OGH vom 29.11.2017, 7Ob184/17k
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und durch die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Höllwerth, Dr. E. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der gefährdeten Partei minderjährige S***** B*****, geboren am ***** 2001, vertreten durch die Mutter Z***** B*****, gegen den Gegner der gefährdeten Partei F***** B*****, vertreten durch Dr. Herbert Rabitsch, Rechtsanwalt in Wien, wegen Erlassung einer einstweiligen Verfügung gemäß § 382e EO (hier: Befangenheit), über den Revisionsrekurs des Gegners der gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom , GZ 15 R 109/17k20, womit der Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt vom , GZ 16 Nc 3/17i7, teilweise abgeändert wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Das Erstgericht wies den Ablehnungsantrag des Gegners der gefährdeten Partei vom (1 Nc 7/17p) gegen die in seiner Rechtssache (Verfahren über die Erlassung einer einstweiligen Verfügung nach § 382e EO) tätig gewordene Richterin und den als Entscheidungsorgan erster Instanz im Ablehnungsverfahren zuständigen Vorsteher des Bezirksgerichts zurück. Die vom Gegner der gefährdeten Partei geltend gemachten Ablehnungsgründe lägen nicht vor.
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung im Umfang der Zurückweisung des Ablehnungsantrags gegen die Richterin. Hinsichtlich des Vorstehers des Bezirksgerichts änderte das Rekursgericht die Entscheidung des Erstgerichts dahingehend ab, dass dieser zur Entscheidung über die Befangenheit der Richterin im Verfahren über die Erlassung der einstweiligen Verfügung befangen sei. Die vom Gegner der gefährdeten Partei hinsichtlich der Richterin geltend gemachten Ablehnungsgründe lägen nicht vor. Aufgrund der in den Stellungnahmen bekanntgegebenen besonderen Nahebeziehung zwischen dem Vorsteher des Bezirksgerichts und der Richterin sei zwar subjektiv keine Befangenheit beim Gerichtsvorsteher gegeben, diese Nahebeziehung sei aber objektiv durchaus geeignet, den Anschein einer gewissen Voreingenommenheit bei einer Entscheidung über einen gegen die Richterin gerichteten Ablehnungsantrag zu erwecken. Jedenfalls aber könne ein solcher Anschein nicht von vornherein ausgeschlossen werden.
Das Rekursgericht sprach aus, dass der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig sei.
Der Revisionsrekurs des Gegners der gefährdeten Partei richtet sich gegen die Bestätigung der Zurückweisung seines Ablehnungsantrags gegen die Richterin und, soweit das Rekursgericht seiner Befangenheitsanzeige gegen den Vorsteher des Bezirksgerichts stattgegeben hat, gegen das Fehlen des Ausspruchs, dass das Verfahren 1 Nc 7/17p des Bezirksgerichts Mödling nichtig sei.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist nicht zulässig.
1. § 24 Abs 2 JN bestimmt, dass gegen die Zurückweisung eines Ablehnungsantrags der Rekurs an das zunächst übergeordnete Gericht stattfindet. Diese Bestimmung wird in ständiger Rechtsprechung dahin ausgelegt, dass ein weiteres Rechtsmittel gegen die bestätigende Entscheidung des Rekursgerichts jedenfalls unzulässig ist (vgl RISJustiz RS0098751; RS0122963). Ein weiteres Rechtsmittel des Gegners der gefährdeten Partei gegen die Bestätigung der Zurückweisung des Ablehnungsantrags hinsichtlich der Richterin, erweist sich damit als absolut unzulässig, weil § 24 Abs 2 JN eine abschließende Sonderregelung der Anfechtbarkeit von Entscheidungen über die Ablehnung von Richtern darstellt und die allgemeinen Regelungen über die Anfechtbarkeit von Beschlüssen verdrängt (RISJustiz RS0046010).
2.1 Der Revisionsrekurs des Ablehnungswerbers wendet sich weiters gegen den abändernden Teil der zweitinstanzlichen Entscheidung insofern, als die Nichtigerklärung des Verfahrens 1 Nc 7/17p in seiner Gesamtheit unterblieb.
Gegen die Stattgebung der Ablehnung findet zwar kein Rechtsmittel statt (§ 24 Abs 2 JN). Wird aber einer Befangenheitsanzeige des Richters stattgegeben und erfasst der Befangenheitsgrund auch die von ihm vorgenommenen Prozesshandlungen, unterbleibt aber die notwendige Aufhebung nichtiger Prozesshandlungen iSd § 25 zweiter Satz JN, dann kann auch die Partei, die den Richter nicht abgelehnt hat, das Unterbleiben der Nichtigerklärung mit Rekurs bekämpfen (RISJustiz RS0046014: vgl auch RS0107874). Das heißt, der Oberste Gerichtshof kann ausnahmsweise im Weg des Revisionsrekurses angerufen werden, wenn das Rekursgericht einer Befangenheitsanzeige stattgibt, jedoch keinen Ausspruch über die Aufhebung der vom Richter gesetzten nichtigen Handlungen aufgenommen hat (7 Ob 169/08s).
Ein solcher Ausnahmefall liegt nicht vor:
2.2 Ob ein abgelehnter Richter befangen ist, ist stets nur in Bezug auf die Rechtssache zu prüfen, in welcher er wegen Befangenheit abgelehnt worden ist (RISJustiz RS0045966).
Dies ist hier das Verfahren 1 Nc 7/17p des Bezirksgerichts Mödling, in dem der Rekurswerber mit Antrag vom die Richterin und den Vorsteher des Bezirksgerichts – diesen als Entscheidungsorgan über den die Richterin betreffenden Ablehnungsantrag – ablehnte. Dieser Ablehnungsantrag wurde samt den Äußerungen der Richterin und des Vorstehers des Bezirksgerichts dem Landesgericht Wiener Neustadt vorgelegt und dort zu 16 Nc 3/17i fortgeführt. Mit Beschluss vom entschied sodann das Landesgericht Wiener Neustadt über die vorliegenden Ablehnungsanträge und mit Beschluss vom das Oberlandesgericht Wien über den dagegen erhobenen Rekurs des Gegners der gefährdeten Partei.
Gemäß § 25 zweiter Satz JN sind, sofern der Ablehnung stattgegeben wird, die vom abgelehnten Richter vorgenommenen Prozesshandlungen nichtig und „soweit erforderlich“, aufzuheben. Der als befangen angesehene Vorsteher des Bezirksgerichts setzte in diesem Verfahren aber gar keine Prozesshandlung, deren Aufhebung erforderlich ist.
2.3 Soweit der Rekurswerber sich auf das rechtskräftig abgeschlossene – die Richterin betreffende – Ablehnungsverfahren 1 Nc 19/15z des Bezirksgerichts Mödling bezieht, ist ihm entgegenzuhalten, dass nach Rechtskraft der Sachentscheidung eine Ablehnung ausgeschlossen ist (RISJustiz RS0046032; vgl auch RS0041933 [T22, T 25, T 33]), sodass auch keine Beschlüsse, die in früheren, rechtskräftig erledigten Ablehnungsverfahren ergangen sind, für nichtig erklärt werden können.
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2017:0070OB00184.17K.1129.000 |
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Fundstelle(n):
EAAAD-44516