OGH vom 24.11.1987, 2Ob503/87
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Melber, Dr. Kropfitsch und Dr. Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Michael B***, Schüler, Zanaschkagasse 16/57/23, 1120 Wien, vertreten durch Dr. Brigitte Birnbaum, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Alois B***, Gemeindebediensteter, Färbermühlgasse 12/3, 1230 Wien, vertreten durch Dr. Eva Maria Barki, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterhalt, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes vom , GZ 47 R 2083/86-20, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Liesing vom , GZ 1 C 44/85-13, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Der Kläger hat dem Beklagten die mit 4.243,80 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 385,80 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der am geborene Kläger besuchte in den Jahren 1976 bis 1980 eine vierjährige Fachschule für Reproduktion und Drucktechnik und erlernte solcherart den Beruf eines Buchdruckers. Anschließend leistete er bis zum August 1981 seinen Präsenzdienst. Vom September 1981 bis Juli 1982 arbeitete er in der Hausdruckerei des Sozialministeriums. Nach seinen Angaben in der Parteienvernehmung (ON 7 AS 24 ff) "erfüllte er dort kleinere Druckaufträge, vor allem führte er Buchbinderarbeiten durch" und erzielte ein monatliches Nettoeinkommen von 6.000 S. Dieses Arbeitsverhältnis wurde einvernehmlich aufgelöst. Nach einer kurzzeitigen Arbeitslosigkeit arbeitete der Kläger zwischendurch als Chauffeur, im Jänner 1983 nahm er eine Stelle als Offsethelfer bei der Druckerei K*** an, wo er zunächst monatlich netto 8.500 S und seit Sommer 1984 monatlich netto 10.000 S verdiente. Dieses Dienstverhältnis löste er im August 1985 durch eigene Kündigung auf. Seit Oktober 1985 besucht er die Höhere Graphische Bundes-Lehr- und Versuchsanstalt. Auf Grund seiner vorausgegangenen Schulausbildung wurde er dort in den dritten Jahrgang aufgenommen, so daß die insgesamt fünfjährige Ausbildung mit abschließender Reifeprüfung auf eine dreijährige verkürzt ist. Mit dem Besuch dieser Schule strebt der Kläger, der seit September 1985 bei seiner Mutter lebt und von ihr versorgt wird, für die Zukunft einen leitenden Posten in einer Druckerei an.
In der vorliegenden Klage wird gegenüber dem Beklagten als dem Vater des Klägers das Begehren auf Zahlung eines monatlichen Unterhaltes von 2.500 S ab bis auf weiteres, längstens bis zur Selbsterhaltungsfähigkeit, erhoben. Der Beklagte beantragte Klagsabweisung, weil der Kläger selbsterhaltungsfähig sei.
Das Erstgericht gab der Klage statt.
Das Berufungsgericht wies die Klage ab. Es sprach aus, daß die Revision zulässig sei.
Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes erhebt der Kläger eine auf § 503 Abs 1 Z 4 ZPO gestützte Revision mit dem Antrag auf Abänderung der angefochtenen Entscheidung im Sinne der Wiederherstellung des erstgerichtlichen Urteiles. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Der Beklagte beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht gerechtfertigt.
Auf der Grundlage des dargestellten Sachverhaltes sowie der weiteren Feststellung, daß der bei den Wiener Stadtwerken als Autospengler beschäftigte Beklagte ein monatliches Nettoeinkommen von 15.000 S bezieht und für seine nicht erwerbstätige Ehefrau sorgepflichtig ist, vertrat das Erstgericht die Rechtsansicht, der Beklagte sei zufolge Wiederauflebens der bereits erloschenen Unterhaltspflicht zur begehrten Unterhaltsleistung verpflichtet und in der Lage. Dem Kläger sei es bei Beginn seiner ersten Berufsausbildung nicht möglich gewesen, die technische Entwicklung im Druckereigewerbe und die sich verändernde Arbeitsmarktsituation durch Beschäftigung ungelernter Arbeitskräfte vorherzusehen und er sei im Laufe seiner beruflichen Tätigkeit zur Einsicht gekommen, seine beruflichen Aussichten durch die Absolvierung der höheren Abteilung für Reproduktion und Drucktechnik verbessern zu können. Der Umstand der bereits mehrjährigen Berufstätigkeit führe nicht zu einer Verneinung des Unterhaltsanspruches, vielmehr böten die gewonnenen Berufserfahrungen Gewähr für entsprechende schulische Erfolge.
