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OGH vom 10.06.1960, 1Ob187/60

OGH vom 10.06.1960, 1Ob187/60

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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Zweiten Präsidenten Dr. Fellner als Vorsitzenden und durch die Räte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schuster, Dr. Gitschthaler, Dr. Zierer und Dr. Bauer als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Stadtgemeinde Linz, vertreten durch Dr. Walter Gastgeb, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei Dr. Franz S*****, als Masseverwalter im Konkurs der Fa. A*****, Inhaber Alexander G*****, wegen Räumung infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom , GZ 5 R 161/60-15, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Linz vom , GZ 3 C 4788/59-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 442,05 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit dem Bestandvertrag vom hat die Stadtgemeinde Linz der Firma A*****, Alleininhaber Alexander G*****, ein 28.545 m2 großes Gelände im Hafenbecken III zur Errichtung einer Schiffsreparaturwerkstätte samt Helling- und Schlippanlage mit Wirkung vom auf 50 Jahre in Bestand gegeben. Die Bestandnehmerin verpflichtete sich, den Bestandgegenstand ausschließlich für den genannten Zweck zu benützen. Sie war berechtigt, alle hiefür erforderlichen baulichen Maßnahmen durchzuführen, wobei lediglich die Vornahme gewisser Veränderungen der vorherigen Genehmigung durch die Bestandgeberin bedurfte. Für folgende Fälle wurde der Bestandgeberin das Recht der vorzeitigen Vertragsauflösung eingeräumt: Wenn die Bestandnehmerin vom Bestandgegenstand einen erheblich nachteiligen Gebrauch macht, wenn sie die ihr obliegende zweckgebundene Verwendung oder eine sonstige vertragliche Verpflichtung trotz wiederholter Abmahnungen nicht einhält, wenn sie mit der Bezahlung des Bestandzinses durch eine gewisse Zeit im Rückstand ist, wenn sie ihre Zahlungen einstellt oder in Konkurs verfällt und schließlich, wenn sie den Bestandgegenstand nicht innerhalb von drei Jahren nach der Bestandnahme entsprechend den Bestimmungen des § 5 P 1 des Vertrages (zweckgebundene Verwendung) benützt und dieser Umstand auf ein Verschulden der Bestandnehmerin zurückzuführen ist. Der Abschluss eines Unterbestandvertrages wurde nur für den Fall von einer Genehmigung der Bestangeberin abhängig gemacht, dass das Unterbestandverhältnis nicht dem bedungenen Verwendungszweck des Bestandgegenstandes entspricht. Mit Beschluss des Landesgerichtes Linz vom , S 17/59, wurde über das Vermögen des Alexander G***** der Konkurs eröffnet. Am brachte die Klägerin gegen den Masseverwalter die vorliegende Räumungsklage ein. Sie machte erheblich nachteiligen Gebrauch geltend, wies auf die Tatsache der Konkurseröffnung hin und brachte vor, dass sie ein dringendes Interesse an dem Betrieb einer Schiffsreparaturwerkstätte im Bereich des Stadthafens habe. Die Bestandnehmerin habe aber zur Zeit der Konkurseröffnung ihre Tätigkeit auf dem Bestandgegenstand bereits eingestellt gehabt. Zufolge des Abverkaufes von Fahrnissen und mangels einer entsprechenden Konzession sei sie auch nicht mehr in der Lage, eine Schiffsreparaturwerkstätte zu betreiben. Der Erstrichter wies das Klagebegehren ab. Er stellte fest, dass die Bestandnehmerin bis zur Betriebseinstellung verschiedene Reparaturen durchgeführt habe, zum Teil über Auftrag der Klägerin selbst. Die Gewerbeanmeldung der Bestandnehmer betreffend den selbständigen Betrieb zur fabriksmäßigen Erzeugung von Schiffbaumaterial, Wasserfahrzeugen aller Art, Schiffsausrüstungen, Stahlkonstruktionen, Industrieeinrichtungen und elektrische Anlagen sei nicht zur Kenntnis genommen und die Aufnahme bzw die Fortführung des Betriebes ausdrücklich untersagt worden. Wegen unbefugter Ausübung dieses Gewerbes sei Alexander G***** sogar mit Strafverfügung des Magistrates der Stadt Linz vom bestraft worden. In rechtlicher Hinsicht ging der Erstrichter davon aus, dass auf das Bestandverhältnis die Kündigungsschutzbestimmungen des Mietengesetzes Anwendung zu finden haben, weil es sich um die Vermietung von Geschäftsräumlichkeiten (unbebauten Geländes für geschäftliche Zwecke) im Sinne des § 1 Abs 1 MietG handle. Die auf einer Vereinbarung beruhenden Auflösungsgründe seien daher, soweit sie über die im § 1118 ABGB vorgesehenen hinausgehen, unwirksam. Es komme demnach nur erheblich nachteiliger Gebrauch in Betracht. Ein solcher könne wohl auch in der Gefährdung wirtschaftlicher Interessen liegen. Es müsse sich aber dabei um Umstände handeln, welche die Fortsetzung des Bestandverhältnisses für den Bestandgeber als zumutbar erscheinen lassen. Diesem Erfordernis entsprächen die geltend gemachten Umstände nicht. Das Fehlen der Gewerbeberechtigung könne auch deshalb nicht mehr geltend gemacht werden, weil es die Bestandgeberin unterlassen habe, die ihr möglichen Erkundigungen in dieser Richtung schon früher einzuziehen.

