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OGH vom 24.04.2020, 7Ob184/19p

OGH vom 24.04.2020, 7Ob184/19p

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Hon.-Prof. Dr. Höllwerth, Dr. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei V*****, vertreten durch Dr. Gerhard Deinhofer und Dr. Friedrich Petri, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei F***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Andreas Grundei, Rechtsanwalt in Wien, wegen 1.000 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Handelsgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 1 R 52/19x-17, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts für Handelssachen Wien vom , GZ 7 C 684/17i-13, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das Urteil des Berufungsgerichts wird aufgehoben und diesem die neuerliche Entscheidung über die Berufung der klagenden Partei aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Der klagende Verein ist ein Verband nach § 29 Abs 1 KSchG. Die Konsumentin L***** C***** (fortan nur mehr: Konsumentin) hat dem Kläger ihre Ansprüche abgetreten.

Die Konsumentin buchte im März 2017 bei der Beklagten online zum Preis von 7,50 EUR (Bezahlung mit Kreditkarte) eine Fahrt von W***** E***** (Busterminal *****) nach B***** (Flughafen) und erhielt dazu eine Buchungsbestätigung mit (ua) folgendem Hinweis:

„bitte beachte: für den Check-in am Bus muss eine vorzeigbare Buchungsbestätigung in ausgedruckter oder digitaler Form oder per F*****-App auf deinem Smartphone vorhanden sein. […] Wichtige Gepäckhinweise: Namenskennzeichnung am Gepäck, max 2x Reisegepäck, max 1x Handgepäck.“

Die Konsumentin stellte vor dem Einstieg in den Bus ihren Koffer (Maße 55 cm x 36 cm x 21 cm) neben den Bus und der Busfahrer räumte diesen in den im unteren Bereich des Fahrzeugs gelegenen und nur von außen zugänglichen Gepäckbereich. Die Konsumentin erhielt keinen Gepäckabschnitt vom Busfahrer. Sie hatte ihren Koffer weder selbst mit Namen und Adresse gekennzeichnet noch verwendete sie die von der Beklagten im Zuge des OnlineBuchungsprozesses zum Ausdrucken zur Verfügung gestellten Gepäckanhänger.

Der Bus hielt an mehreren Haltestellen, (ua) im Stadtzentrum B*****, bevor er an der Endstation B***** Flughafen hielt, wo die Konsumentin ausstieg. Bei den Haltestellen zuvor waren ebenfalls Passagiere ausgestiegen.

Die Konsumentin hatte etwas im Bus vergessen, musste aus diesem Grund noch einmal an ihren Sitzplatz zurück und war deshalb der letzte Fahrgast, der aus dem Bus stieg. An der Endstation stellte der Busfahrer alle Gepäckstücke auf den Gehsteig. Als die Konsumentin schließlich aus dem Bus stieg, nahm sie den letzten verbliebenen Koffer, den sie für den ihren hielt. Sie bemerkte bald, dass dies nicht der Fall war. Als sie dies dem Buschauffeur mitteilen wollte, stieg dieser gerade wieder in den Bus und fuhr ab.

Der Busfahrer übergab die jeweiligen Gepäckstücke nicht direkt an die Reisenden, sondern diese nahmen die Gepäckstücke selbständig an sich.

Die Beklagte hat bei Cross-Border-Linien selbstklebende Gepäckbänder in Verwendung, welche nummeriert sind, und die Fahrer geben das Gepäck nur an denjenigen Fahrgast heraus, der den entsprechenden Abschnitt vorweisen kann. Der Fahrer sollte die Gepäckbänder von sich aus ausgeben, jedenfalls aber auf Nachfrage durch den Kunden. Eine Kontrolle der Gepäckabschnitte bei der Gepäckausgabe erfolgt aber „aus operativen Gründen“ selten oder gar nicht. Die Konsumentin erhielt im vorliegenden Fall kein Gepäckband. Sie hatte den Fahrer nicht danach gefragt und dieser hat ihr ein solches auch nicht von sich aus angeboten.

Die Gepäckbänder dienen vor allem bei Buskontrollen an der Grenze der Zuordnung der Gepäckstücke an die Reisenden (Kontrolle auf Drogen oder ähnliche Dinge); dies wird von der Polizei oder vom Zoll verlangt und vereinfacht und beschleunigt die Grenzkontrollen um rund eine Stunde.

