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OGH vom 11.12.2013, 7Ob184/13d

OGH vom 11.12.2013, 7Ob184/13d

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Dr. Huber als Vorsitzende und durch die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hoch, Dr. Kalivoda, Mag. Dr. Wurdinger und Mag. Malesich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Franz Kellner, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei H***** AG, *****, vertreten durch Sunder-Plaßmann Loibner Partner Rechtsanwälte OG in Wien, wegen 190.475,79 USD sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Zwischenurteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 5 R 43/13z 28, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die Klägerin handelt mit Mineralien, Erzen und Metallen und ist bei der Beklagten mit einer Höchst-Versicherungssumme von 500.000 EUR transportversichert. Der Versicherungsschutz umfasst auch die Versendung von Erzen und Metallen durch die Klägerin von Afrika nach China. Dem Versicherungsvertrag liegen die AÖTB 2001 zugrunde, dessen Art 11 Abs 1 Folgendes festlegt:

„ Als Versicherungswert der Güter gilt der Handelswert und in dessen Ermangelung der gemeine Wert, den die Güter am Ort der Absendung bei Beginn der Versicherung haben, unter Hinzurechnung der Versicherungskosten sowie derjenigen Kosten, die bis zur Annahme der Güter durch den Frachtführer entstehen . Dieser Wert gilt auch bei Eintritt des Versicherungsfalls als Versicherungswert “.

Im Mai 2010 kaufte die Klägerin in der Republik Kongo um 80.971,73 USD rund 89 Tonnen Erz, das sie in Sambia bemustern und von dort (Ndola) zunächst (per LKW) nach Südafrika und dann (per Schiff) nach Hongkong transportieren ließ, nachdem sie es um 190.475,79 USD an eine chinesische Käuferin verkauft hatte. Die Faktura wurde noch vor dem Transport ausgestellt. Die Ladung wurde jedoch unterwegs gestohlen und gegen minderwertiges weniger Cobalt enthaltendes Erz ausgetauscht.

Daraufhin begehrte die Klägerin 190.475,79 USD von der Beklagten mit der Behauptung, dass diese den Wiederverkaufspreis am Ort der Ablieferung zu ersetzen habe.

Die Beklagte wendete zur Höhe des Begehrens ein, dass der Versicherungswert nach § 11 Abs 1 AÖTB der an die Lieferantin bezahlte Kaufpreis von 80.971,73 USD sei. Auf den Wert der Ware am Ende der Reise komme es nicht an.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt und verpflichtete die Beklagte, der Klägerin den Euro-Gegenwert von 190.475,79 USD zum Briefkurs der Wiener Börse am Zahlungstag samt 8,38 % Zinsen ab zu bezahlen. Der Handelswert bestehe im Wiederverkaufspreis (am Ort der Ablieferung in Hongkong) in Höhe von 190.475,79 USD (nach der noch vor dem Transport ausgestellten Faktura). Die Beklagte lege zu Unrecht den von der Klägerin an die Lieferantin bezahlten Kaufpreis von 80.971,73 USD zugrunde.

Das Berufungsgericht „bestätigte“ das Ersturteil als Zwischenurteil über den Grund des Anspruchs. Da der Verkaufspreis nicht ohne weiteres der Schadensberechnung zugrunde gelegt werden könne, habe nach Erörterung und allfälliger Verfahrensergänzung das Erstgericht den allein maßgeblichen Handelswert am Ort der Absendung (Sambia, Afrika) zu ermitteln und begründet festzustellen. Die ordentliche Revision sei nicht zulässig, weil die Rechtsfragen anhand der herrschenden Rechtsprechung gelöst worden seien.

In ihrer außerordentlichen Revision beantragte die Klägerin, das Ersturteil wieder herzustellen.

Nach Einbringung der außerordentlichen Revision () schränkte die Klägerin das Klagebegehren auf Zahlung des Euro-Gegenwerts von 81.089,38 USD (zum Briefkurs der Wiener Börse am Zahlungstag samt 8,38 % Zinsen ab ) ein, weil die Beklagte 103.609 EUR überwiesen habe (ON 30 vom mit näherer Aufschlüsselung). Die Beklagte bezahlte (soweit ersichtlich) den Einkaufspreis der Klägerin von 80.971,73 USD sowie Beförderungskosten und Zinsen (28.414,68 + 28.161,77 USD).

Die Zulassungsbeschwerde der Revision beruft sich darauf, dass zur Frage, wie der Versicherungswert nach Art 11 Abs 1 zu ermitteln sei, höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle. Das Rechtsmittel wendet sich gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Auslegung dieser Klausel sei anhand der vergleichbaren Normen des § 430 UGB und des Art 23 Abs 1 CMR vorzunehmen, wobei sich nach der Entscheidung 6 Ob 309/03i ergebe, dass der vereinbarte Kaufpreis nicht generell mit dem Marktwert oder dem gemeinen Wert am Ort und zur Zeit der Beförderung gleichgesetzt werden könne, sondern der Fakturenwert lediglich Indiz für den bei der Schadensberechnung heranzuziehenden Marktwert oder gemeinen Wert sei. Dem gegenüber vertritt die Klägerin weiterhin den Standpunkt, nach Art 11 Abs 1 AÖTB sei der Wert der Güter am Ort der Absendung und am Beginn der Versicherung nur dann relevant, wenn der Versicherungswert mangels eines Handelswerts der gemeine Wert sei. Bestehe jedoch ein Handelswert der Güter, so gelte dieser als Versicherungswert, wobei es auf den Ort der Absendung und den Beginn der Versicherung nicht ankomme. Daher gelte wie vom Erstgericht erkannt der in der Rechnung der Klägerin als Verkäufer ausgewiesene Kaufpreis als Handelswert und als Versicherungswert.