Das Berufungsgericht gab der nur wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Berufung der Klägerin nicht Folge. Es teilte die Rechtsauffassung des Erstrichters, dass im Hinblick auf den zur Anwendung kommenden gesetzlichen Kündigungsschutz gemäß der 5. KSchDV alle Vereinbarungen, die über die gesetzlichen Bestimmungen, die über die gesetzlichen Kündigungs- und Auflösungsgründe hinausgehen, unwirksam seien. Dass die Bestandnehmerin mangels einer Gewerbeberechtigung nicht in der Lage sei, selber die im Vertrag vorgesehenen Schiffsreparaturen auszuführen, schließe nicht aus, dass solche Arbeiten durch einen zu diesem gewerbeberechtigten Gesellschafter oder im Wege eines Unterbestandverhältnisses durchgeführt werden. Selbst wenn aber die Bestandnehmerin den Bestandgegenstand ganz unbenützt lassen würde, wäre darin, solange sie ihren sonstigen vertraglichen Verpflichtungen nachkommt, keine Beeinträchtigung erheblicher wirtschaftlicher Interessen der Klägerin zu erblicken. Ein Verstoß gegen das öffentliche Interesse an einer zweiten Schiffsreparaturwerkstätte im Hafen könne nicht dem Begriff „erheblich nachteiliger Gebrauch" unterstellt werden. Eine dauernde Betriebspflicht sei nicht vereinbart worden.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die auf § 503 Z 4 ZPO gestützte Revision der Klägerin mit dem Antrage, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass dem Klagebegehren stattgegeben werde, oder es aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Gericht erster oder zweiter Instanz zurückzuverweisen. Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Die Revision ist nicht begründet.

Rechtliche Beurteilung

Der Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass mit Rücksicht auf den zur Anwendung kommenden gesetzlichen Kündigungsschutz die Tatsache der Konkurseröffnung nicht die vorzeitige Auflösung des Bestandvertrages zu rechtfertigen vermag, ist die Klägerin im Rechtsmittelverfahren nicht entgegengetreten. Sie entspricht auch der in der Rechtsprechung vertretenen Auffassung, dass die Eröffnung des Konkurses keinen Kündigungsgrund darstellt und auch nicht als solcher vereinbart werden kann (E. vom , 3 Ob 416/56; EvBl 1956, Nr. 351 u. a.). Die Ausführungen in der Revision laufen im Wesentlichen darauf hinaus, dass die Nichtbenützung des vermieteten Teiles des Hafengeländes zu dem im Vertrag vorgesehenen Zweck und die mit Rücksicht auf das Fehlen einer Gewerbeberechtigung gegebene Aussichtslosigkeit der Änderung dieses Zustandes eine solche Schädigung der Interessen der klagenden Partei darstelle, dass darin ein erheblich nachteiliger Gebrauch im Sinne des § 1118 ABGB zu erblicken sei.

Der klagenden Partei kann darin gefolgt werden, dass die Annahme des Berufungsgerichtes, eine dauernde Betriebspflicht sei nicht vereinbart worden, mit dem Wortlaut und Sinn des unbestrittenen Bestandvertrages nicht im Einklang steht. Die Vertragsbestimmungen über die Art der Verwendung des Bestandgegenstandes und die Berechtigung des Bestandgebers zur vorzeitigen Auflösung des Vertrages, wenn der Betrieb nicht innerhalb von drei Jahren aufgenommen wird, können in ihrem Zusammenhalt nur dahin verstanden werden, dass der Betrieb der Schiffsreparaturwerkstätte zur Pflicht gemacht wurde, dass es also nicht im Belieben der Bestandnehmerin stehen sollte, den Betrieb nach termingerechter Aufnahme wieder einzustellen. Es kann der klagenden Partei auch darin gefolgt werden, dass durch die Nichtbenützung des vermieteten Geländes nicht nur öffentliche Interessen, sondern auch ihre wirtschaftlichen Interessen berührt werden, zumal schon im Bestandvertrag auf die zweckgebunde Verwendung des Bestandgegenstandes Wert gelegt wurde. Ob aber die in der Nichtbenützung des Bestandgegenstandes gelegene Beeinträchtigung der Interessen der klagenden Partei als erheblich nachteiliger Gebrauch im Sinne des § 1118 ABGB zu werten ist, kann dahin gestellt bleiben, weil die klagende Partei auf Grund des von ihr geschlossenen Vertrages aus der bloßen Nichtbenützung des Bestandgegenstandes nicht das Recht der vorzeitigen Lösung des Vertrages ableiten kann. Im Bestandvertrag wurde, wie schon in der Klage angeführt ist, dieses Recht nämlich davon abhängig gemacht, dass die Nichtbenützung auf ein Verschulden der Bestandnehmerin zurückzuführen ist. Die beklagte Partei hat ein Verschulden bestritten. Die klagende Partei hat das Vorliegen eines Verschuldens nicht einmal behauptet, geschweige denn bewiesen. Dass Alexander G***** keine entsprechende Gewerbeberechtigung hat, muss ebensowenig auf ein Verschulden zurückzuführen sein wie die Eröffnung des Konkurses über sein Vermögen. Dass er es schuldhaft unterlassen habe, die zur Schaffung der rechtlichen Voraussetzungen für die Aufrechterhaltung des Betriebes erforderlichen Schritte zu unternehmen, wurde nicht behauptet. Die klagende Partei kann daher mangels Nachweises eines Verschuldens der Bestandnehmerin die Tatsache der Nichtbenützung des Bestandgegenstandes, ob diese nun ihre wirtschaftlichen Interessen erheblich schädigt oder nicht, nicht mit Erfolg als Grund für die vorzeitige Auflösung des Bestandvertrages geltend machen.

Der Revision war demnach der Erfolg zu versagen.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.