Das Berufungsgericht kam zu einer abweichenden rechtlichen Beurteilung. Ein Wiederaufleben der bereits erloschenen Unterhaltspflicht für ein Kind, welches die Berufsausbildung bereits abgeschlossen gehabt habe, werde in der Regel dann bejaht, wenn das Kind im jugendlichen Alter eine seinem Wohl zuwiderlaufende Berufsentscheidung getroffen habe und sich nunmehr eines Besseren besinne unter der Voraussetzung, daß das neue Ausbildungsziel ernstlich und strebsam verfolgt werde und dementsprechende Leistungsgarantien geboten würden. Es müsse aber ein gewisser zeitlicher Höchstabstand zwischen Abschluß der Berufausbildung und Inangriffnahme des neuen Ausbildungszieles beachtet werden, ebenso das Lebensalter des Anspruchswerbers. Im gegenständlichen Fall habe sich der Kläger erst im Alter von 23 Jahren zum Antritt einer weiteren Ausbildung entschlossen, nachdem er bereits durch fünf Jahre selbsterhaltungsfähig gewesen sei. In dieser Situation habe der bereits erloschene Unterhaltsanspruch nicht wieder aufleben können, so daß das Klagebegehren abgewiesen werden müsse. In seiner Revision führt der Kläger aus, es könne ihm nicht angelastet werden, daß er seinerzeit nicht die geringen beruflichen Aussichten in der von ihm gewählten Ausbildungsrichtung erkannt habe. Er sei sodann tatsächlich in Druckereibetrieben tätig gewesen und hätte nicht von vornherein annehmen müssen, dort als unqualifizierter Hilfsarbeiter eingesetzt zu werden. Eine zwischenzeitige fünfjährige Selbsterhaltungsfähigkeit stehe dem Wiederaufleben der Unterhaltspflicht nicht entgegen. Die Revision ist zulässig, weil hier die Fragen der mangelnden Selbsterhaltungsfähigkeit des Klägers und seiner weiteren beruflichen Ausbildung untrennbar verbunden sind, so daß kein bloßes Unterhaltsbemessungsproblem im Sinne des § 502 Abs 2 Z 1 ZPO vorliegt (EFSlg. 44.072, 44.612; 3 Ob 551/85, 1 Ob 604/85 ua). Die Revision ist aber nicht gerechtfertigt.
