtsfolge einer bleibenden, nur hypothetischen Selbsterhaltungsfähigkeit auslöst (vgl 2 Ob 97/97x). Selbst wenn man aber zugunsten des rekurrierenden Kindes von der grundsätzlichen Möglichkeit eines Wiederauflebens der Unterhaltspflicht ausgeht, setzte dies aber jedenfalls entsprechende Parteibehauptungen über die Voraussetzungen des Wiederauflebens voraus, wozu vor allem gehörte, daß das Kind keinen anderen Arbeitsplatz finden könnte. Auch im außerstreitigen Unterhaltsverfahren gelten trotz des Untersuchungsgrundsatzes (§ 2 Abs 2 Z 5 AußStrG) subjektive Behauptungs- und Beweislastregeln (RZ 1991/35; SZ 63/202; 6 Ob 145/98m uva). Der Unterhaltspflichtige hat die seine Unterhaltsverpflichtung aufhebenden oder vermindernden Umstände zu behaupten und zu beweisen. Umgekehrt hat das unterhaltsberechtigte Kind, wenn sich - wie hier - im Verfahren über die Unterhaltserhöhung ausreichende Anhaltspunkte für eine schon eingetretene Selbsterhaltungsfähigkeit ergeben, die Umstände zu behaupten und zu beweisen, aus denen sich ein Wiederaufleben der Geldunterhaltspflicht des Vaters ergeben könnte. Im Verfahren erster Instanz hat der Rekurswerber dazu aber nur vorgebracht, er hätte nach seinem Schulabgang zunächst auf Stellengesuche nur Absagen bekommen, sein dann doch gefundenes und eingegangenes Arbeitsverhältnis sei gelöst worden, er verfüge nun über kein eigenes Einkommen und habe keinen Anspruch auf Arbeitslosenunterstützung. Erst im Rekurs gegen den erstinstanzlichen Beschluß berief er sich zusätzlich auf Schwierigkeiten bei der Arbeitsplatzsuche aufgrund des Umstandes, daß er wegen seines hohen Körpergewichts von über 100 kg und wegen der Abneigung von Dienstgebern gegen die Beschäftigung von jugendlichen (ungelernten) Arbeitnehmern unter 18 Jahren, weshalb er bei der angespannten Arbeitsmarktlage nur schwer eine Arbeit finden könne. Der Rekurswerber ist schon im Verfahren erster Instanz seiner Behauptungspflicht nicht ausreichend nachgekommen. Diese wird keineswegs überspannt, wenn man die für ein Wiederaufleben der Unterhaltspflicht ohnehin naheliegenden Behauptungen verlangt, daß ein anderer Arbeitsplatz aus objektiven Gründen nicht zu erreichen gewesen wäre und daß subjektiv auch entsprechende (vergebliche) Bemühungen gesetzt worden seien, einen Arbeitsplatz zu finden. Festgestellt wurde schließlich, daß der Minderjährige sich nicht einmal beim Arbeitsmarktservice als arbeitsuchend gemeldet hat. Wegen Verletzung der ihn treffenden Behauptungspflicht über die Voraussetzungen für ein Wiederaufleben der Geldunterhaltspflicht des Vaters ist die Abweisung des Unterhaltserhöhungsbegehrens daher nicht zu beanstanden. Die erheblichen Rechtsfragen, ob und bejahendenfalls ab wann der Vater wieder geldunterhaltspflichtig wurde, werden im Verfahren über den schon gestellten Enthebungsantrag zu klären sein.