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OGH vom 28.02.2018, 6Ob234/17f

OGH vom 28.02.2018, 6Ob234/17f

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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Gitschthaler, Univ.Prof. Dr. Kodek, Dr. Nowotny und die Hofrätin Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M*****, vertreten durch Höhne In der Maur Partner Rechtsanwälte GmbH  Co KG in Wien, gegen die beklagte Partei K***** GmbH Co KG, *****, vertreten durch Dr. Herbert Salficky, Rechtsanwalt in Wien, wegen 83.000 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 1 R 97/17t32, womit über Berufung der beklagten Partei das Zwischenurteil des Handelsgerichts Wien vom , GZ 20 Cg 50/13a27, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Die Kosten des Berufungs und Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin schloss am als Käuferin mit der L***** GmbH (in der Folge: L*****) als Verkäuferin über eine Eigentumswohnung einen Kaufvertrag. Als Kaufpreis wurde ein Betrag von 60.000 EUR vereinbart. Laut dem Vertrag wurden hiervon 33.000 EUR „vor Vertragsunterfertigung zwischen den Vertragsparteien direkt verrechnet“, der Restbetrag – dies sind 27.000 EUR – war binnen zwei Wochen nach Vertragsunterfertigung beim Urkundenverfasser, Notar Dr. K*****, treuhändig zu hinterlegen. Notar Dr. K***** wurde im Vertrag beauftragt, „den Kaufpreis vorerst für eine allfällige Lastenfreistellung zu verwenden und einen allfälligen Restbetrag an die Verkäuferin auszubezahlen, sobald die geldlastenfreie Einverleibung des Eigentumsrechts [...] für die Käuferin im Grundbuch gewährleistet ist und dem Urkundenverfasser eine Bestätigung der Käuferin über die Übernahme der Wohnung vorliegt“. Die Verkäuferin garantierte im Vertrag die Lastenfreistellung aus dem zu bezahlenden Kaufpreis und verpflichtete sich, das Kaufobjekt geldlastenfrei der Käuferin zu übergeben. Im Grundbuch waren damals im Lastenblatt ein Höchstbetragspfandrecht einer Bank in Höhe von 162.500 EUR und ein exekutives Pfandrecht einer Steuerberatung GmbH in Höhe von 4.911,60 EUR intabuliert.

Im Mai 2007 klagte die Klägerin, vertreten durch die Beklagte, L***** auf Löschung der 27.000 EUR übersteigenden Verbindlichkeiten. Sie brachte damals vor, L***** sei ihren diesbezüglichen kaufvertraglichen Verpflichtungen nicht nachgekommen. Mit Urteil vom wurde L***** schuldig erkannt, die grundbücherliche Löschung der den Betrag von 27.000 EUR übersteigenden Lasten zu bewirken.

Im Dezember 2008 verkaufte L***** die Eigentumswohnung ein zweites Mal, und zwar an die R***** Ges.m.b.H. (im Folgenden: R*****), deren Eigentumsrecht im Grundbuch einverleibt wurde. Die hinter den beiden Gesellschaften stehenden Personen waren einander wohlbekannt.

Hierauf ging die Klägerin zum einen gegen R***** prozessual vor. Mit Urteil vom wurde die Einverleibung des Eigentumsrechts für R***** für unwirksam erklärt und R***** schuldig erkannt, in die Einverleibung der Löschung des Eigentumsrechts einzuwilligen. Zum anderen stellte die Klägerin – vertreten durch die Beklagte – am gegen L***** einen Insolvenzantrag, aufgrund dessen über deren Vermögen vom Handelsgericht Wien das Konkursverfahren eröffnet wurde.

Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage aus Anwaltshaftung 83.000 EUR. Soweit für das Verständnis des Berufungsurteils von Bedeutung, brachte sie im Verfahren vor, dass, nachdem die Verfahren gegen L***** und gegen R***** erfolgreich beendet gewesen seien, die Einverleibung ihres Eigentumsrechts im vereinbarten Lastenstand hätte erfolgen können und ohne den von der Beklagten eingebrachten Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens die Einverleibung auch tatsächlich erfolgt wäre. Die Beklagte habe durch die vorherige Beantragung des Insolvenzverfahrens die Einverleibung des Eigentumsrechts der Klägerin vereitelt, zumal die Insolvenzeröffnung nach § 13 IO zur Grundbuchssperre geführt und die Klägerin über keine der Grundbuchssperre vorrangige rangwahrende Absicherung verfügt habe. Es sei kein objektiv nachvollziehbarer Grund für die Beantragung des Insolvenzverfahrens durch die Beklagte vorgelegen. Der Insolvenzantrag sei mit der Klägerin weder abgesprochen gewesen noch sei sie über damit verbundene nachteilige Rechtsfolgen aufgeklärt worden. Der Klägerin stehe aus ihrem Kaufvertrag mit L***** nunmehr bloß eine nicht werthaltige Konkursforderung zu, zumal der Masseverwalter die Masseunzulänglichkeit angezeigt habe. Der objektive Wert der Liegenschaft betrage 110.000 EUR. Die Klägerin habe zumindest 27.000 EUR in die Eigentumswohnung, bei der es sich um einen Rohbau gehandelt habe, investiert (woraus sich durch Subtraktion der Klagsbetrag errechnet; Anm.). Wenn die Beklagte vermeine, der Konkurs wäre auch ohne ihren Antrag eröffnet worden, so handle es sich um eine durch nichts belegte und irrelevante Hypothese.

Die Beklagte wandte unter anderem Unschlüssigkeit der Klage ein. Die Klägerin sei mit dem Nachweis, aber auch den damit korrespondierenden Behauptungen belastet, dass aus einem bestimmten Versäumnis, das allerdings zu Unrecht der Beklagten zugesonnen werde, ein bestimmter klagsgegenständlicher Schaden kausal innerhalb eines Rechtswidrigkeits-zusammenhangs zum Nachteil der Klägerin eingetreten wäre. Es habe die Gefahr bestanden, dass L***** weitere für die Klägerin kontraproduktive Maßnahmen setzen würde, sodass ein Konkursantrag, der mit der Klägerin im Übrigen durchaus erörtert worden sei, indiziert und nicht haftungsbegründend gewesen sei. Im Übrigen wäre es unabhängig vom Konkursantrag zur selben Zeit jedenfalls zur Konkurseröffnung gekommen, dies angesichts der Anzahl der Gläubiger, die im Konkursverfahren ihre Forderungen anmeldeten, und der Überschuldung von L***** respektive des Umstands, dass im Insolvenzverfahren keine oder nur eine geringe Quote zu erwarten sei, weshalb der kritisierte Konkursantrag nicht schadenskausal gewesen sei. Aus dem Gesichtspunkt der Kausalität müsse unter Hinwegdenken des Insolvenzeröffnungsantrags gefragt werden, wie die Rechtsposition der Klägerin gewesen wäre, wäre die Verkäuferin neuerlich (gemeint: nach Löschung des Eigentumsrechts der R*****) Eigentümerin der kaufgegenständlichen Liegenschaftsanteile geworden.

Das Erstgericht erkannte mit Zwischenurteil das Klagebegehren als dem Grunde nach zu Recht bestehend. Dabei traf es neben dem eingangs wiedergegebenen Sachverhalt auch die (Negativ)Feststellung, dass nicht festgestellt werden konnte, ob auch andere Gläubiger der L***** im März 2010 oder zu einem anderen Zeitpunkt einen Konkursantrag gestellt hätten, wenn dies nicht die Klägerin gemacht hätte. Rechtlich würdigte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahingehend, dass der Konkursantrag der Beklagten bzw die mangelnde Aufklärung der Klägerin über die im Zusammenhang damit stehenden Gefahren, die sich auch verwirklicht hätten, als rechtswidrig und schadenersatzbegründend einzustufen sei.

Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil im klagsabweisenden Sinn ab. Bei der Frage des rechtmäßigen Alternativverhaltens gehe es darum, ob ein rechtswidrig handelnder Täter selbst dann für den verursachten Schaden zu haften habe, wenn denselben Nachteil sonst durch ein rechtmäßiges Verhalten herbeigeführt hätte. Die Frage, ob nicht aufgrund des Konkursantrags eines anderen Gläubigers ohnehin dieselbe Situation entstanden wäre, deren Eintritt der beklagten Partei vorgeworfen werde, nämlich dass es zur Konkurseröffnung und damit zu einer Grundbuchssperre kam, habe nichts mit dem Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens zu tun. Daher komme auch die Rechtsprechung, wonach für den Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens den Schädiger die Beweislast treffe, nicht zum Tragen. Die Frage, wie sich andere Gläubiger verhalten hätten, sei eine Frage des hypothetischen Verhaltens eines Dritten. Das hypothetische Verhalten der anderen Gläubiger sei für die Frage relevant, ob das vorgeworfene Fehlverhalten der Beklagten für den Eintritt des Schadens der Klägerin kausal war. Die Beklagte habe substanziiert behauptet, dass im Insolvenzverfahren von L***** viele Gläubiger eine Forderung anmeldeten und dass die finanzielle Lage von L***** schlecht war, sodass davon auszugehen sei, dass jedenfalls ein anderer Gläubiger den Konkurs beantragt hätte, hätte dies nicht die Beklagte namens der Klägerin getan. Die Klägerin habe dies nicht widerlegt. Komme es für die Feststellung der Kausalität anwaltlichen Fehlverhaltens (auch) auf die wahrscheinliche Reaktion Dritter an, handle es sich um eine Frage der Kausalität, weshalb die Beweislast dafür, wie sich Dritte hypothetisch verhalten hätten, den Mandanten treffe.

Die ordentliche Revision sei zulässig, weil zur Frage der Beweislast für das hypothetische Verhalten Dritter keine anwaltshaftungsrechtliche Judikatur des Obersten Gerichtshof vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Hierzu hat der Oberste Gerichtshof erwogen:

Die Revision ist aus Gründen der Rechtssicherheit zulässig, sie ist auch berechtigt.

1. Die Klägerin stützt ihren Schadenersatzanspruch ausschließlich darauf, dass der von der beklagten Partei gestellte Konkursantrag unzweckmäßig war. Daher ist im vorliegenden Fall auf die Frage, ob der Klägerin auch eine frühere Verbücherung ihres Eigentums hätte empfohlen werden müssen oder ob im Verfahren gegen die Zweitkäuferin nicht bloß die Löschung des Eigentums der Zweitkäuferin, sondern die Einwilligung in die Verbücherung des Eigentums der Klägerin hätte begehrt werden können (vgl RISJustiz RS0011224), nicht weiter einzugehen.

2.1. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens hatte nach § 13 IO eine Grundbuchssperre zur Folge. Das Grundbuch ist von dem auf die öffentliche Bekanntmachung der Konkurseröffnung folgenden Tag an – unabhängig davon, ob dieses Ereignis im Grundbuch angemerkt wurde – jedenfalls und gegenüber jedermann gesperrt, wenn nicht eine Übertragung dinglicher Rechte aufgrund eines vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Eigentümers liegenden Ranges iSd § 13 IO möglich ist (RISJustiz RS0034769; RS0121707). Für die Beurteilung, ob ein Rang, der die Einverleibung dinglicher Rechte auch nach Eröffnung des Konkurses zuließe, vorliegt, sind die allgemeinen Vorschriften des Grundbuchgesetzes maßgebend (RISJustiz RS0011465). Dass im vorliegenden Fall der Klägerin kein vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens liegender Rang zukam, hat der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen (5 Ob 94/11a).

2.2. Inwieweit die für die Einverleibung des Eigentumsrechts erforderlichen Urkunden und sonstigen Voraussetzungen bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorlagen, ist demgegenüber ebenso ohne Bedeutung wie der Zeitpunkt der Übergabe der Wohnung an die Klägerin (5 Ob 94/11a; Kodek, Grundbuchsrecht² § 25 Rz 6 mwN). Wurde – wie im vorliegenden Fall – der Antrag auf Einverleibung des Eigentums erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt, kann das Eigentum auch dann nicht eingetragen werden, wenn die Liegenschaft vor Insolvenzeröffnung übergeben wurde (SZ 48/204).

