OGH vom 26.05.1997, 2Ob114/97x

OGH vom 26.05.1997, 2Ob114/97x

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Schinko, Dr.Tittel und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Kurt B*****, vertreten durch Dr.Dipl.Ing. Christoph Aigner und Dr.Thomas Feichtinger, Rechtsanwälte in Salzburg, wider die beklagte Partei Herbert D*****, vertreten durch Dr.Wolfgang Paumgartner, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen S 68.100 sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Berufungsgericht vom , GZ 22 R 484/96x-12, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Salzburg vom , GZ 22 C 375/96-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 4.871,04 (darin enthalten S 811,24 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger begehrt mit seiner am beim Erstgericht eingelangten Klage vom Beklagten Zahlung von S 68.100 sA (Schmerzengeld S 60.000 und Behandlungskosten S 8.100) mit dem Vorbringen, er habe sich am an einer vom Beklagten importierten fehlerhaften Trampolinanlage verletzt. Der Beklagte hafte als Importeur im Sinne des § 17 PHG.

Der Beklagte beantragte Abweisung der Klage. Er habe eine fehlerfrei konstruierte und ausgeführte Trampolinanlage samt einer für alle Benützer ausreichenden Bedienungsanleitung aus Italien importiert. Allfällige Verletzungen des Klägers seien darauf zurückzuführen, daß er die Sprungordnung nicht eingehalten habe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren zur Gänze ab.

Es ging davon aus, daß der Beklagte die Trampolinanlage ein bis zwei Monate vor dem aus Italien nach Österreich eingeführt hatte. Die Anlage war in Italien produziert worden. Der Beklagte hat dem Klagevertreter mit Schreiben vom den Hersteller der Anlage bekanntgegeben und mitgeteilt, daß die Anlage aus Italien nach Österreich importiert wurde.

Rechtlich erörterte das Erstgericht, daß nach § 1 PHG (in der Fassung BGBl 1993/95) nur jener Unternehmer als Importeur anzusehen sei, der das Produkt in den europäischen Wirtschaftsraum einführe, nicht jedoch ein Unternehmer, der ein fehlerhaftes Produkt aus einem Staat der EU in einen anderen EU-Staat einführe. Die Übergangsbestimmung des § 17 PHG könne nicht angwendet werden, weil nach dem Beitritt Österreichs zur EU die gegenständliche Einfuhr keine Einfuhr in einen EFTA-Staat darstelle.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung.

Es billigte die Rechtsmeinung des Erstgerichtes. Der Import aus Italien nach Österreich sei ab dem Inkrafttreten des Produkthaftungsgesetzes in der Fassung der Novelle BGBl 1993/95 unter die Bestimmung des § 17 PHG gefallen, solange Österreich EFTA-Staat geblieben sei. Die EFTA-Mitgliedschaft zu Österreich sei mit erloschen. Durch diese Umstände sei bis zum Inkrafttreten des Luganer Übereinkommens für im Inland ansässige Geschädigte eine Schutzlücke entstanden, weil sie den Importeur wegen eines EU-internen Importes weder nach § 1 PHG noch nach dem Wortlaut des § 17 Produkthaftungsgesetz im Inland in Anspruch nehmen könnten. Eine analoge Anwendung der Bestimmung des § 17 PHG widerspreche den EG-Richtlinien. Zufolge des seit dem in Kraft getretenen Luganer Übereinkommens könne der Kläger den italienischen Produzenten auch in Österreich gerichtlich in Anspruch nehmen.

Das Berufungsgericht sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei, weil höchstgerichtliche Judikatur zur Frage, ob das "kurzzeitig entstandene Rechtsschutzdefizit durch Analogie zu schließen sei", nicht vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Die Revision macht geltend, daß nach der deklarierten Absicht des Gesetzgebers bei Erlassung des § 17 PHG bis zum Inkrafttreten des Luganer Übereinkommens dem Geschädigten die Klagsführung im Inland gewährleistet werden sollte. Unter dem Begriff "EFTA-Staat" des § 17 PHG idF BGBl 1993/95 seien daher weiterhin jene Staaten zu verstehen, die bei Erlassung des EWR-Anpassungsgesetzes diese Qualifikation erfüllten.

Der erkennende Senat vermag sich dieser Ansicht nicht anzuschließen.

§ 1 Abs 1 Z 2 PHG idF BGBl 1988/99 sah die Haftung des inländischen Unternehmers, der ein fehlerhaftes Produkt zum Vertrieb in das Inland eingeführt und hier in den Verkehr gebracht hat, vor. Zweck der durch das PHG neu geschaffenen Importeurshaftung war es, Schutzlücken, die sich aus einer - sonst notwendigen - Rechtsverfolgung gegen Hersteller im Ausland ergeben, zu schließen. Die Haftung des Importeurs sollte dem Geschäften einen Ersatzpflichtigen im Inland sichern (vgl Fitz/Purtscheller/Reindl, Produkthaftung § 1 Rz 5, 35; 6 Ob 636/94).

