OGH vom 14.06.1988, 2Ob502/88
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Melber und Dr. Kropfitsch als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Wilhelm P***, Pensionist, Heiliger Weg 17, D-4600 Dortmund 1, BRD, vertreten durch Dr. Dietrich Clementschitsch und Dr. Wolfgang Flucher, Rechtsanwälte in Villach, wider die beklagte Partei R*** ST. A*** IM L***
reg.Gen.m.b.H., 9433 St. Andrä im Lavanttal, vertreten durch Dr. Heinz Sacher, Rechtsanwalt in Wolfsberg, wegen Einwilligung in die Ausfolgung eines Gerichtserlages von S 832.375,--, infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt als Rekursgerichtes vom , GZ 3 R 456/87-13, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Wolfsberg vom , GZ 3 C 1180/87w-6, abgeändert wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 16.698,-- bestimmten Kosten des Verfahrens über den Revisionsrekurs (darin Umsatzsteuer von S 1.518,--, keine Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Begründung:
Der Kläger stellte im vorliegenden Rechtsstreit das Begehren, die Beklagte schuldig zu erkennen, in die Ausfolgung des zu 1 Nc 24/87 des Bezirksgerichtes Feldkirchen erliegenden Gerichtserlages von S 832.375,-- an ihn einzuwilligen. Nach dem Inhalt des im Akt erliegenden Protokolles über die erste Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom (ON 2) trug in dieser Tagsatzung zunächst die klagende Partei die Klage vor und stellte die darin ersichtlichen Sach- und Beweisanträge (Abs 1). Die beklagte Partei bestritt das Klagevorbringen und beantragte kostenpflichtige Klagsabweisung (Abs 2). Sodann wendete die Beklagte die sachliche Unzuständigkeit des Bezirksgerichtes Wolfsberg ein, weil der für die Zuständigkeit maßgebliche Streitwert S 832.375,-- betrage; sie stellte daher den Antrag, die Klage zurückzuweisen. Schließlich bemängelte die Beklagte die Bewertung des Streitgegenstandes durch den Kläger; dann trug sie im einzelnen substantiierte Sacheinwendungen gegen den Klagsanspruch vor. Das Erstgericht schränkte das Verfahren auf die Frage der Zuständigkeit ein. Abschriften des unter Verwendung eines Schallträgers hergestellten Protokolles über diese Tagsatzung wurden den Parteienvertretern am zugestellt. Mit Beschluß vom (ON 3) erklärte sich das Bezirksgericht Wolfsberg zur Verhandlung und Entscheidung in dieser Rechtssache sachlich unzuständig und wies die Klage zurück. Es begründete diese Entscheidung im wesentlichen damit, daß bei Ansprüchen auf Ausfolgung eines gerichtlichen Erlages dessen Höhe für den Streitwert maßgebend sei. Da im vorliegenden Fall die Zustimmung zur Ausfolgung eines gerichtlichen Erlages von S 832.375,-- verlangt werde, sei für die Entscheidung dieser Rechtssache nicht das Bezirksgericht, sondern der Gerichtshof erster Instanz zuständig.
Diese Entscheidung des Erstgerichtes wurde vom Kläger mit Rekurs bekämpft (ON 4).
Am langte ein Ersuchen der Beklagten um Berichtigung des Protokolles über die Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom beim Erstgericht ein, in dem im wesentlichen geltend gemacht wurde, daß die Beklagte in dieser Tagsatzung zunächst die Einrede der Unzuständigkeit des Bezirksgerichtes Wolfsberg erhoben, dann den vom Kläger angegebenen Streitwert bemängelt und dann erst das Klagebegehren bestritten und Klagsabweisung beantragt habe (ON 5).
Mit Beschluß vom (ON 6) berichtigte das Erstgericht das Protokoll über die Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom dahin, daß der zweite Absatz mit dem Text "Die beklagte Partei bestreitet das Klagevorbringen und beantragt kostenpflichtige Klagsabweisung" zu entfallen habe. Es begründete diese Entscheidung im wesentlichen damit, daß die genaue Art des Vorbringens der Beklagten dem Verhandlungsrichter nicht mehr erinnerlich sei. Aus der Textierung des Vorbringens der Beklagten im Protokoll ergebe sich aber, daß von der Beklagten zuerst die Unzuständigkeitseinrede erhoben, dann der Streitwert bemängelt und erst letztlich ein Sachvorbringen erstattet worden sei. Es handle sich bei der aus dem Protokoll zu streichenden Textstelle um eine offenbare Unrichtigkeit, die über Ersuchen der Beklagten vom Gericht zu berichtigen sei. Die Aufnahme dieser Textstelle in das Protokoll sei offenbar irrtümlich erfolgt.
Auch diese Entscheidung des Erstgerichtes wurde vom Kläger mit Rekurs bekämpft (ON 10).