Die Fahrer der Beklagten haben die Aufgabe, das Gepäck herauszugeben. In der Praxis nehmen häufig die Kunden, sobald der Gepäckraum aufgeht, selbst sofort die Gepäckstücke an sich.

Die Beklagte betreibt in Deutschland, Österreich und der Schweiz rund 270 Linien, wobei täglich rund 1.200 Busse unterwegs sind. Die Beklagte hat im Jahr bei ca 20 Millionen beförderten Fahrgästen etwa 3.000 Reklamationen, die vertauschtes, verlorenes oder liegen gebliebenes Gepäck betreffen. Kunden, die online das Ticket gebucht haben und mit dem ausgedruckten Ticket beim Bus einchecken, haben oft auch den angehängten Gepäckanhänger ausgeschnitten und an ihrem Gepäckstück angebracht. Kunden, die über das Handy oder über die App gebucht haben, drucken Gepäckanhänger oft mangels Möglichkeiten nicht aus.

Das Geschäftsmodell der Beklagten ist es, möglichst günstige Busfahrten anzubieten. Die Umstellung der Gepäckausgabe auf Ausgabe von Gepäckscheinen wie bei einer Garderobe, würde dies unmöglich machen. Ebenso der dafür benötigte Zeitaufwand. Überdies sind an diversen Ein- und Ausstiegsstellen die örtlichen Gegebenheiten für ein derartiges Handling nicht vorhanden, weil die Bahnsteige der Beklagten wie eine Bushaltestelle beschaffen sind. Dazu würde auch zusätzliches Personal in den Bussen benötigt.

In der Station warten die Fahrer üblicherweise bis alle Gepäckstücke von den Fahrgästen an sich genommen werden und fahren erst dann weg. Übriggebliebene Gepäckstücke werden mitgenommen.

Die Konsumentin hatte ihren Koffer im Dezember 2016 um 76,54 EUR erworben. Der Inhalt des Koffers steht nicht fest.

Die Allgemeinen Geschäfts- und Besondere Beförderungsbedingungen (AGB) der Beklagten müssen im Zuge der Online-Buchung „angeklickt“ werden, um den Buchungsprozess abschließen zu können. So ist dies auch bei der Ticketbuchung der Konsumentin geschehen.

Die AGB der Beklagten (Stand: ) lauten auszugsweise:

„1. Geltungsbereich

Die Allgemeinen Geschäfts- und Besonderen Beförderungsbedingungen gelten für die Nutzung der Webportale, die Buchung von Fahrten und die Beförderung von Fahrgästen im Fernbusnetz […] Die Verkehrsmittel dienen der Personalbeförderung. […]

17 Beförderung von Sachen

17.1 Reisegepäck:

17.1.1 Die vom Fahrpreis umfasste Mitnahme von Reisegepäck ist begrenzt auf zwei Gepäckstücke pro Fahrgast mit einer maximalen Größe von 67 x 50 x 27 cm pro Gepäckstück. Jeder Fahrgast kann maximal 30 kg kostenfreies Reisegepäck mitführen. Zum Reisegepäck zählen Koffer und Taschen. […]

17.1.3 Der Fahrgast hat sein Reisegepäck für eine korrekte Zuordnung und Rückgabe, insbesondere zur Vermeidung von Verwechslung, mit Name und Anschrift zu kennzeichnen.

17.1.4 Der Fahrgast ist für das Verladen seines Reisegepäcks bei Umstieg selbst verantwortlich. Eine etwaige Hilfe durch den Busfahrer erfolgt nur in Ausnahmefällen und begründet keinen Anspruch hierauf, es sei denn, es handelt sich um einen Fahrgast mit Behinderung oder eingeschränkter Mobilität.

17.2 Handgepäck:

17.2.1 Die Mitnahme von Handgepäck erfolgt kostenfrei, ist aber begrenzt auf ein Gepäckstück pro Fahrgast mit einer maximalen Größe von 42 x 30 x 18 cm und einem maximalen Gewicht von 7 kg.