2.3. Damit machte der von der beklagten Partei gestellte Insolvenzantrag die Erreichung des angestrebten Ziels, nämlich die Verbücherung des Eigentums der Klägerin, von vornherein unmöglich. Die Insolvenzeröffnung hatte auch zur Folge, dass aus dem Umstand, dass vor diesem Zeitpunkt bereits der Kaufpreis bezahlt worden war, lediglich eine Insolvenzforderung resultierte (Dellinger/Oberhammer, Insolvenzrecht³ [2014] Rz 176, vgl auch aaO Rz 302 aE). Damit führte die Eröffnung des Insolvenzverfahrens dazu, dass nicht nur die angestrebte Einverleibung des Eigentumsrechts der Klägerin unmöglich wurde, sondern der Klägerin auch nur noch eine – bloß quotenmäßig zu befriedigende – Insolvenzforderung zukam.

3.1. Im Hinblick auf die Unzweckmäßigkeit des Konkursantrags kommt es auch nicht auf die Frage an, ob die Klägerin dieser Vorgangsweise zugestimmt hat. Eine völlig ungeeignete Maßnahme verliert ihren Charakter als Sorgfaltsverstoß nicht dadurch, dass der Mandant dieser Vorgangsweise zustimmt. Im Übrigen ergibt sich aus dem Gesamtzusammenhang des Klagsvorbringens in einer jeden Zweifel ausschließenden Deutlichkeit, dass die Klägerin den Konkursantrag als unzweckmäßig ansieht und bei zutreffendem Hinweis darauf, dass dieser die Verbücherung ihres Eigentumsrechts ohne nochmalige Zahlung des Kaufpreises verhindert hätte, dieser Vorgangsweise nie zugestimmt hätte (zum Erfordernis der Kausalität der unterlassenen Aufklärung durch einen Rechtsanwalt vgl 1 Ob 148/14t; vgl auch Laumen in Baumgärtel/ Laumen/Prütting, Handbuch der Beweislast³: BGB Schuldrecht Besonderer Teil II § 675 Rz 33 mwN). Dass die Klägerin trotz Hinweis auf die mangelnde Eignung der geplanten Vorgangsweise einem Konkursantrag zugestimmt hätte, hat die Beklagte auch gar nicht behauptet.

3.2. Soweit die Beklagte Feststellungen zur Frage vermisst, welchen Inhalt die Beratung richtigerweise hätte haben müssen, ist ihr zudem entgegenzuhalten, dass dies eine Frage der rechtlichen Beurteilung darstellt, weil es dabei um die Definition des Sorgfaltsmaßstabs nach § 1299 ABGB geht (vgl RIS-Justiz RS0026349 [T17]; RS0026584).

4. Die beklagte Partei beruft sich nun darauf, dass es zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens auch dann gekommen wäre, wenn sie keinen diesbezüglichen Antrag gestellt hätte. In diesem Fall hätten andere Gläubiger einen Konkursantrag gestellt. Ob dies zutrifft, konnten die Vorinstanzen jedoch nicht klären. Damit stellt sich im vorliegenden Fall die Frage der Beweislast:

5.1. Bei einem Begehren auf Schadenersatz obliegt dem Geschädigten grundsätzlich der Beweis für den Kausalzusammenhang zwischen dem Verhalten des Schädigers und dem Eintritt des Schadens (RIS-Justiz RS0022664 [T4]). Das gilt auch dann, wenn es sich bei dem schadensauslösenden Ereignis um eine Unterlassung handelt (RIS-Justiz RS0022664 [T5]; RS0022900), allerdings werden an den Beweis des bloß hypothetischen

Kausalverlaufs nicht so strenge Anforderungen gestellt wie bei einer Schadenszufügung durch positives Tun (RIS-Justiz RS0022900 [T14]). Die Beweislast trifft den Geschädigten auch unabhängig davon, ob eine Haftung nach Deliktsrecht oder aus einer Vertragsverletzung geltend gemacht wird (RIS-Justiz RS0022664 [T11]). Der Geschädigte muss also beweisen, dass der Schaden bei gebotenem Verhalten nicht eingetreten wäre (RIS-Justiz RS0022686 [T12]).