Mit Beschluß vom (ON 13) gab das Rekursgericht dem Rekurs des Klägers gegen den Beschluß des Erstgerichtes ON 6 Folge und änderte diese Entscheidung dahin ab, daß es den Antrag der Beklagten auf Berichtigung des Protokolls über die Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom zurückwies. Das Rekursgericht führte im wesentlichen aus, der Rekurs des Klägers sei im Sinne der §§ 214 Abs 1, 515 ZPO zulässig, weil ein aufgeschobener Rekurs selbständig überreicht werden könne, wenn infolge Abschlusses der Hauptsache eine weitere anfechtbare Entscheidung nicht ergehen könne. Er sei aber auch sachlich berechtigt. Die Möglichkeit und Zulässigkeit einer Protokollberichtigung sei nicht nach den gesetzlichen Bestimmungen über die Berichtigung von Entscheidungen (§§ 419, 430 ZPO), sondern nur nach den Vorschriften der §§ 207 ff ZPO zu beurteilen. Der vorliegende Antrag der Beklagten auf "Protokollberichtigung" sei als Widerspruch gegen die Übertragung des Tonbandprotokolles im Sinne des § 212 Abs 5 ZPO aufzufassen. Unterstelle man die von der Beklagten angestrebte Protokollberichtigung den Regeln der §§ 207 ff ZPO, insbesondere des § 212 Abs 5 ZPO, dann ergebe sich, daß die Beklagte die ihr von der Prozeßordnung eingeräumte Einflußnahme auf die Protokollierung versäumt habe. Für sie bestünde daher auch nicht die Möglichkeit, ihrer Säumnis durch die Anregung eines amtswegigen Einschreitens zu begegnen. Weil der am eingebrachte als Widerspruch zu wertende Antrag der Beklagten auf Protokollberichtigung verspätet sei, habe das Erstgericht zu Unrecht eine Berichtigung des Verhandlungsprotokolles vorgenommen.
Gleichfalls mit Beschluß vom (ON 14) gab das Rekursgericht dem Rekurs des Klägers gegen den Beschluß des Erstgerichtes vom (ON 3) Folge; es änderte diese Entscheidung im Sinne der Verwerfung der Einrede der sachlichen Unzuständigkeit ab. Dazu führte das Rekursgericht im wesentlichen aus, daß im vorliegenden Fall der Streitwert S 832.375,-- betrage und es auf eine abweichende Bewertung durch den Kläger nicht ankomme. Nach dem Inhalt des gemäß § 215 ZPO vollen Beweis machenden Protokolles über die Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom habe die Beklagte zunächst das Klagevorbringen bestritten und die Abweisung der Klage beantragt und sich damit in die Verhandlung in der Hauptsache eingelassen. Erst dann habe sie die Einrede der (prorogablen) Unzuständigkeit erhoben. Im Sinne der Vorschrift des § 441 ZPO könne daher die von der Beklagten eingewendete sachliche Unzuständigkeit des Erstgerichtes nicht mehr wahrgenommen werden.
Gegen den Beschluß des Rekursgerichtes ON 13 richtet sich der vorliegende Revisionsrekurs der Beklagten mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß im Sinne der Wiederherstellung der Entscheidung des Erstgerichtes abzuändern.
Auch der Beschluß des Rekursgerichtes ON 14 wurde von der Beklagten mit Revisionsrekurs bekämpft; dieses Rechtsmittel wurde bisher dem Obersten Gerichtshof nicht vorgelegt.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs der Beklagten gegen den Beschluß des Rekursgerichtes On 13 ist zulässig und auch sachlich berechtigt. Das Rekursgericht hat trotz der Vorschrift des § 214 Abs 1 ZPO die abgesonderte Anfechtbarkeit des Beschlusses des Erstgerichtes ON 6 zutreffend bejaht, weil für eine erst nach Erledigung der Hauptsache (hier durch Zurückweisung der Klage) angeordnete Protokollberichtigung ein abgesondertes Rechtsmittel zulässig ist (Fasching, Kommentar II 999; JBl 1956, 53; 7 Ob 509/86; 14 Ob 77, 78/86).
Die Beschwer der Beklagten durch die angefochtene Entscheidung des Rekursgerichtes als Zulässigkeitsvoraussetzung ihres Revisionsrekurses ist zu bejahen, weil über die von ihr eingewendete sachliche Unzuständigkeit noch nicht rechtskräftig abgesprochen ist und die hier umstrittene Protokollberichtigung für diesen Abspruch von entscheidender Bedeutung ist.
