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OGH vom 21.12.2011, 6Ob234/11x

OGH vom 21.12.2011, 6Ob234/11x

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ. Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Firmenbuchsache der im Firmenbuch des Handelsgerichts Wien zu FN ***** eingetragenen N***** Ges.m.b.H. mit dem Sitz in W***** über den Revisionsrekurs der Gesellschaft und des Geschäftsführers C***** M*****, beide vertreten durch Dr. Lothar Hofmann, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom , GZ 4 R 384/11m, 4 R 385/11h, 4 R 386/11f und 4 R 387/11b 4d, mit dem die Beschlüsse des Handelsgerichts Wien vom , GZ 75 Fr 9170/11f 3 und 4, bestätigt wurden, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen .

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 15 FBG iVm § 71 Abs 1 AußStrG) - Ausspruch des Rekursgerichts ist der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig:

Das Rekursgericht hat seinen Zulässigkeitsausspruch damit begründet, es fehle im Spannungsfeld zwischen der Behauptungslast des Bestraften im Einspruch gegen eine Zwangsstrafverfügung (§ 283 Abs 2 UGB), der Amtswegigkeit des Verfahrens außer Streitsachen und der strafrechtlichen Unschuldsvermutung eine Klarstellung des Obersten Gerichtshofs zur Anleitungspflicht des Firmenbuchgerichts einerseits und der Behauptungslast des Einspruchswerbers, dessen Angaben im Einspruch unzureichend sind, andererseits.

1. Die Revisionsrekurswerber haben in ihrem Rekurs gegen die erstinstanzlichen Strafbeschlüsse die Unterlassung der Aufnahme von in ihren Einsprüchen angebotenen Bescheinigungsmitteln als Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens gerügt. Das Rekursgericht hat das Vorliegen dieses Mangels verneint. Damit ist diese Frage der Kognition des Obersten Gerichtshofs jedoch entzogen.

2. In Erledigung dieser Mängelrüge hat das Rekursgericht außerdem die Frage geprüft, ob das Erstgericht die Revisionsrekurswerber zur Ergänzung ihres unvollständigen Einspruchsvorbringens hätte anleiten müssen. Das Unterbleiben eines Verbesserungsverfahrens kann im Rekursverfahren gegen die Entscheidung über die Sache als Mangelhaftigkeit geltend gemacht werden (vgl G. Kodek in Fasching/Konecny , ZPO² [2003] §§ 84, 85 Rz 286; Gitschthaler in Rechberger , ZPO³ [2006] §§ 84, 85 Rz 26, beide zur Rechtslage nach §§ 84, 85 ZPO, der jedoch der gemäß § 15 FBG auch im Firmenbuchverfahren anzuwendende § 10 Abs 4 AußStrG nachgebildet ist [ErläutRV zum AußStrG 2003, zit bei Fucik/Kloiber , AußStrG 79]). Da das Rekursgericht auch diese Frage verneint hat, ist dem Obersten Gerichtshof ein weiteres Eingehen darauf verwehrt.

Daran vermag auch die Argumentation der Revisionsrekurswerber nichts zu ändern, durch Unterlassung einer entsprechenden Anleitung sei (auch) das Rekursverfahren mangelhaft. Sie versuchen damit lediglich, eine unrichtige Erledigung der Mängelrüge durch das Rekursgericht darzutun; gerade dies ist ihnen jedoch wie dargestellt verwehrt.

3.1. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs haben die Einspruchswerber im Hinblick auf den auch im Zwangsstrafverfahren anzuwendenden § 16 Abs 2 AußStrG vollständig und wahrheitsgemäß alle ihnen bekannten, für die Entscheidung des Gerichts maßgebenden Tatsachen und Beweise vorzubringen bzw anzubieten (6 Ob 129/11f RdW 2011/561; dazu Rauter , JAP 2011/2012, 37). Eine amtswegige Ermittlungspflicht des Firmenbuchgerichts besteht hingegen nicht; dieses ist also nicht verpflichtet, Erhebungen zu den möglichen Hinderungsgründen anzustellen (6 Ob 246/07f ZIK 2008/54 [ Fraberger/Riel , 41] = GesRZ 2008, 108 [ Fraberger ]); 6 Ob 134/11s GES 2011, 394; G. Kodek in Kodek/Nowotny/Umfahrer , FBG [2005] § 24 Rz 109; Fraberger/Riel , ZIK 2008, 41 [Entscheidungsanmerkung]), vielmehr liegt es am Einspruchswerber selbst, schon im Einspruch die der Erfüllung seiner Offenlegungspflicht entgegenstehenden Hindernisse darzutun (6 Ob 246/07f; 6 Ob 134/11s). Daran ändert auch die vom Rekursgericht ins Spiel gebrachte „Unschuldsvermutung“ nichts; § 283 Abs 1 UGB setzt für eine zwingende Bestrafung (6 Ob 129/11f) lediglich das Verstreichen der Offenlegungsfrist von neun Monaten voraus.

3.2. Im Übrigen gilt die Vermutung des Art 6 Abs 2 EMRK nur für Strafverfahren. Der Zweck der Vorschrift ist es zu verhindern, dass jemandem eine Handlung als Wertverletzung durch das in der Bestrafung zum Ausdruck kommende sozialethische Unwerturteil vorgeworfen wird, bevor seine Schuld gesetzlich nachgewiesen ist. Deshalb ist die Unschuldsvermutung grundsätzlich nur im Strafverfahren und nicht in Verfahren vor den Zivilgerichten beachtlich ( Kühne in Karl , EMRK [2009] Art 6 Rz 417; vgl auch Szczekalla in Heselhaus/Nowak , Handbuch der Europäischen Grundrechte [2006] § 52 Rz 6; vgl weiters 6 Ob 235/11v).

3.3. Ihrer Verpflichtung zur Dartuung von Hinderungsgründen sind die Revisionsrekurswerber mit ihrem nicht weiter substanziierten Hinweis auf „entsprechende Bemühungen“ sowohl in ihren Einsprüchen als auch in den Rekursen gegen die Strafbeschlüsse nicht nachgekommen, was das Rekursgericht zutreffend erkannt hat. Dass die Erstellung des Jahresabschlusses für das Geschäftsjahr 2009/2010 überhaupt unmöglich sein soll, wird erstmals im Revisionsrekurs behauptet; dem steht damit das Neuerungsverbot des § 49 AußStrG entgegen.

4. Der Verweis der Revisionsrekurswerber auf das zwischenzeitig eingestellte Verfahren zur Löschung der Gesellschaft nach § 40 Abs 1 FBG ist nicht nachvollziehbar, behauptete doch dort die Gesellschaft bereits am , dass „der Jahresabschluss voraussichtlich kurzfristig vorgelegt werden“ würde; es seien „nur mehr einige Abklärungen erforderlich“. Aus dem „offenen Firmenbuch“, auf das sich der Revisionsrekurs ebenfalls beruft, ist jedoch nach wie vor das Fehlen des Jahresabschlusses 2009/2010 ersichtlich.

5. Mit den weiteren Ausführungen des Rekursgerichts hat sich der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 6 Ob 235/11v, in der über einen außerordentlichen Revisionsrekurs gegen eine im Wesentlichen idente Rekursentscheidung des Oberlandesgerichts Wien zu entscheiden war, eingehend auseinandergesetzt.