[…]

17.2.3 Das Handgepäck samt Inhalt verbleibt während der gesamten Fahrt in der Obhut des Fahrgastes und ist entsprechend zu beaufsichtigen. […] Der Fahrgast kontrolliert kurz vor Ende der Fahrt sein Handgepäck auf dessen Vollständigkeit. […]

17.5 Wertsachen:

17.5.1 Wertsachen […] sind im Handgepäck und nicht im Reisegepäck zu befördern und obliegen der Sorgfaltspflicht des Fahrgastes.

17.5.2 Werden Wertgegenstände dennoch im Reisegepäck befördert, besteht kein Anspruch auf Haftung. Hiervon sind Fälle von Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit ausgenommen. […]

20 Haftung

20.1 Bei leichter Fahrlässigkeit wird – außer im Fall der Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit – nur gehaftet, sofern wesentliche Vertragspflichten verletzt werden. Die Haftung für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit besteht unbeschränkt […]

20.4.2 Für Verlust von Gepäckstücken, der nicht im Zusammenhang mit einem aus der Nutzung des Kraftomnibusses resultierenden Unfall steht, sowie für Vertausch oder Diebstahl der Gepäckstücke wird die Haftung, außer bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit ausgeschlossen. […]

21 Allgemeine Beförderungsbedingungen

In Ergänzung zu diesen 'Besonderen Beförderungsbedingungen' gilt die Verordnung über die Allgemeinen Beförderungsbedingungen für den Straßenbahn- und Omnisbus-Verkehr sowie den Linienverkehr mit Kraftfahrzeugen vom (Bundesgesetzblatt I., Seite 230) in der jeweils gültigen Fassung […].“

Der Kläger begehrte von der Beklagten für den Verlust des Koffers der Konsumentin die Zahlung von 1.000 EUR sA. Er brachte zusammengefasst vor, dass die Beklagte keine ausreichenden Sicherungsmaßnahmen zum Schutz des Gepäcks getroffen und demnach grob fahrlässig gehandelt habe. Die Ausgabe von Gepäckscheinen und die Gepäckausgabe nur nach dessen Vorweisung seien bei vielen Busunternehmen üblich. Ohne ein vergleichbares Kontrollsystem würde Verwechslungen oder Diebstahl nicht ausreichend vorgebeugt und somit eine Hauptpflicht des Beförderungsvertrags verletzt.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wandte zusammengefasst ein, dass die Gepäckbeförderung kostenfrei erfolge und keine Hauptleistungspflicht sei. Es liege kein Verschulden seitens der Beklagten vor. Der Haftungsausschluss sei zulässig. Nach § 46 Kfl-Bef Bed bestehe für ordnungsgemäß aufgegebenes Reisegepäck wenn überhaupt nur eine Haftung bis zum Höchstbetrag von 200 EUR je Gepäckstück.

