OGH vom 05.08.2016, 2Ob114/16b
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden, die Hofräte Dr.
Veith und Dr.
Musger, die Hofrätin Dr. E. Solé sowie den Hofrat Dr. Nowotny als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach der am ***** verstorbenen J***** K*****, über den Revisionsrekurs der erblasserischen Kinder 1. Mag. A***** V*****, 2. E***** K*****, beide vertreten durch KREISSL PICHLER WALTHER Rechtsanwälte GmbH in Liezen, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom , GZ 4 R 265/15t 175, womit über den Rekurs des eingeantworteten Erben Ing. E***** K*****, vertreten durch Dr. Gerald Ruhri ua, Rechtsanwälte in Graz, der Beschluss des Bezirksgerichts Voitsberg vom , GZ 15 A 247/12z 161, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Aus Anlass des Revisionsrekurses der erblasserischen Kinder Mag. A***** V***** und E***** K***** wird der Beschluss des Rekursgerichts als nichtig aufgehoben und der Rekurs des eingeantworteten Erben Ing. E***** K*****gegen den Beschluss des Erstgerichts vom , GZ 15 A 247/12z 161, zurückgewiesen.
Ein Kostenersatz findet nicht statt.
Text
Begründung:
Die am verstorbene J*****) K***** (im Folgenden „Erblasserin“) hinterließ ihren Ehegatten Ing. E***** K***** (im Folgenden „Ehegatte“) und die beiden Kinder E***** K***** und Mag. A***** V***** (beide im Folgenden „Kinder“).
Mit Testament vom setzte die Erblasserin die Kinder zu gleichen Teilen zu ihren Erben ein.
Mit eigenhändig geschriebenem und unterschriebenem Testament vom setzte die Erblasserin den Ehegatten zum Universalerben ein.
Mit vom (jetzigen) Gerichtskommissär errichtetem, von diesem und zwei Notariatsangestellten (letztere mit einem auf ihre Eigenschaft als Zeugen hinweisenden Zusatz) unterfertigten Testament vom setzte die Erblasserin ihren Ehegatten zum Alleinerben und die beiden Kinder als Ersatzerben ein. Die Erblasserin, die laut Protokoll des Urkundenverfassers schreibunfähig war, setzte ihr Handzeichen (drei Kreuze) auf die Urkunde.
Im Verlassenschaftsverfahren gaben der Ehegatte und die Kinder in der Tagsatzung vom widersprechende Erbantrittserklärungen ab: Während der Ehegatte seine bedingte Erbantrittserklärung zum gesamten Nachlass auf das Testament vom stützte, beriefen sich die Kinder in ihren Erbantrittserklärungen je zur Hälfte des Nachlasses auf das Testament vom . Nach vergeblicher Anleitung der Erben zu einer Anerkennung des Erbrechts (§ 160 AußStrG) legte der Gerichtskommissär die Akten dem Erstgericht zur Entscheidung über das Erbrecht vor.
Im Erbrechtsstreit brachten die Kinder vor, die Erblasserin sei aufgrund einer fortschreitenden Demenz bei der Errichtung der Testamente vom und vom nicht mehr testierfähig gewesen; ein lucidum intervallum sei auszuschließen. Gültig sei daher das nächstjüngste Testament vom .
In der gerichtlichen Tagsatzung vom schlossen die Kinder mit dem Ehegatten einen Vergleich: Sie anerkannten sein Erbrecht, der Ehegatte sagte ihnen im Gegenzug zu, ihnen bestimmte nachlasszugehörige Vermögenswerte (Liegenschaften und Geld) zuzuwenden. Daraufhin verkündete das Erstgericht einen Beschluss, mit dem es das Erbrecht des Ehegatten feststellte und die Erbantrittserklärungen der Kinder abwies. Die Parteienvertreter erklärten, auf eine Beschlussausfertigung zu verzichten. Den Parteien wurden nur Protokollsabschriften zugestellt.
In der Tagsatzung zur Verlassenschafts-abhandlung vor dem Gerichtskommissär vom bestritt der Ehegatte die Gültigkeit des Vergleichs vom . In der weiteren Tagsatzung vom beantragte er die sofortige Einantwortung des Nachlasses und erklärte, bei antragsgemäßer Erledigung auf jedes Rechtsmittel gegen den Einantwortungsbeschluss zu verzichten; weiters erklärte er, sich nicht an den Vergleich vom gebunden zu fühlen, sodass „kein Übereinkommen welcher Art auch immer anlässlich der heutigen Tagsatzung geschlossen wird.“
Mit dem Einantwortungsbeschluss des Erstgerichts vom wurde die Verlassenschaft dem Ehegatten „aufgrund des Testamentes vom “ zur Gänze eingeantwortet.