Mit der Novelle BGBl 1993/95 sollte das Produkthaftungsgesetz an das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum (BGBl 1993/909) und an die Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Haftung für fehlerhafte Produkte angepaßt werden. Zur Umsetzung der Richtlinie sollte daher der Begriff des Importeurs neu umschrieben werden (vgl Erl zur RV PHG 1993 648 BlgNR 18. GP 3).

Nach dieser Novelle ist daher Importeur jener Unternehmer, der ein Produkt zum Vertrieb in den Europäischen Wirtschaftsraum eingeführt und hier in den Verkehr gebracht hat. Import ist seither prinzipiell Einfuhr in den EWR (vgl dazu Riedler, Rechtsschutzdefizit in PHG durch den "Wandel des Importeurbegriffes" infolge des Eintritts Österreichs in die EU, WBl 1995, 99 [100]). Dadurch sollte sichergestellt werden, daß jemand, der durch ein in Österreich erworbenes Produkt geschädigt wird, hier einen Haftenden findet, den er hier klagen und gegen den er hier Exekution führen kann (Erl zur RV aaO). Um einem österreichischen Geschädigten im Falle einer Schadenszufügung durch ein in einem Drittland produziertes und in den EWR importiertes Produkt nicht zur Klagsführung im Ausland zu zwingen, wurde der Importeursbegriff bis zum Inkrafttreten des Luganer Übereinkommens vom über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (LGVÜ) im § 17 PHG 1993 dahingehend erweitert, daß als Importeur auch jener Unternehmer haften sollte, der das Produkt zum Vertrieb von einem EFTA-Staat in die EG, von der EG in einen EFTA-Staat oder von einem EFTA-Staat in einen anderen EFTA-Staat eingeführt und hier in den Verkehr gebracht hatte. Danach führte aber ein EG-interner Warentransfer nicht zur Begründung der Importeurseigenschaft beim inländischen Unternehmer (vgl Riedler, Der Konnex zwischen österreichischem PHG, EG-Produkthaftungsrichtlinie, EWR-Abkommen, EFTA-Abkommen, EU-Vertrag, Luganer und Brüsseler Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommen, WBl 1966, 428 [430]). Diese Bestimmung entsprach dem europäischen Gemeinschaftsrecht (vgl Art 3 Abs 2 EU-Richtlinie; Schmidt-Salzer, Produkthaftung2 III/1 Rz 4457).

Österreich ist seit Mitglied der Europäischen Union (EU-Beitrittsvertrag BGBl 1995/45); seine EFTA-Mitgliedschaft ist am erloschen. Dies bedeutet, daß nach § 17 PHG 1993 EU-interne Importe nicht mehr unter den haftungsbegründenden Importeursbegriff fallen.

Es trifft zwar zu, daß die Absicht des Gesetzgebers bei der Beschreibung des "Importeurs" nach § 17 PHG darin lag, einem österreichischen Geschädigten auch einen Haftenden zu verschaffen, den er in Österreich klagen und gegen den er hier Exekution führen kann. Auch ist der Rechtsauffassung zuzustimmen, daß die Richtlinie des Rates inländisches Recht nicht unmittelbar ändern, sondern die Mitgliedstaaten verpflichten, ihre Rechtsordnung anzupassen.

Daraus ist aber für den Revisionswerber nichts gewonnen.

Durch den Beitritt zur EU trat Österreich unter den in der Beitrittsakte umschriebenen Bedingungen unter anderem in die "Erste Säule" der EU, das Gemeinschaftsrecht, ein (vgl Kohlegger/Knoflach, Gemeinschaftsrechtliche Auslegungs- und Umsetzungsprobleme am Beispiel von Fusions- sowie Spaltungs-RL und EU-GesRÄG, WBl 1996, 97). Nach Art 189 EGV ist die Richtlinie für jeden Mitgliedstaat, an den sie gerichtet wird, hinsichtlich des zu erreichenden Zieles verbindlich. Dies bedeutet, daß die Richtlinie den Mitgliedstaaten eine rechtlich bindende Zielsetzung vorgibt, die sie zwingend verwirklichen müssen, doch bleibt den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und Mittel zur Erreichung des Zieles überlassen (Thun-Hohenstein/Cede, Europarecht 178; Gamerith Das nationale Privatrecht in der Europäischen Union - Harmonisierung durch Schaffung von Gemeinschaftsprivatrecht, ÖJZ 1997, 165 [172]). Nach der Unmsetzung ist für den Rechtsunterworfenen primär die in Umsetzung der Richtlinie erlassene nationale Norm maßgebend. Die zur Umsetzung einer Richtlinie erlassenen innerstaatlichen Vorschriften sind aber richtlinienkonform auszulegen (Thun-Hohenstein aaO 179). Das Gericht hat sich daher soweit wie möglich am Wortlaut und Zweck der Richtlinie zu orientieren und Rechtsbegriffe, die in der Richtlinie und im innerstaatlichen Recht übereinstimmen, entsprechend den gemeinschaftsrechtlichen Begriffen auszulegen. Läßt die Auslegung mehrere gleichwertige Möglichkeiten zu, so ist jener der Vorzug zu geben, die dem Zweck der zugrundeliegenden Richtlinie am besten entspricht (Gamerith aaO; Riedler, Die österreichische Wirtschaft im Spannungsfeld zwischen österreichischem und europäischem Recht, VR 1995, 12 [14]; Brechmann, Die richtlinienkonforme Auslegung [1994] 289).