Das Erstgericht verpflichtete die Beklagte zur Zahlung von 51,03 EUR sA und wies das Mehrbegehren ab. Rechtlich führte es aus, dass nach der ROM IVO aufgrund des Wohnsitzes der Konsumentin österreichisches Recht anzuwenden sei. Die Konsumentin habe mit der Beklagten einen Beförderungsvertrag abgeschlossen, aufgrund dessen die Beklagte verpflichtet gewesen sei, für eine sorgfältige Verwahrung des übergebenen Gepäcks zu sorgen. Gemäß Punkt 17.1.1 der AGB sei die Mitnahme von Reisegepäck vom Fahrpreis mitumfasst und daher nicht kostenfrei. Den AGB sei nicht mit der gemäß § 6 Abs 3 KSchG erforderlichen Deutlichkeit ein Haftungsausschluss für leichte Fahrlässigkeit zu entnehmen. Die Verpflichtung der Beklagten auf Rückstellung des anvertrauten Gutes ergebe sich auch aus § 34 der Verordnung des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie über die Allgemeinen Beförderungsbedingungen für den Kraftfahrlinienverkehr (Kfl-Bef Bed). Der Busfahrer der Beklagten wäre verpflichtet gewesen, den Fahrgästen, die Gepäck aufgeben, einen Gepäckschein auszugeben. Der Busfahrer habe weder die Verwendung von Gepäckbändern oder ähnlich gut sichtbarer Kennzeichen überwacht oder das Gepäck einzeln den Fahrgästen übergeben. Dieses rechtswidrige, wegen der geringen Gefahrenwahrscheinlichkeit allerdings nur leicht fahrlässige Verhalten des Busfahrers sei der Beklagten gemäß § 1313a ABGB zuzurechnen. Die Konsumentin treffe allerdings ein Mitverschulden, weil sie – entgegen der Aufforderung der Beklagten in deren AGB – ihren Koffer nicht gekennzeichnet habe. Das Verschulden sei 2:1 zu Lasten der Beklagten zu teilen. Es stehe lediglich ein Schaden in der Höhe von 76,54 EUR (Wert des Koffers) fest, wovon die Beklagte zwei Drittel zu ersetzen habe.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers – ohne Prüfung der Tatsachen- und Verfahrensrüge zur Schadenshöhe – nicht Folge. Es war der Rechtsansicht, dass nach Art 5 Abs 2 ROM I-VO österreichisches Sachrecht anzuwenden sei. Die von der Konsumentin akzeptierten AGB enthielten zwar an einzelnen Stellen Verweise auf deutsche Normen, doch seien diese für einen Laien nicht nachvollziehbar und reichten daher für eine schlüssige Rechtswahl nicht aus. § 46 Kfl-Bef Bed sehe zwar vor, dass das Unternehmen für ordnungsgemäß aufgegebenes Reisegepäck bei leichter Fahrlässigkeit je Gepäckstück mit maximal 200 EUR hafte. Eine generelle verschuldensunabhängige Haftung für den Verlust des Transportgutes werde aber nicht normiert und es existiere auch keine Haftungsregelung für nicht ordnungsgemäß aufgegebenes Reisegepäck. Durch die Übernahme des Reisegepäcks in den dafür vorgesehenen Raum des Busses treffe die Beklagte zwar die Verpflichtung, das Reisegepäck so zu platzieren, dass Gepäckstücke während der Fahrt, sei es durch die Fahrweise, sei es durch Betriebsmittel oder andere Reisegepäckstücke, nicht beschädigt werden. Daraus könne aber die Übernahme einer Pflicht zur Prüfung der Berechtigung der einzelnen Fahrgäste an – ohne Gepäckschein aufgegebenem – Reisegepäck nicht abgeleitet werden. Nach der sich aus der Entscheidung 1 Ob 231/15z ableitbaren Wertung sei von einer Beaufsichtigungsobliegenheit des Reisenden auszugehen und jegliches Verschulden der Beklagten zu verneinen.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Höchstgerichtliche Judikatur zur Auslegung der Kfl-Bef Bed zur Beförderung von Reisegepäck ohne Gepäckschein liege nicht vor.

Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinn der Klagestattgebung. Hilfsweise stellt der Kläger auch einen Aufhebungsantrag.

Die Beklagte erstattete eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag, die Revision des Klägers zurückzuweisen, hilfsweise dieser keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zufolge § 502 Abs 5 Z 3 ZPO nicht jedenfalls unzulässig nach § 502 Abs 3 ZPO. Sie ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig und in ihrem Aufhebungsantrag auch berechtigt.

A. Anzuwendendes Recht

1. Nach Art 5 Abs 2 ROM I-VO ist, soweit die Parteien in Bezug auf einen Vertrag über die Beförderung von Personen keine Rechtswahl nach Unterabsatz 2 getroffen haben, das anzuwendende Recht das Recht des Staates, in dem die zu befördernde Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, sofern sich in diesem Staat auch der Abgangsort oder der Bestimmungsort befindet. Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, so ist das Recht des Staates anzuwenden, in dem der Beförderer seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.

2. Nach Art 3 Abs 1 Satz 2 ROM I-VO muss die Rechtswahl ausdrücklich erfolgen oder sich eindeutig aus den Bestimmungen des Vertrags oder aus den Umständen des Falls ergeben. Die Rechtswahl kann demnach ausdrücklich oder schlüssig erfolgen. Dass die hier Beteiligten eine ausdrückliche Rechtswahl vorgenommen hätten, steht nicht fest und ist auch nicht erkennbar.

3. Eine konkludente Rechtswahl ist insbesondere dann anzunehmen, wenn mehrere übereinstimmende Vertragsabreden, Parteiäußerungen oder sonstiges Verhalten der Parteien – allenfalls unter Zuhilfenahme von im redlichen Verkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuchen – auf ein und dieselbe Rechtsordnung hinweisen. Es kommt darauf an, dass der objektiv festgestellte Sachverhalt vermuten lässt, die Parteien hätten die Anwendbarkeit einer bestimmten Rechtsordnung vorausgesetzt, weil ihre Rechtsbeziehungen privatautonom so ausgestaltet wurden, dass nur der Bezug auf eine bestimmte Rechtsordnung eine sinnvolle Regelung ihrer Rechtsbeziehungen erwarten lässt (RS0009281).