Grundsätzlich ist ein Kind jedenfalls dann als selbsterhaltungsfähig anzusehen, wenn es auf Grund einer erfolgten Berufausbildung tatsächlich in der Lage ist, die Mittel zu seinem Unterhalt selbst zu erwerben (vgl. Wentzel, Plessl in Klang2 I/2, 33; ZVR 1972/27; 5 Ob 581/79, 1 Ob 793/83 = Österr. Amtsvormund 1984, 68; 1 Ob 604/85 ua). Diese bereits eingetretene Selbsterhaltungsfähigkeit (§ 140 Abs 3 ABGB) kann jedoch aus verschiedenen Gründen wieder verlorengehen und damit die Unterhaltspflicht der Eltern wieder aufleben. In der Rechtsprechung wurde ein solches Wiederaufleben der Unterhaltspflicht auch dann bejaht, wenn ein Kind nach einer abgeschlossenen beruflichen Ausbildung und dadurch gegebenem Eintritt der Selbsterhaltungsfähigkeit sich zu einer weiteren Ausbildung entschloß, um offenkundig bessere berufliche Fortkommensmöglichkeiten zu erlangen. Hinsichtlich einer solchen weiteren Ausbildung muß jedoch insgesamt ein strengerer Maßstab angelegt werden als bei einem erstmaligen Ausbildungsgang (1 Ob 567/84, 3 Ob 551/85 ua). Das Wiederaufleben der Unterhaltspflicht wurde bejaht, wenn sich die ganz offenkundig ein besseres Fortkommen gewährleistende weitere Ausbildung unmittelbar an die bereits erlangte Berufsausbildung anschloß, wobei weiters auch die allgemeine Voraussetzung eines guten Ausbildungserfolges auf Grund besonderer Eignung zutraf (3 Ob 551/85). Im Falle der Entscheidung SZ 51/90 lag noch keine abgeschlossene erste Berufsausbildung vor, in den Fällen der Entscheidungen ÖJZ 1985, 116 sowie 1 Ob 604/85, 8 Ob 181/71, 5 Ob 581/79, 1 Ob 567/84 und 7 Ob 761/78 schloß sich ein Hochschulstudium an die verspätete Ablegung der Reifeprüfung, im Falle der Entscheidung 1 Ob 793/83 eine Diplomatenausbildung unmittelbar an das abgeschlossene Studium der Rechtswissenschaften an. Hinsichtlich eines ausgebildeten und kurzfristig, nämlich durch vier Monate tatsächlich als Lehrer tätig gewesenen Studenten der Theaterwissenschaft wurde das Wiederaufleben der väterlichen Unterhaltspflicht schon mangels Sicherheit eines durch dieses Studium zu erwartenden besseren Fortkommens verneint (SZ 42/9). Eine länger währende berufliche Tätigkeit lag lediglich bei einem Kaufmannsgehilfen vor, der sich nach vier Jahren zum Besuch einer fünfjährigen Textilschule entschloß. Sein Unterhaltsbegehren wurde wegen eines aus einem Notendurchschnitt von 2,68 hervorgehenden Mangels besonderer Eignung abgewiesen (JBl 1966, 85).
Der für die Bejahung der Unterhaltspflicht auch während einer späteren zweiten Berufsausbildung somit in jeder Hinsicht anzulegende strengere Maßstab erfordert vor allem auch die besondere Bedachtnahme auf die Lebensverhältnisse des Kindes und des in Anspruch genommenen Elternteiles.
Vorliegendenfalls ist davon auszugehen, daß der Kläger nach den Lebensverhältnissen seines Vaters als eines Autospenglers durch den Besuch einer vierjährigen Fachschule grundsätzlich eine angemessene Berufsausbildung erfuhr. Diese Ausbildung als Druckergehilfe hat ihn in den folgenden Jahren auch in den Stand gesetzt, sich seinen Lebensunterhalt in Form eines angemessenen Nettoeinkommens von zuletzt monatlich 10.000 S zu verdienen. Unter diesen Umständen muß die von den Eltern geschuldete Berufsausbildung bei einem 23 1/2-Jährigen als endgültig abgeschlossen angesehen werden. Das nunmehrige Streben des Klägers, sich durch eine weitere Ausbildung die Voraussetzungen für die Erlangung eines leitenden Postens in einer Druckerei zu schaffen, kann daher nicht mehr im Zusammenhang mit der vor längerer Zeit erloschenen Unterhaltspflicht des Beklagten gesehen werden und nicht zu einem Wiederaufleben derselben führen. Die weitere berufliche Ausbildung eines erwachsenen Menschen, der schon jahrelang einen erlernten Beruf ausgeübt hat, geschieht anders als beim Minderjährigen (§ 146 Abs 3 ABGB) grundsätzlich außerhalb der Ingerenz seiner Eltern und ist daher in der Regel auch hinsichtlich ihrer Finanzierung ihm allein anheimgestellt. Eine weitere Unterhaltspflicht wäre im allgemeinen daher wohl nur dann zu bejahen, wenn die bisherige Ausbildung die Erzielung eines angemessenen Einkommens nicht zuließe. Demgemäß war der Revision ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.