5.2. Die Schadenersatzpflicht des Schädigers wird nicht dadurch aufgehoben, dass der Schaden möglicherweise auch ohne die schadensbringende Handlung eingetreten wäre (RIS-Justiz RS0022664 [T2]). Der Umstand, dass ein Schade mehr oder weniger wahrscheinlich auch ohne die schadenbringende Handlung eingetreten wäre, vermag die Schadenersatzpflicht des Beschädigers nicht aufzuheben (RIS-Justiz RS0022629).

5.3. Wenn aber feststeht, dass der gleiche Erfolg auch ohne das (reale) Schadensereignis zu einem bestimmten Zeitpunkt eingetreten wäre (RIS-Justiz RS0022609 [T8]), ist dies sehr wohl zu berücksichtigen: Der Schädiger kann also einwenden, dass die Folgen der realen schädigenden Handlung ident seien mit denen anderer hypothetischer Ursachen (RIS-Justiz RS0022647). Dabei wird von überholender Kausalität gesprochen, weil der tatsächlich eingetretene Schaden ohne die schädigende Ursache später auch eingetreten wäre (RIS-Justiz RS0022634 [T1]).

5.4. Die Behauptungs- und Beweislast für die Voraussetzungen der überholenden Kausalität trägt der Schädiger; dass der Schade „möglicherweise“ auch ohne die schadenbringende Handlung eingetreten wäre, reicht nicht aus (RIS-Justiz RS0022647 [T1]; RS0106535 [T1, T2]). Auch der maßgebende Zeitpunkt muss mit einiger Sicherheit bestimmt werden können (RIS-Justiz RS0022653 [T2]). Gelingt dem Schädiger der Beweis, ist die Ersatzpflicht auf den sogenannten Verfrühungsschaden oder Verschlimmerungsschaden eingeschränkt (RIS-Justiz RS0022609 [T7]; RS0106534).

6.1. Die Haftung für die Folgen einer rechtswidrigen Unterlassung entfällt auch dann, wenn der Nachteil, auf dessen Ersatz jemand in Anspruch genommen wird, auch bei rechtmäßigem Alternativverhalten, also bei pflichtgemäßem positiven Tun eingetreten wäre (RIS-Justiz RS0022900). Es kommt zu einer Haftungsfreistellung des rechtswidrig handelnden Täters, wenn er denselben Nachteil auch durch ein rechtmäßiges Verhalten herbeigeführt hätte (RIS-Justiz RS0111706). Dabei obliegt der Beweis, dass der Schaden auch im Falle vorschriftsmäßigen Verhaltens, das heißt ohne die Verletzung der Schutznorm eingetreten wäre, dem Schädiger (RIS-Justiz RS0022900 [T12, T17]; RS0111706 [T1]). Der Hinweis auf ein rechtmäßiges Alternativverhalten setzt voraus, dass ein rechtmäßiges Verhalten des Schädigers zu demselben Schaden geführt hätte (RIS-Justiz RS0111706 [T9]). Diese Grundsätze entsprechen auch der herrschenden Rechtsprechung und Lehre in Deutschland (vgl Katzenmeier in Baumgärtel/Laumen/Prütting, Handbuch der Beweislast³: BGB Schuldrecht Besonderer Teil III § 823 Rz 20 f und 25).

6.2. Der Rechtsfigur des hypothetischen Alternativverhaltens bedarf es jedoch bei einer Schädigung durch Unterlassung nicht, weil eine Unterlassung (ohnehin) nicht kausal ist, wenn (auch) das pflichtgemäße Verhalten den Schaden nicht verhindert hätte (RIS-Justiz RS0022913 [T9]). Bei der Unterlassung wird die Kausalität bzw das rechtmäßige Alternativverhalten durch das Hinzudenken des hypothetischen Kausalverlaufs geprüft. Es wird gefragt, ob die fiktive Vornahme der gebotenen Handlung das Eintreten des Schadens verhindert hätte. Es handelt sich dabei um eine rein hypothetische Prüfung (Koziol, RdW 2007, 12).