4. Unmittelbare und wesentliche Indizien dafür können etwa die direkte Verweisung auf konkrete Vorschriften oder Usancen einer bestimmten Rechtsordnung sowie die Verwendung von dafür typischen Fachausdrücken und Klauseln sein (RS0076626 = 1 Ob 672/86; 8 ObA 34/14d). Der bloßen Lokalisierung einzelner Umstände des Schuldverhältnisses, wie dem vereinbarten Erfüllungsort, dem Abschlussort, dem Wohnsitz bzw Sitz der Parteien, kann (nur) indirekte Indizwirkung zukommen (RS0077082 [T1]; RS0045183).

5. Die Beklagte hat, etwa in Art 21 ihrer AGB, zwar (ganz pauschal) auf (gemeint wohl) deutsche Rechtsgrundlagen („Verordnung über die Allgemeinen Beförderungsbedingungen für den Straßenbahn- und Omnisbus-Verkehr sowie den Linienverkehr mit Kraftfahrzeugen vom “) verwiesen, ohne aber die damit gegebenenfalls gewünschte Rechtsordnung für einen rechtlichen Laien deutlich erkennbar auszuweisen. Durch ein solches Vorgehen wird jedenfalls keine schlüssige Rechtswahl mit der dafür erforderlichen Zweifelsfreiheit nachgewiesen. Die Vorinstanzen sind daher bei ihrer rechtlichen Beurteilung zutreffend von österreichischem Sachrecht ausgegangen.

B. Die Allgemeinen Beförderungsbedingungen für den Kraftfahrlinienverkehr

1. Nach österreichischem Sachrecht besteht die Verordnung des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie über die Allgemeinen Beförderungsbedingungen für den Kraftfahrlinienverkehr (Kfl-Bef Bed; BGBl II 2001/47). Diese Beförderungsbedingungen gelten nach § 1 Kfl-Bef Bed für alle der Personenbeförderung dienenden Fahrten im Kraftfahrlinienverkehr im Sinn des § 1 Abs 1 Kraftfahrliniengesetz (KflG). Die Vorinstanzen sind übereinstimmend von der Anwendbarkeit dieser Beförderungsbedingungen auf die Beklagte ausgegangen. Dies wird von der Beklagten – für den Fall der Anwendbarkeit österreichischen Sachrechts – in der Revisionsbeantwortung auch nicht bezweifelt.

2. Gemäß § 30 Kfl-Bef Bed kann jeder Fahrgast – abgesehen vom Handgepäck – auf Fahrten, an denen er selbst teilnimmt, gegen Entrichtung des festgelegten Entgelts Reisegepäck zur Beförderung aufgeben. Nach § 33 Kfl-Bef Bed übernimmt der Unternehmer für Verluste oder Beschädigungen, die auf mangelhafte Verpackung oder auf die besondere Beschaffenheit des Gutes zurückzuführen sind, keine Haftung. Gemäß § 34 Kfl-Bef Bed wird für die Aufgabe von Reisegepäck ein Gepäckschein ausgestellt und das Reisegepäck gegen dessen Rückgabe nach Beendigung der Fahrt ausgefolgt. Kann der Gepäckschein nicht vorgewiesen werden, wird das Gepäckstück nur ausgefolgt, wenn die Übernahmeberechtigung glaubhaft gemacht werden kann. Die Ausfolgung kann in diesem Fall auch von der Leistung einer angemessenen Sicherstellung abhängig gemacht werden. Nach § 46 Kfl-Bef Bed haftet das Unternehmen für ordnungsgemäß aufgegebenes Reisegepäck bei leicht fahrlässig verursachten Schäden je Gepäckstück ohne Rücksicht auf dessen Gewicht bis zum Höchstbetrag von 200 EUR. Ersetzt wird bis zu diesem Höchstbetrag für Verlust, Minderung oder Beschädigung der gemeine Wert oder, wenn dieser nicht feststellbar ist, der erlittene Schaden.