Aussprüche des Rekursgerichtes darüber, ob der Wert des Beschwerdegegenstandes S 15.000,-- bzw. S 300.000,-- übersteigt oder ob es die Voraussetzungen des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO als gegeben erachtet (§ 526 Abs 3 ZPO in Verbindung mit § 500 ZPO bzw. § 527 Abs 1 zweiter Satz ZPO), hatten nicht zu erfolgen. Das Rekursgericht hat zutreffend darauf verwiesen, daß nach Lehre und Rechtsprechung bei Klagen auf Zustimmung zur Ausfolgung eines gerichtlichen Erlages dieser Erlagsbetrag den Streitwert bestimmt und hier eine Bewertung des Streitgegenstandep durch den Kläger oder das Gericht nicht stattzufinden hat (Fasching, Kommentar I 353; SZ 15/102; GesRZ 1978, 82 uva). Der im vorliegenden Fall maßgebliche Streitwert beträgt daher S 832.375,--. Da die Entscheidung des Rekursgerichtes über die Berichtigung des Protokolls über die Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom für den Abspruch über diesen gesamten Streitgegenstand (durch Zurückweisung der Klage oder durch Verwerfung der von der Beklagten erhobenen Unzuständigkeitseinrede) präjudiziell ist und somit der im § 527 Abs 1 ZPO genannte Beschwerdegegenstand hier mit diesem gesamten Streitgegenstand ident ist, bedarf es der oben erwähnten Aussprüche des Rekursgerichtes nicht; seine Entscheidung ist vielmehr ohne jede Einschränkung der Rechtsmittelgründe anfechtbar. In der Sache selbst erweist sich der Revisionsrekurs der Beklagten als berechtigt.
Nach der gemäß § 212 a Abs 2 ZPO auch bei der Abfassung des Verhandlungsprotokolles mit Hilfe eines Schallträgers vorgeschriebenen sinngemäßen Anwendung der Vorschrift des § 212 Abs 5 letzter Satz ZPO können offenbare Unrichtigkeiten der Aufnahme oder der Übertragung auch nachträglich (also nach Ablauf der in dieser Gesetzesstelle normierten Widerspruchsfrist) jederzeit vom Gericht (von Amts wegen) berichtigt werden.
Entscheidend für die Zulässigkeit der vom Erstgericht vorgenommenen Protokollberichtigung ist daher nicht, ob das Ersuchen der Beklagten um Protokollberichtigung (ON 5) innerhalb der im § 212 Abs 5 ZPO normierten Widerspruchsfrist gestellt wurde, sondern ob damit eine offenbare Unrichtigkeit behoben wurde. Eine solche wäre jedenfalls gegeben, wenn die Beklagte tatsächlich vor Einlassung in die Hauptsache (§ 441 ZPO) die Einrede der sachlichen Unzuständigkeit des Erstgerichtes erhoben hätte, aus dem Protokoll aber das Gegenteil hervorginge. Der Erstrichter hat trotz mangelnder eigener Erinnerung an den tatsächlichen Verhandlungsablauf aus der Textierung des Verhandlungsprotokolles den Schluß gezogen, daß die Beklagte zuerst die Einrede der sachlichen Unzuständigkeit erhoben und sich dann erst durch die Bestreitung des Klagevorbringens in die Hauptsache eingelassen hat; dem entsprechend hat er die gegenteilige Darstellung im Verhandlungsprotokoll als offenbare Unrichtigkeit qualifiziert und sie mit seinem Beschluß berichtigt. Der Kläger hat seinen Rekurs gegen diese Entscheidung des Erstgerichtes nur darauf gestützt, daß seiner Meinung nach die vom Erstgericht vorgenommene Protokollberichtigung aus verschiedenen formellen Gründen nicht zulässig sei. Dies trifft nicht zu. Daß aber die ausschließlich den Tatsachenbereich zuzuordnende Annahme des Erstgerichtes, daß die Beklagte zuerst die Einrede der sachlichen Unzuständigkeit erhoben und sich erst dann durch Bestreitung des Klagevorbringens in die Verhandlung in der Hauptsache eingelassen hat, unzutreffend sei, hat der Kläger in seinem Rekurs gegen den Beschluß des Erstgerichtes über die vorgenommene Protokollberichtigung nicht einmal behauptet. Unter diesen Umständen bestand aber für das Rekursgericht keinerlei Anlaß, die vom Erstgericht vorgenommene Protokollberichtigung als unzulässig anzusehen und den diesbezüglichen Beschluß des Erstgerichtes zu beseitigen. Es war daher in Stattgebung des Revisionsrekurses der Beklagten die Entscheidung des Erstgerichtes wiederherzustellen. Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens über den Revisionsrekurs beruht auf den §§ 41, 50, 52 Abs 1 ZPO. Der Zwischenstreit über die Berechtigung der vom Erstgericht vorgenommenen Protokollberichtigung ist vom Ausgang des Prozesses in der Hauptsache unabhängig; er wurde durch die getroffene Entscheidung abschließend erledigt.