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OGH vom 12.07.2007, 2Ob113/07t

OGH vom 12.07.2007, 2Ob113/07t

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Baumann als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Veith, Dr. Grohmann und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj. Marcel P*****, geboren am , ***** vertreten durch die Bezirkshauptmannschaft Baden Jugendwohlfahrt, 2500 Baden, Schwartzstraße 50, als Unterhaltssachwalter, über den Revisionsrekurs des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien gegen den Beschluss des Landesgerichtes Wiener Neustadt als Rekursgericht vom , GZ 16 R 27/07w-U37, womit infolge Rekurses des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien der Beschluss des Bezirksgerichtes Ebreichsdorf vom , GZ 3 P 49/06f-U30, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben; die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie ersatzlos aufgehoben werden.

Text

Begründung:

Der am geborene minderjährige Marcel ist der uneheliche Sohn der Sabine P***** und des Heimo M*****; er lebt bei seiner Mutter, der die Pflege und Erziehung zukommen.

Am beantragte der Jugendwohlfahrtsträger namens des Kindes, den Vater ab zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von EUR 184 und zugleich mittels einstweiliger Verfügung gemäß § 382a EO zur Leistung eines vorläufigen Unterhalts von monatlich EUR 105,40 zu verpflichten. Mit Beschluss vom wurde die beantragte einstweilige Verfügung erlassen. Am beantragte der Minderjährige, wiederum vertreten durch den Jugendwohlfahrtsträger, Titelvorschüsse gemäß § 4 „Abs 1" (richtig: Z 1) UVG auf Grundlage dieser einstweiligen Verfügung, welche das Erstgericht mit Beschluss vom selben Tag für die Zeit vom bis gewährte, wobei es mit weiterem Beschluss vom selben Tag aussprach, dass mit der Auszahlung dieser Vorschüsse mit Juni 2006 in Ansehung des monatlich EUR 94 übersteigenden Betrages innezuhalten sei. Am setzte das Erstgericht die monatliche Unterhaltspflicht des Vaters endgültig (und antragsgemäß) mit EUR 184 ab fest. Alle diese Beschlüsse sind unbekämpft in Rechtskraft erwachsen.

Mit weiterem Beschluss vom erhöhte das Erstgericht hierauf die mit Beschluss vom gewährten Vorschüsse ab dem neuen Unterhaltstitel gemäß auf monatlich EUR 184 gemäß § 19 Abs 2 UVG.

Das Rekursgericht gab dem hiegegen vom Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien erhobenen Rekurs nicht Folge und sprach aus, dass der Revisionsrekurs zufolge divergenter Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes (3 Ob 147/00i gegenüber 4 Ob 137/99x) zulässig sei. Das Rekursgericht, das sich der Entscheidung des 3. Senates, der ein vergleichbarer Fall zugrunde gelegen sei, anschloss, führte (zusammengefasst) aus:

Bereits aufgrund der vorläufigen Unterhaltsfestsetzung nach § 382a EO sei ein Titelvorschuss gewährt worden und habe daher auch eine Prüfung der Voraussetzungen der Vorschussgewährung nach §§ 3, 4 Z 1 UVG stattgefunden. Mit § 19 Abs 2 UVG habe der Gesetzgeber, wie der Oberste Gerichtshof zu 3 Ob 147/00i bereits ausgeführt habe, einen Gleichlauf zwischen Unterhaltsvorschuss und Unterhaltstitel herstellen wollen, wenn während des Verfahrens der Vorschüsse der Unterhaltsbeitrag erhöht worden sei. Wenn nunmehr die erstmalige Festsetzung des Unterhalts nach § 140 ABGB während laufender Gewährung von vorläufigen Unterhaltsbeiträgen nach § 382a EO eine Erhöhung im Sinne des (zumindest analog anzuwendenden) § 19 Abs 2 UVG bedeute, dann erfordere es der dargelegte Zweck eines Gleichlaufs zwischen Vorschuss und Titel, auch eine rückwirkende Erhöhung der Vorschüsse zu billigen, in gleicher Weise wie dies bei Erhöhung der bereits einmal im außerstreitigen Verfahren festgesetzten Unterhaltsbeiträge nach § 19 Abs 2 UVG zu geschehen habe. Da im Gesetz eine zeitliche Begrenzung des vorläufigen Unterhalts nach § 382a EO nicht angeordnet werde, vielmehr nach § 399a Abs 2 Z 2 EO eine einstweilige Verfügung nach dieser Gesetzesstelle aufzuheben sei, wenn das Unterhaltsverfahren beendet sei, lasse sich aus dem Gesetz nicht (entgegen Neumayr in Schwimann²) ableiten, dass mit der endgültigen Unterhaltsfestsetzung der Titel für die Vorschussgewährung beseitigt werde. Schon der 3. Senat habe sich der „formalistischen Auffassung" dieses Autors nicht angeschlossen, wonach eine Entscheidung, durch welche ein vorläufiger Unterhalt nach § 382a EO durch einen endgültigen ersetzt werde, nicht als Erhöhung des Unterhaltsbeitrags nach § 19 Abs 2 UVG aufgefasst werden könne, sei doch materielle Grundlage für den Unterhaltsanspruch des Kindes (ungeachtet der verfahrensrechtlichen Besonderheiten) jeweils und stets § 166 iVm § 140 ABGB. Für die (zumindest analoge) Anwendbarkeit des § 19 Abs 2 UVG könne es daher nicht darauf ankommen, in welcher Form es zu einer Erhöhung des nach dem maßgeblichen Exekutionstitel geschuldeten Unterhaltsbeitrages komme. Dem stehe auch nicht entgegen, dass nach § 382a EO der zuzuerkennende Unterhalt mit der Familienbeihilfe nach dem FLAG nach obenhin absolut begrenzt sei, weil auch dies an der Rechtsnatur des Unterhaltsanspruches nichts zu ändern vermöge.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der auf unrichtige rechtliche Beurteilung gestützte Revisionsrekurs des OLG-Präsidenten mit dem Antrag, in Stattgebung seines Rechtsmittels die bekämpfte Entscheidung ersatzlos zu beheben. Dem gleichzeitig gemäß § 16 Abs 2 und 3 UVG gestellten Antrag „an das Erst- bzw Rekursgericht bzw an den Obersten Gerichtshof" auf „Innehaltung mit der Auszahlung der gesamten Vorschüsse" hat das Erstgericht mit Beschluss vom mit Ablauf des Dezember 2006 stattgegeben; der hiegegen vom Minderjährigen erhobene Rekurs wurde vom Rekursgericht gemäß § 19 Abs 3 iVm § 16 UVG zurückgewiesen.

Der Minderjährige hat, wiederum vertreten durch den Jugendwohlfahrtsträger, auch eine Revisionsrekursbeantwortung erstattet, in welcher beantragt wird, dem gegnerischen Rechtsmittel nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht formulierten Grund zulässig und auch berechtigt.

Der Rechtsmittelwerber argumentiert wie folgt:

Selbst eine endgültige Unterhaltsfestsetzung in Höhe der vorläufigen, der die Aufhebung einer einstweiligen Verfügung nach § 382a EO folge, verwandle einen unechten Titelvorschuss nach § 4 Z 5 UVG keinesfalls in einen echten nach § 4 Z 1 UVG. Zu 3 Ob 147/00i sei übersehen worden, dass gemäß § 399a Abs 2 Z 2 EO eine einstweilige Verfügung nach § 382a EO zwingend aufzuheben sei, wenn das Unterhaltsverfahren beendet sei, was im vorliegenden Fall rechtsirrigerweise vom Erstgericht unterlassen worden sei. Gerade darin liege aber der wesentliche Unterschied im Vergleich zu einer „gewöhnlichen bloßen Unterhaltserhöhung", wohingegen es hier um ein „Umstellen" von einem bisherigen Exekutionstitel auf einen neuen gehe. Da mit der Festsetzung des endgültigen Unterhalts (zwingend) die Aufhebung der einstweiligen Verfügung verbunden sei, falle hiedurch die frühere Bewilligungsvoraussetzung weg; selbst wenn gleichzeitig ein neuer wirksamer Exekutionstitel entstehe, ändere dies nichts daran, dass der Vortitel (einstweilige Verfügung) grundsätzlich unwirksam geworden sei, wodurch ein Einstellungsgrund verwirklicht werde. In Wahrheit liege dann auch gar kein Anlass zu einer Vorschusserhöhung vor, sondern sogar ein Anlass zu einer amtswegigen Einstellung der auf Basis der einstweiligen Verfügung gewährten Unterhaltsvorschüsse, welche Beschlussfassung funktionell dem Erstgericht vorbehalten bliebe.