C. Die Vertragsgrundlagen zwischen der Konsumentin und der Beklagten

1. Die Parteien gehen im Revisionsverfahren übereinstimmend davon aus, dass die AGB der Beklagten Vertragsgrundlage geworden sind.

2. Nach 17.1.1 AGB umfasst der Fahrpreis die Mitnahme von Reisegepäck begrenzt auf zwei Gepäckstücke pro Fahrgast mit einer näher angegebenen maximalen Größe pro Gepäckstück. Zum Reisegepäck zählen namentlich Koffer und Taschen. Daraus folgt – entgegen der Ansicht der Beklagten –, dass die Mitnahme von Reisegepäck nicht unentgeltlich vorgenommen wird, sondern als eine (Teil-)Leistung der Beklagten im Fahrpreis mitenthalten ist.

3. Für die Frage, ob die Beklagte im Rahmen des Beförderungsvertrags auch eine Obhutspflicht für das Reisegepäck zu übernehmen hat und gegebenenfalls in welchem Umfang, kommt es insbesondere darauf an, welche Bereiche des Fahrzeugs den Passagieren für das Reisegepäck zur Verfügung gestellt werden und inwieweit diesen dort auch eine effektive Kontrolle ihres Reisegepäcks möglich und zumutbar ist (vgl 1 Ob 231/15z = ZVR 2016/114 [Huber]; 1 Ob 158/64 = SZ 37/151; 3 Ob 37/22 = SZ 4/13).

4. Für die Unterbringung des Reisegepäcks ist nicht der Fahrgastraum, sondern der nur von außen zugängliche Gepäckraum vorgesehen. Eine ständige Kontrolle dieses Gepäckraums, namentlich beim Ein-, Aus- und Zustieg von anderen Passagieren am Abreise- und Ankunftsterminal sowie an den dazwischen liegenden Aus- und Zustiegsstellen, ist dem einzelnen Passagier weder tatsächlich möglich noch zumutbar, sodass er insofern das Vertauschen oder den Diebstahl von Reisegepäck nicht durch eigene Aufsicht und Kontrolle effektiv unterbinden kann. Es ist daher davon auszugehen, dass insbesondere betreffend den Schutz des Reisegepäcks vor Verwechslung und Diebstahl die Beklagte eine Obhutspflicht trifft. Die zweckmäßige Art und Weise der Wahrnehmung dieser Obhutspflicht zeigt § 34 Kfl-Bef Bed auf, wonach für die Aufgabe von Reisegepäck ein Gepäckschein auszustellen und das Reisegepäck grundsätzlich nur gegen dessen Rückgabe nach Beendigung der Fahrt auszufolgen ist (vgl B.2.).

D. Haftungsbegrenzung

1. Nach 20.1 AGB soll die Beklagte – außer im Fall der Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit – nur haften, sofern wesentliche Vertragspflichten verletzt werden. Nach 20.4.2 AGB wird für Verlust von Gepäckstücken, der nicht im Zusammenhang mit einem aus der Nutzung des Fahrzeugs resultierenden Unfall steht, sowie für Vertausch oder Diebstahl der Gepäckstücke die Haftung, außer bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit ausgeschlossen.

2. Wer die Nichtigkeit einer Vertragsklausel wegen Sittenwidrigkeit behauptet, hat die tatsächlichen Umstände, aus denen im Einzelfall die Nichtigkeit abzuleiten ist, zu behaupten und im Bestreitungsfall zu beweisen. Die Einwendung erst in der Revision ist eine unzulässige Neuerung (RS0016441 [T2]). Der Kläger hat sich erstmals in der Revision nachvollziehbar auf eine Nichtigkeit der genannten Haftungsregelungen in den AGB der Beklagten gemäß § 879 Abs 3 ABGB berufen. Auf diese unzulässige Neuerung ist nicht einzugehen.