7. Auch im Rahmen der Anwaltshaftung müssen die Pflichtverletzung sowie der Kausalzusammenhang zwischen pflichtwidrigem Verhalten und Schadenseintritt vom Geschädigten dargelegt und bewiesen werden (vgl RIS-Justiz RS0022686 [T22]; RS0022900 [T8, T10]; RS0022700; vgl auch Helling in Baumgärtel/Laumen/Prütting, Handbuch der Beweislast³: BGB Schuldrecht Allgemeiner Teil § 249 Rz 60 ff). Wird die Verletzung einer Aufklärungspflicht behauptet, dann muss der klagende Mandant nachweisen, dass er anders disponiert hätte, wenn er ordnungsgemäß aufgeklärt worden wäre; eine Negativfeststellung diesbezüglich ginge zu seinen Lasten (1 Ob 148/14t). Der Mandant muss daher beweisen, dass der Schaden bei ordnungsgemäßer Aufklärung nicht eingetreten wäre (vgl 6 Ob 104/06x ErwGr 11 letzter Absatz). Allgemein muss daher versucht werden, den hypothetischen Ablauf bei Vermeiden der Unterlassung durch Setzen des gebotenen Verhaltens herauszufinden; das gebotene Verhalten ist dabei hinzuzudenken (RIS-Justiz RS0022913 [T12]).

8.1. Im vorliegenden Fall behauptet die Beklagte, selbst wenn sie keinen Konkursantrag gestellt hätte, hätte ein anderer Gläubiger die Eröffnung des Konkursverfahrens beantragt. Damit zielt die Behauptung der Beklagten nicht auf ein tatsächliches Ereignis, sondern auf einen hypothetischen Kausalverlauf.

8.2. Unter dem Oberbegriff der „hypothetischen Kausalität“ (auch: „Reserveursache“) werden ganz unterschiedliche Konstellationen zusammengefasst (vgl Oetker in MünchKomm BGB7 § 249 Rz 207 mwN). Diese reichen von einer Schadensanlage (Anlageschaden) über Naturereignisse, rechtmäßiges oder rechtswidriges Eingreifen eines Dritten bis zum Verhalten des Schädigers selbst (rechtmäßiges Alternativverhalten).

8.3. Der Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens und derjenige hypothetischer Kausalität unterscheidet sich in mehreren Punkten (dazu Koziol, Haftpflichtrecht I³ Rz 8/62): Beim Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens geht es darum, dass der (vgl RIS-Justiz RS0111706) auch bei rechtmäßigem Verhalten denselben Schaden (bzw einen Schaden in gleicher Höhe) verursacht hätte. Außerdem hat beim rechtmäßigen Alternativverhalten ein Ereignis den Schaden verursacht, das zweite Ereignis hat hingegen nie stattgefunden, sondern wird bloß angenommen. Bei der überholenden Kausalität geht es demgegenüber darum, dass zwei konkret gefährliche Ereignisse potentiell kausal für den Schaden waren (Koziol aaO). In diesem Fall haben zwei, die zur Herbeiführung des Schadens geeignet waren, zwar , sie bilden jedoch keine conditio sine qua non für den Schaden (Koziol aaO).

8.4. Zutreffend erblickte das Berufungsgericht allerdings eine Besonderheit des vorliegenden Falls darin, dass der hypothetische Kausalverlauf im Fall rechtmäßigen Verhaltens der Beklagten nicht nur von deren Verhalten, sondern auch vom nämlich der anderen Gläubiger der L***** abhing. Anders als in den meisten anderen Fällen der hypothetischen Kausalität geht es hier allerdings nicht um reales Verhalten dritter Personen, das hypothetisch denselben Erfolg, nämlich die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, herbeiführen hätte können, sondern um bloß hypothetisches Verhalten Dritter.