Gegen den Einantwortungsbeschluss richtete sich der Rekurs des Ehegatten mit dem Abänderungsantrag, ihm die Verlassenschaft aufgrund des Testaments vom einzuantworten. Die Anfechtung beziehe sich nur darauf, dass ihm die Verlassenschaft aufgrund des Testaments vom und nicht aufgrund jenes vom eingeantwortet worden sei.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs Folge, behob den Einantwortungsbeschluss des Erstgerichts und trug diesem die gesetzmäßige Fortsetzung des Verfahrens auf.
Es führte in rechtlicher Hinsicht aus, der Rekurswerber übersehe, dass die Entscheidung über das Erbrecht nicht mit dem Einantwortungsbeschluss, sondern – in Form einer „Vorabentscheidung“ – mit dem (gesonderten) Beschluss vom erfolgt sei. Dieser Beschluss, mit dem sein Erbrecht (erkennbar) aufgrund seiner ausschließlich auf das Testament vom gestützten Erbantrittserklärung festgestellt wurde, sei die Grundlage für die Einantwortung der Verlassenschaft an ihn. Da der Einantwortungsbeschluss keinen selbstständig anfechtbaren Ausspruch über das Erbrecht enthalte, gehe der Rekurs mangels eines Anfechtungsgegenstands ins Leere.
Aus Anlass des Rekurses sei aber aufzugreifen, dass die Voraussetzungen für eine Einantwortung noch nicht vorlägen. Gemäß § 177 AußStrG habe das Gericht den Erben die Verlassenschaft erst dann einzuantworten, wenn die Erben und ihre Quoten feststünden (und die Erfüllung der übrigen Voraussetzungen nachgewiesen sei). Werde über das Erbrecht nicht erst mit dem Einantwortungsbeschluss, sondern vorab mit einem Zwischenbeschluss gemäß § 36 Abs 2 AußStrG entschieden, dessen Zweck gerade darin bestehe, den Grund des Anspruchs zu klären, habe die Einantwortung erst nach Eintritt der – formellen – Rechtskraft des gesonderten Beschlusses zu erfolgen; mit dieser trete die Verbindlichkeit der Feststellung ein (§ 43 Abs 1 AußStrG). Mit Einanwortungsbeschluss des Erstgerichts sei die Verlassenschaft dem Ehegatten aber eingeantwortet worden, obwohl der Beschluss über das Erbrecht vom aus den genannten Gründen noch nicht formell rechtskräftig sei. Der Einanwortungsbeschluss sei daher mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 177 AußStrG ersatzlos zu beheben gewesen.
Der Revisionsrekurs sei zulässig, da der Oberste Gerichtshof noch nicht zu der Frage Stellung genommen habe, ob bei der Entscheidung über das Erbrecht mit gesondertem Beschluss gemäß § 161 Abs 1 Satz 1 iVm § 36 Abs 2 AußStrG die Einantwortung erst nach Eintritt der formellen Rechtskraft dieses Beschlusses erfolgen dürfe, weil erst dann die Erben und ihre Quoten feststünden (§ 177 AußStrG).
Gegen den Beschluss des Rekursgerichts richtet sich der Revisionsrekurs der Kinder mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss dahingehend abzuändern, dass dem Rekurs des Ehegatten nicht Folge gegeben und der Einantwortungsbeschluss des Erstgerichts wiederhergestellt werde.
Der Ehegatte beantragt in der Revisionsrekursbeantwortung, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Aus Anlass des zulässigen Revisionsrekurses (vgl RIS Justiz RS0007095) ist die Nichtigkeit des Rekursverfahrens amtswegig aufzugreifen: Mit dem vom Rekurswerber angefochtenen Einantwortungsbeschluss wurde seinem Rechtsschutzbegehren vollinhaltlich stattgegeben: Ihm wurde aufgrund seiner auf das Testament vom gestützten Erbantrittserklärung (ON 58, Band I) zum gesamten Nachlass die Verlassenschaft zur Gänze eingeantwortet. Der Rekurswerber ist daher durch den von ihm bekämpften Einantwortungsbeschluss nicht beschwert. Mangels Beschwer war sein Rekurs unzulässig und wäre daher vom Rekursgericht zurückzuweisen gewesen (RIS Justiz RS0041770; vgl auch RS0043815; vgl zur Nichtigkeit wegen des Mangels der Beschwer 3 Ob 150/94; 5 Ob 116/08g; 5 Ob 170/10a). Aus dieser Rechtslage ergibt sich die spruchgemäße Erledigung.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 185 AußStrG, wonach im Verlassenschaftsverfahren – außer im Verfahren über das Erbrecht – kein Ersatz von Vertretungskosten stattfindet. Gegenstand dieses Rechtsmittelverfahrens ist aber nicht der den Erbrechtsstreit mit dem Rekurswerber erledigende Zwischenbeschluss vom , sondern der Einantwortungsbeschluss.
European Case Law Identifier
ECLI:AT:OGH0002:2016:0020OB00114.16B.0805.000