3. Der Kläger ist – zusammengefasst – der Ansicht, dass die Klauseln 20.1 und 20.4.2 AGB widersprüchlich und daher intransparent nach § 6 Abs 3 KSchG seien. In 20.1 AGB sei unklar, was konkret zu den dort genannten wesentlichen Vertragspflichten gehöre. Ebenso unklar sei das Verhältnis der beiden Klauseln zueinander. Auf die Frage einer allfälligen Intransparenz der Klauseln 20.1 und 20.4.2 AGB und damit auf die Wirksamkeit der dort vorgesehenen Haftungsbeschränkungen muss aber im vorliegenden Fall genauso wenig eingegangen werden, wie auf die Betragsbeschränkung nach § 46 Kfl-Bef Bed. Dem Busfahrer, dessen Verhalten der Beklagen nach § 1313a ABGB zuzurechnen ist, ist nämlich im gegebenen Fall ein grob fahrlässiges Verhalten anzulasten:

E. Verhalten des Busfahrers

1. Grobe Fahrlässigkeit ist ein Verhalten, bei dem die erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße verletzt wurde und bei dem dasjenige unbeachtet geblieben ist, was im konkreten Fall ohne besondere Aufmerksamkeit und ohne besonders gründliche Überlegung jedem einleuchtet (RS0022430). Auch ein einmaliger Verstoß gegen Schutzvorschriften kann eine grobe Fahrlässigkeit begründen, wenn ein Schadenseintritt nach den gegebenen Umständen des Einzelfalls als wahrscheinlich voraussehbar ist (RS0030622 [T1]). Diese Voraussetzungen liegen im Anlassfall vor:

2. Der Busfahrer der Beklagten hat nicht den Verhaltenspflichten nach § 34 Kfl-Bef Bed entsprochen, wonach für die Aufgabe von Reisegepäck ein Gepäckschein auszustellen und das Reisegepäck grundsätzlich nur gegen dessen Rückgabe nach Beendigung der Fahrt auszufolgen ist. Diese Regelung dient evident dem Schutz der Passagiere vor Verwechslung und Diebstahl des Reisegepäcks und ist praktisch einfach zu handhaben.

3. Die Beklagte hat bei Cross-Border-Linien selbstklebende Gepäckbänder in Verwendung, welche nummeriert sind, und die Fahrer geben das Gepäck nur an denjenigen Fahrgast heraus, der den entsprechenden Abschnitt vorweisen kann. Der im hier zu prüfenden Fall tätig gewesene Busfahrer hat demnach auch die eigene Abwicklungspraxis, die ebenfalls offenkundig und leicht handhabbar vor Verwechslung und Diebstahl des Reisegepäcks schützen kann, missachtet. Er übergab die jeweiligen Gepäckstücke nicht direkt an die Reisenden, sondern diese nahmen die Gepäckstücke selbständig an sich, was jede Möglichkeit eröffnete, dass Passagiere Gepäckstücke verwechseln.

4. Die Konsumentin stellte vor dem Einstieg zur Abfahrt ihren Koffer neben den Bus und der Busfahrer räumte diesen in das Gepäckfach. Dabei musste für den Busfahrer erkennbar sein, dass die Konsumentin selbst den Koffer nicht gekennzeichnet und auch nicht die von der Beklagten im Zuge des Online-Buchungsprozesses zum Ausdrucken zur Verfügung gestellten Gepäckanhänger verwendet hatte. Dies war für den Busfahrer dennoch kein Anlass, die Konsumentin zur Kennzeichnung ihres Koffers zu verhalten oder die Gepäckbänder der Beklagten zu verwenden.

5. Diese mehrfachen Fehlleistungen des Busfahrers begründen im vorliegenden Einzelfall dessen grobes Verschulden, hat dieser doch damit nicht nur gegen die ausdrückliche Anordnung des § 34 Kfl-Bef Bed verstoßen, sondern auch jede sonstige naheliegende Möglichkeit außer Acht gelassen, um einer Verwechslung betreffend den nicht gekennzeichneten Koffer der Konsumentin auszuschließen. Noch schwerer wiegende weitere Fehlleistungen sind unter den seinerzeit gegebenen Umständen praktisch kaum denkbar.

6.1. Die Beklagte hält dem entgegen, es sei ihr Geschäftsmodell, möglichst günstige Busfahrten anzubieten, was eine Ausgabe von Gepäckscheinen unmöglich mache und die Sorgfaltspflichten eines Buschauffeurs überspannen würde. Überdies komme es im Vergleich zur Anzahl der transportierten Personen in einem nur verschwindend geringen Prozentsatz zu Gepäckreklamationen.