8.5. Der Oberste Gerichtshof hat zur Berücksichtigung hypothetischen Verhaltens Dritter in der Entscheidung 2 Ob 117/16v (EvBl 2017/155 [Zoppel]) Stellung genommen. In dieser Entscheidung ging es um die Frage, ob eine Ärztin, wäre sie befasst worden, einer Fahrzeuglenkerin Fahrtauglichkeit attestiert hätte. Dabei handelte es sich jedoch nicht um eine Entscheidung zur Beweislast; vielmehr konnte sich der Oberste Gerichtshof auf die Feststellung stützen, dass die Ärztin die Klägerin für „bedenkenlos fahrtauglich“ hielt. Auf eine solche Auskunft ihrer Vertrauensärztin hätte sich die Klägerin verlassen dürfen.

8.6. In der deutschen Literatur zur Anwaltshaftung wird die Beweislast hinsichtlich des „hypothetischen Verhaltens Dritter“ teilweise dem Mandanten zugeordnet (Fahrendorf in Fahrendorf/Mennemeyer/Terbille, Die Haftung des Rechtsanwalts8 Rz 769; ähnlich auch Laumen in Baumgärtel/Laumen/Prütting, Handbuch der Beweislast³: BGB Schuldrecht Besonderer Teil II § 675 Rz 54). Demnach treffe etwa, wenn der Mandant die Haftung des Rechtsanwalts darauf stützt, dass dieser einen vom bisherigen Verhandlungsergebnis abweichenden Vertrag aufgesetzt habe und der Dritte deshalb einen Vertragsabschluss verweigert, den Mandanten die Beweislast dafür, dass der Dritte den Vertrag abgeschlossen hätte, wenn der Rechtsanwalt den Vertrag in Einklang mit den bisherigen Verhandlungsergebnissen formuliert hätte. Genau diesen Fall betreffen auch die bei G. Fischer in G. Fischer/Vill/D. Fischer/Rinkler/Chab, Handbuch der Anwaltshaftung4 § 5 Rz 10 FN 18 zitierten Entscheidungen des BGH, in denen (bloß) die Rede davon ist, der Mandant müsse im Prozess gegen den Anwalt „die zur Durchführung des behaupteten Entschlusses notwendige Bereitschaft Dritter darlegen, den beabsichtigten Weg mitzugehen“ (BGH IX ZR 232/01 Rn 41; BGH IX ZR 95/05 Rn 5).

8.7. In diesen Fällen erscheint es durchaus sachgerecht, dem klagenden Mandanten den Beweis aufzuerlegen, dass ohne den Fehler des Rechtsanwalts zB der Vertrag mit dem Dritten zustandegekommen wäre. Insoweit handelt es sich noch um eine Frage der Kausalität des Fehlers des Rechtsanwalts für das Scheitern des Vertragsabschlusses. Im vorliegenden Fall steht demgegenüber fest, dass die beabsichtigte Einverleibung im Grundbuch tatsächlich am von der beklagten Partei gestellten Konkursantrag scheiterte. Allenfalls hätten jedoch andere Gläubiger, wenn diese statt der Beklagten einen Konkursantrag gestellt hätten, die Einverleibung gleichfalls verhindert. Diese rein hypothetische Reserveursache steht aber den anderen in der deutschen Literatur und Rechtsprechung erörterten Fällen hypothetischer Kausalverläufe (vgl Fahrendorf in Fahrendorf/Mennemeyer/ Terbille, Die Haftung des Rechtsanwalts8 Rz 853 ff) wesentlich näher. So trifft etwa nach Fahrendorf (in Fahrendorf/Mennemeyer/Terbille, Die Haftung des Rechtsanwalts8 Rz 858) die Beweislast für die Behauptung, der zu Unrecht gekündigte Arbeitnehmer hätte ohnehin auch von sich aus gekündigt, den Schädiger. Dies steht in Einklang mit dem allgemeinen Grundsatz, dass bei der Haftung aus einem Geschäftsbesorgungsvertrag die Beweislast für rechtshindernde oder rechtshemmende Einwendungen den Schädiger trifft (Laumen in Baumgärtel/Laumen/Prütting, Handbuch der Beweislast³: BGB Schuldrecht Besonderer Teil II § 675 Rz 1).