Hiezu hat der erkennende Senat Folgendes erwogen:

In der bereits zitierten Entscheidung vom , 3 Ob 147/00i, SZ 73/127, wurde bei gleichgelagertem Sachverhalt ausgesprochen, dass auf den titulierten Anspruch eines Minderjährigen auf vorläufigen Unterhalt gemäß § 382a EO bei Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen auch Unterhaltsvorschüsse gemäß § 4 Z 1 UVG gewährt werden können; allein die Erwirkung eines Unterhaltstitels im Hauptverfahren entziehe Unterhaltsvorschüssen, die einem Minderjährigen infolge eines Titels gemäß § 382a EO gewährt wurden, nicht die Grundlage; übersteige der Unterhaltsanspruch des Minderjährigen nach dem im Hauptverfahren erwirkten Titel den gemäß § 382a EO festgesetzten vorläufigen Unterhalt als bisherige Grundlage für Unterhaltsvorschüsse, so seien die Unterhaltsvorschüsse gemäß § 19 Abs 2 UVG - auch rückwirkend - zu erhöhen (vgl RIS-Justiz RS0113996).

Der Entscheidung 4 Ob 137/99x (ÖA 1999, 263) lag insoweit ein abweichender Sachverhalt zugrunde, als anders als zu 3 Ob 147/00i (und auch im vorliegenden Verfahren) der dortige Kindesvater nur zu Unterhaltsvorschüssen nach § 4 Z 5 UVG - während laufenden Provisorialverfahrens - verpflichtet worden war und erst nach Schaffung eines rechtskräftigen Unterhaltstitels (samt Aufhebung der einstweiligen Verfügung) Unterhaltsvorschüsse nach §§ 3, 4 Z 1 UVG für die Zukunft bewilligt worden waren. Demgemäß hatte sich der 4. Senat sodann auch nur mit der Anpassung (Erhöhung) eines Unterhaltsvorschusses nach § 4 Z 5 UVG nach Gewährung eines vorläufigen Unterhalts nach § 382a EO zu befassen, wobei ausdrücklich auf dessen Unterschiede zu einem (echten) Unterhaltstitel(vorschuss) hingewiesen wurde. Demgemäß wurde die rückwirkende Gewährung eines Titelvorschusses bei einem reinen Unterhaltsvorschussbegehren nach § 4 Z 5 UVG für unzulässig und eine „Anpassung" des Vorschusses nach § 4 Z 5 UVG an den (später) festgesetzten Unterhaltsbeitrag durch Erhöhung dieses Vorschusses (und nicht durch rückwirkende Gewährung eines Titelvorschusses) als ausgeschlossen erachtet, weil der vorläufige Unterhalt nach § 382a EO und damit auch der Vorschuss nach § 4 Z 5 UVG mit dem Grundbetrag der Familienbeihilfe begrenzt sei (RIS-Justiz RS0112087). Wenn der Differenzbetrag zwischen dem vorläufigen Unterhalt und dem endgültigen Unterhalt nachträglich bevorschusst würde, käme es zu einer (unzulässigen) rückwirkenden Gewährung des Titelvorschusses (RIS-Justiz RS0112086). Zu 7 Ob 194/01g, SZ 74/173, schließlich wurde ausgesprochen, dass für die Gewährung eines Vorschusses nach § 4 Z 5 UVG nicht erforderlich sei, dass die Entscheidung nach § 382a EO rechtskräftig sei, Exekution geführt oder ein Bedarf nachgewiesen werde; die endgültige Unterhaltsfestsetzung in Höhe der vorläufigen Festsetzung verwandle einen „unechten" Titelvorschuss nach § 4 Z 5 UVG nicht in einen solchen nach Z 1 leg cit, sodass auch insoweit mangels Vergleichbarkeit kein Widerspruch zu 3 Ob 147/00i vorliege, weil dort (anders als zu 7 Ob 194/01g) Identität des Vorschussgrundes (nämlich des § 4 Z 1 UVG) gegeben gewesen sei.