Erklärtes Ziel der angeführten Richtlinie des Rates vom war aber die Angleichung der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften über die Haftung des Herstellers für Schäden, die durch die Fehlerhaftigkeit seiner Produkte verursacht worden sind, weil deren Unterschiedlichkeit den Wettbewerb verfälschen, den freien Warenverkehr innerhalb des Gemeinsamen Marktes beeinträchtigen und zu einem unterschiedlichen Schutz des Verbrauchers vor Schädigung seiner Gesundheit und seines Eigentums durch ein fehlerhaftes Produkt führen kann (Präambel der zitierte Richtlinie). Art 3 Abs 2 dieser Richtlinie normiert die Haftung des Importeurs, der ein fehlerhaftes Produkt aus einem Drittland in die Europäische Gemeinschaft einführt. Grenzüberschreitende Warenbewegungen innerhalb der EU werden somit nicht erfaßt. Eine Haftung des innergemeinschaftlichen Importeurs verbietet sich daher nach Gemeinschaftsrecht (vgl Riedler, Rechtsschutzdefizit im PHG durch den "Wandel des Importeursbegriffs infolge des Eintritts Österreichs in die EU, WBl 1995, 99 [104]; Taschner/Frietsch, Produkthaftungsgesetz und EG-Produkthaftungsrichtlinie2, 350; Schmidt-Salzer/Hollmann Kommentar EG-Richtlinie Produkthaftung I, 392 f).

Die wörtliche Auslegung des § 17 PHG ergibt, daß der Beklagte nicht Importeur im Sinn dieser Betimmung ist, weil er das den Gegenstand der Klage bildende Produkt von einem EU-Staat nicht in einen EFTA-Staat, sondern in einen anderen EU-Staat eingeführt und dort in den Verkehr gebracht hat. Selbst wenn man annimmt, daß der EU-Beitritt Österreichs zu einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes (zu einer "nachträglichen Gesetzeslücke" - vgl F.Bydlinski in Rummel2 Rz 2 zu § 7; Posch in Schwimann2 Rz 5 zu § 7) geführt hat, die durch Analogie zu schließen wäre (SZ 57/194; SSV-NF 2/49 ua), könnte § 17 PHG nicht analog angewendet werden, weil dem Gesetzgeber nicht zusinnbar ist, daß er eine Regelung erlassen hätte, die einer - für ihn verbindlichen - EU-Richtlinie widerspricht. Unter diesen Umständen muß nicht darauf eingegangen werden, ob der analogen Anwendung auch die anderen von Riedler (in WBl 1995, 104) angeführten Gründe entgegenstehen. Der Widerspruch zum Gemeinschaftsrecht verbietet aber auch die in der Revision gewünschte Auslegung des § 17 PHG dahin, daß unter EFTA-Staaten die Staaten zu verstehen sind, die zur Zeit des Inkrafttretens des EWR-Anpassungsgesetzes BGBl 1993/95 dazu gehörten. Es ist nämlich jede Auslegung unzulässig, die mit dem zu vermutenden Willen des Gesetzgebers nicht im Einklang steht.

Der Importeur nach Österreich haftet somit nach § 1 Abs 1 Z 2 iVm § 17 PHG nicht herstellergleich, wenn er das Produkt aus einem EU-Mitgliedstaat importiert hat. Ein österreichischer Produktgeschädigter hatte daher in derartigen Fällen bis zum Inkrafttreten des Luganer Übereinkommens keine Möglichkeit, seine Ersatzansprüche in Österreich durchzusetzen (vgl Posch in Schwimann2 VIII Rz 6 zu § 17 PHG).

Da dies hier zutrifft, war der Revision ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.