8.8. Diese Lösung erscheint auch für die vorliegende Konstellation sachgerecht: Für den Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens, also den Einwand, der Schaden wäre auch bei hypothetischem rechtmäßigen Verhalten der Beklagten eingetreten, trifft grundsätzlich die Beweislast den Schädiger (RIS-Justiz RS0111706 [T1]). Gleiches gilt aber für den Einwand der überholenden Kausalität (RIS-Justiz RS0022647 [T1]; RIS-Justiz RS0106535 [T1, T2]). Trifft den Schädiger aber sogar dafür die Beweislast, dass spätere tatsächlich stattgefundene Entwicklungen denselben Schaden herbeigeführt hätten, kann für die Frage, ob hypothetisches späteres Verhalten Dritter denselben Schaden verursacht hätte, nichts anderes gelten. Diese Lösung steht auch mit dem allgemeinen Grundsatz in Einklang, wonach der Beklagte die Voraussetzungen der ihm günstigen Norm bzw die rechtsvernichtenden Tatsachen beweisen muss (RIS-Justiz RS0039939).

8.9. Die von F. Bydlinski (Probleme der Schadensverursachung 102) zu dem Fall, dass der getötete Hund von seinem Eigentümer zuvor mit giftigem Futter gefüttert worden war, angestellte Überlegung, diesfalls reiche die Wahrscheinlichkeit, dass der Hund jedenfalls gestorben wäre, aus, lässt sich nicht auf den vorliegenden Fall übertragen: Einerseits betrifft der Fall eine konkrete Reserveursache, nämlich die tatsächlich stattgefundene Fütterung, während im vorliegenden Fall der Einwand, dass andere Gläubiger einen Konkursantrag gestellt hätten, ein bloß hypothetisches Ereignis betrifft. Dazu kommt, dass die Fütterung in die Sphäre des Eigentümers des Hundes fällt, während es im vorliegenden Fall um ein hypothetisches von Dritten gesetztes Verhalten geht.

8.10. Weil die (berechtigte) Stellung eines Konkursantrags durch (andere) Gläubiger rechtmäßig gewesen wäre, bedarf es im vorliegenden Fall keines Eingehens auf die Frage, ob in den Fällen hypothetischer Kausalität danach zu differenzieren ist, ob hinter dem hypothetischen Ereignis die Verantwortlichkeit einer Person steht oder nicht (dazu Zoppel, EvBl 2017/155 im Anschluss an Gebauer, Hypothetische Kausalität 386 ff und Wendehorst, Anspruch und Ausgleich 127 f; vgl auch F. Bydlinski, Probleme der Schadensverursachung 74 f).

8.11. Der beklagten Partei ist daher der ihr insoweit obliegende (Entlastungs-)Beweis nicht gelungen.Damit geht die von den Vorinstanzen hinsichtlich eines allfälligen Konkursantrags anderer Gläubiger getroffene non-liquet-Feststellung aber zu Lasten der beklagten Partei.

9.1. Der erkennende Senat hat bereits ausgesprochen, dass in der Unterlassung der rechtzeitigen Verbücherung des Eigentums allenfalls ein Mitverschulden liegen kann (6 Ob 169/07g). Ein Mitverschulden wird von der beklagten Partei hier aber nicht geltend gemacht, zumal im vorliegenden Fall der Verbücherung durch den von der Verkäuferin behaupteten Rücktritt und die Verweigerung der vereinbarten Lastenfreistellung zunächst Schwierigkeiten entgegenstanden.

9.2. Der Einwand, die Klägerin habe die Vorschläge des Masseverwalters nicht aufgegriffen, worin ein „Mitverschulden“ liege, betrifft demgegenüber die Schadensminderungspflicht. Die diesbezüglichen Einwände sind daher erst im Verfahren über die Schadenshöhe zu prüfen (1 Ob 270/04v; RIS-Justiz RS0040783).

10. Damit erweist sich die Revision aber als berechtigt, sodass die zutreffende Entscheidung des Erstgerichts wiederherzustellen war.

11. Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2018:0060OB00234.17F.0228.000

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