Neumayr lehnt in seiner ausführlichen Kommentierung des UVG in Schwimann³ die Entscheidung 3 Ob 147/00i ausdrücklich ab (FN 392 zu § 4 und FN 124 zu § 19) und führt hiezu näher aus:

„Ganz allgemein ist dann, wenn aufgrund einer einstweiligen Verfügung nach § 382a EO ein 'echter' Titelvorschuss nach §§ 3, 4 Z 1 bewilligt wird, im Auge zu behalten, dass die Grundlage der Vorschussgewährung eine einstweilige Verfügung ist, die in einem vereinfachten und beschleunigten Verfahren mit - zunächst - beschränktem rechtlichen Gehör des Gegners ergangen ist. Der damit zuerkannte Unterhalt ist aus diesem Grund auch betragsmäßig beschränkt. Unabhängig davon, ob nun aufgrund einer einstweiligen Verfügung nach § 382a EO ein 'unechter' Titelvorschuss nach § 4 Z 5 oder ein 'echter' Titelvorschuss nach §§ 3, 4 Z 1 begehrt wird, ist der 'vorläufige Unterhalt' kein Vorgriff auf den 'erst festzusetzenden Unterhalt', der eine nachträgliche 'Anpassung' des auf einem Titel nach § 382a EO beruhenden Vorschusses an den endgültigen Unterhalt entsprechend § 19 Abs 2 rechtfertigen könnte, sobald dieser festgesetzt ist. Vielmehr kann erst dann, wenn der (endgültige) Unterhalt festgesetzt ist, erstmals auf dessen Basis ein Titelvorschuss beantragt werden, dessen Beginn und Dauer sich nach § 8 richten. Eine unterschiedliche Behandlung bei der Erhöhung je nachdem, ob auf der Grundlage der einstweiligen Verfügung Vorschüsse nach § 4 Z 5 oder nach §§ 3, 4 Z 1 beantragt wurden, wäre sachlich nicht zu rechtfertigen. Dies gilt auch dann, wenn die endgültige Unterhaltsfestsetzung in der Höhe des vorläufigen Unterhalts erfolgt."

In Rz 29 zu § 19 UVG wird dies vom genannten Autor nochmals verdeutlicht:

„Bei Vorschüssen nach § 4 Z 5 ist eine Anpassung entsprechend § 19 Abs 2 UVG mit der endgültigen Unterhaltsfestsetzung nicht möglich, weil der Titel für die Vorschussgewährung, nämlich die einstweilige Verfügung damit beseitigt und nicht erhöht wird. Die fehlende Anpassungsmöglichkeit gilt auch dann, wenn aufgrund einer einstweiligen Verfügung nach § 382a EO ein 'echter' Titelvorschuss nach §§ 3, 4 Z 1 gewährt wird. In beiden Fällen, also sowohl bei einem 'unechten' Titelvorschuss nach § 4 Z 5 als auch bei einem 'echten' Titelvorschuss nach §§ 3, 4 Z 1, ist der vorläufige Unterhalt kein Vorgriff auf den erst festzusetzenden Unterhalt. Vielmehr kann erst dann, wenn der (endgültige) Unterhalt festgesetzt ist, erstmals auf dessen Basis ein Titelvorschuss beantragt werden. Dies gilt auch dann, wenn die endgültige Unterhaltsfestsetzung in der Höhe des vorläufigen Unterhalts erfolgt."

Diese Ausführungen sind überzeugend. Der erkennende Senat folgt daher nicht der zu 3 Ob 147/00i vertretenen Auffassung; diese ist angesichts der zitierten Entscheidungen des 4. und 7. Senats auch letztlich - wenngleich sich die Sachverhalte (geringfügig) unterschieden haben mögen - vereinzelt geblieben. Da keine „ununterbrochene Gewährung von Unterhaltsvorschüssen des gleichen Typs" vorliegt (Neumayr, aaO Rz 23 zu § 19), scheidet somit eine Vorschusserhöhung nach § 19 Abs 2 UVG aus. Daran ändert vorliegendenfalls auch nichts der Umstand, dass - entgegen § 399a Abs 1 Z 2 EO - die einstweilige Verfügung nach § 382a EO nach der Aktenlage vom Erstgericht noch nicht aufgehoben worden ist. Die Entscheidungen der Vorinstanzen waren somit ersatzlos aufzuheben.