6.2. Dem ist zunächst zu entgegen, dass zur Haftungsvermeidung die Beklagte ihr Geschäftsmodell an die Rechtslage anzupassen hat und nicht umgekehrt. Die Einhaltung der oben beschriebenen Sorgfaltsmaßnahmen durch den Buschauffeur erfordern zwar eine gewisse zusätzliche Zeit, sind aber einfach, nahe liegend und überfordern den Busfahrer daher nicht. An dessen grob fahrlässigen Verhalten ist daher nicht zweifeln.

F. Verhalten der Konsumentin

1. Das Mitverschulden des Geschädigten an der Herbeiführung seines eigenen Schadens im Sinn des § 1304 ABGB setzt nicht die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens voraus, sondern nur die Sorglosigkeit gegenüber den eigenen Gütern (RS0032045).

2. Bei der Verschuldensabwägung entscheidet für das Gewicht des Verschuldens vor allem die Größe und Wahrscheinlichkeit der durch das schuldhafte Verhalten bewirkten Gefahr. Liegt beiderseitiges Verschulden vor, so bestimmt sich die Verschuldensteilung nach dem Gewicht des Verschuldens, gegebenenfalls der Größe und Wahrscheinlichkeit der durch das Verschulden jeweils bewirkten Gefahr sowie der Bedeutung der verletzten Vorschriften (RS0026861 [insb T 11]).

3. Die Konsumentin erhielt im Zuge der OnlineBuchung den Hinweis: „Namenskennzeichnung am Gepäck“. In 17.1.3. AGB weist die Beklagte ausdrücklich darauf hin, dass der Fahrgast sein Reisegepäck für eine korrekte Zuordnung und Rückgabe, insbesondere zur Vermeidung von Verwechslung, mit Name und Anschrift zu kennzeichnen hat. Es handelt sich dabei um eine geradezu auf der Hand liegende und im Reiseverkehr tagtäglich geübte Praxis, um Reisegepäck vor Verwechslung zu schützen und erforderlichenfalls dessen Rückerlangung zu erleichtern. Die Beklagte stellt dazu im Rahmen der Online-Buchung Gepäckanhänger zum Ausdrucken zur Verfügung und eine solche Kennzeichnung ist auch durch eigene Kofferanhänger unschwer möglich.

4. Die Konsumentin hat diese einfache Verhaltensregel ignoriert und sich auch vor Ort beim Busfahrer nicht um ein Gepäckband bemüht. Dieses Verhalten begründet ein beachtliches und schwerwiegendes Mitverschulden der Konsumentin, hat diese doch damit zur Gefahr einer Verwechslung ihres Koffers entscheidend beigetragen. Dieses Mitverschulden ist mit einer bereits vom Erstgericht zutreffend vorgenommenen Gewichtung von einem Drittel zu berücksichtigen.

G. Ergebnis

1. Der Busfahrer der Beklagten hat gegen die einschlägige Anordnung des § 34 Kfl-Bef Bed verstoßen und auch alle sonstigen naheliegenden Möglichkeiten außer Acht gelassen, um eine Verwechslung des Koffers der Konsumentin auszuschließen, obwohl erkennbar war, das ihn diese selbst nicht gekennzeichnet hatte. Dies begründet grobe Fahrlässigkeit, sodass es auf die Frage der Wirksamkeit von Haftungsausschlüssen und -begrenzungen für den Fall leichter Fahrlässigkeit nicht ankommt.

2. Die Konsumentin hat ihrerseits die einfache und weithin übliche Sorgfaltsmaßnahme der Kennzeichnung ihres Koffers trotz Aufforderung der Beklagten im Zuge des Online-Buchungsvorgangs und in deren AGB nicht wahrgenommen, was deren Mitverschulden begründet. Es erscheint eine Verschuldensteilung von 1:2 zu Lasten der die Abwicklung des Beförderungsvorgangs dominierenden Beklagten angemessen.

3. Das Berufungsgericht hat infolge abweichender Rechtsansicht die in der Berufung zur Schadenshöhe erhobene Tatsachen- und Verfahrensrüge nicht erledigt. Dem Berufungsgericht war daher die neuerliche Entscheidung aufzutragen. Nach der allein noch zu klärenden Schadenshöhe wird die Beklagte für 2/3 des Schadens der Konsumentin zu haften haben.

4. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2020:0070OB00184.19P.0424.000

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