Rechtliche Beurteilung

Damit zeigt die außerordentliche Revision keine erheblichen Rechtsfragen auf:

Der Oberste Gerichtshof vertritt zwar in ständiger Rechtsprechung die Rechtsansicht, bei einem Zwischenurteil über den Grund des Anspruchs könne eine Partei nicht nur durch den Urteilsspruch, sondern auch durch die Urteilsgründe beschwert sein (2 Ob 91/10m mwN; RIS Justiz RS0040958; E. Kodek in Rechberger , ZPO³ Vor § 461 Rz 10).

Dieser Rechtsprechung liegt die Erwägung zugrunde, dass der Spruch des Zwischenurteils erst durch die Begründung seine einschränkende Konkretisierung erfahren könne; da das Zwischenurteil über den Grund des Anspruchs innerhalb des Rechtsstreits insoweit Bindungswirkung entfalte, als die Frage des Anspruchsgrundes nicht neuerlich aufgerollt werden dürfe (RIS Justiz RS0040736, RS0040864), komme auch der Einschränkung des geltend gemachten Anspruchs für das fortgesetzte Verfahren über die Anspruchshöhe bindende Wirkung zu. Für dieses könne es daher von Bedeutung sein, ob etwa nur einer von mehreren geltend gemachten Rechtsgründen dem Grunde nach bejaht worden sei (2 Ob 91/10m).

Ein solcher Fall der einschränkenden Konkretisierung des Urteilsspruchs durch die Gründe liegt hier aber nicht vor.

Als weitere Ausnahme von dem allgemeinen Grundsatz, dass sich eine Partei nur durch den Spruch einer Entscheidung, nicht aber auch durch die Gründe beschwert erachten kann, steht einer Partei der Rekurs gegen einen Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts nicht nur dann zu, wenn sie die Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung bekämpft, sondern auch dann, wenn lediglich eine ihr nachteilige, dem Erstgericht überbundene Rechtsansicht (§ 499 Abs 2 ZPO) angefochten wird (RIS Justiz RS0007094; E. Kodek aaO § 519 Rz 23).

Hier hat das Berufungsgericht aber keinen Aufhebungsbeschluss gefasst und konnte dem Erstgericht auch keine Rechtsansicht überbinden, weil die Ausführungen zur Anspruchshöhe in einem solchen Zwischenurteil des Berufungsgerichts mit dem nach ständiger Rechtsprechung ein Aufhebungsbeschluss gar nicht verknüpft werden kann (4 Ob 89/10g; RIS Justiz RS0118745, RS0119825) im fortgesetzten Verfahren nicht bindend sind (2 Ob 91/10m mwN; 2 Ob 20/11x).

Eine Entscheidung, die auch nur zum Teil über die Höhe des Anspruchs der Klägerin absprechen würde, oder mit der dem Erstgericht für das Verfahren zur Höhe des Anspruchs eine Rechtsansicht überbunden worden wäre, liegt dem Obersten Gerichtshof somit derzeit nicht zur Beurteilung vor.

Dennoch befasst sich die Rechtsmittelwerberin im Revisionsverfahren allein mit der Höhe der an sie zu erbringenden Versicherungsleistung der Beklagten (nach der Klausel des § 11 Abs 1 AÖTB 2001). Da die Ausführungen des Berufungsgerichts zur Höhe des Anspruchs für die den Gegenstand des Revisionsverfahrens bildende Überprüfung des Zwischenurteils (zum Anspruchsgrund) somit nicht relevant sind (2 Ob 91/10m mwN), fehlt der in der Zulassungsbeschwerde erörterten Frage die erforderliche Präjudizialität.

Eine vom Obersten Gerichtshof im derzeitigen Verfahrensstadium zu lösende Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung wird daher nicht aufgezeigt (vgl 2 Ob 20/11x). Da sich die außerordentliche Revision nur gegen den Auftrag an das Erstgericht wendet, noch zu erörtern, was unter dem Begriff „Handelswert“ zu verstehen ist, gehen die Rechtsmittelausführungen der Klägerin ins Leere: Hat doch das Berufungsgericht diese Frage in der angefochtenen Entscheidung, mit der das klagestattgebende Ersturteil als Zwischenurteil über den Grund des Anspruchs „bestätigt“ wurde, noch gar nicht abschließend beantwortet (vgl 7 Ob 29/13k), sondern nur festgehalten, der (vom Erstgericht als für die Höhe maßgebend beurteilte) Verkaufspreis könne „nicht ohne weiteres“ der Schadensberechnung zugrunde gelegt werden.

Da die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht erfüllt sind, ist die außerordentliche Revision zurückzuweisen, was nach § 510 Abs 3 ZPO keiner weiteren Begründung bedarf.