OGH vom 13.09.2012, 6Ob108/12v
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ. Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H***** Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Dr. Harald Beck und andere Rechtsanwälte in Eisenstadt, gegen die beklagte Partei Dr. G***** H*****, als Insolvenzverwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen der W***** GesmbH (AZ ***** des Handelsgerichts Wien), und deren Nebenintervenientin S***** GmbH, *****, vertreten durch Gruböck Lentschig Rechtsanwälte OG in Baden, wegen 36.340 EUR sA, über die außerordentliche Revision der Nebenintervenientin gegen das Zwischenurteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 3 R 65/11t 22, mit dem das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt vom , GZ 27 Cg 194/10p 17, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der außerordentlichen Revision wird Folge gegeben .
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben .
Die Rechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Mag. S***** S***** (kurz: Gesellschafterin) ist Alleingesellschafterin und Geschäftsführerin der W***** GesmbH, vormals Wo***** GesmbH (kurz: Schuldnerin), über deren Vermögen am das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Der Beklagte wurde zum Insolvenzverwalter bestellt (AZ ***** des Handelsgerichts Wien). Darüber hinaus war die Gesellschafterin ursprünglich Eigentümerin der Liegenschaft EZ ***** Grundbuch ***** (kurz: Liegenschaft). Diese Liegenschaft verkaufte die Gesellschafterin samt darauf mit festem Fundament erbautem Gebäude am an die Nebenintervenientin.
Bereits am hatte die Gesellschafterin mit der Schuldnerin (diese vertreten durch die Gesellschafterin) betreffend die Liegenschaft einen Mietvertrag auf die Dauer von 50 Jahren abgeschlossen, der (unter anderem) vorsah, dass die Vermietung zum Zweck der Errichtung eines Miet-, Wohn- und Geschäftsbaus durch die Schuldnerin erfolge. Die Schuldnerin sei berechtigt, auf dem Mietobjekt auf ihre Kosten und Gefahr ein Haus zu errichten, welches der Vermietung dienen soll. Die auf der Liegenschaft errichteten Bauwerke würden in der Absicht aufgeführt, dass sie nicht stets darauf stehen bleiben. Die Anlagen würden als Superädifikate iSd § 435 ABGB gelten. Eine Eintragung des Superädifikats im Grundbuch ist allerdings nicht erfolgt.
Die Schuldnerin hatte mit der Errichtung des Wohn- und Geschäftshauses auf der Liegenschaft im Jahre 2002 begonnen und es im ersten Halbjahr 2003 fertig gestellt. Zur Errichtung hatte die klagende Bank der Schuldnerin im Juni 2002 Kredit gewährt, wobei die Bank den Mietvertrag Beilage ./G gekannt hatte und davon ausgegangen war, dass es sich bei dem Gebäude auf der Liegenschaft um ein Superädifikat handeln würde. Zur Sicherstellung hatte einerseits die Gesellschafterin eine Wechselbürgschaft übernommen; andererseits hatte die Schuldnerin der Bank ein Pfandrecht am als Superädifikat bezeichneten Gebäude auf der Liegenschaft eingeräumt, wobei die Pfandbestellungsurkunde am bei Gericht hinterlegt wurde.
Es steht nicht fest, dass die Schuldnerin den vereinbarten Mietzins an die Gesellschafterin leistete oder dass die lukrierten Mietzinse aus dem Gebäude an die Schuldnerin flossen. Tatsächlich sollte das Wohn- und Geschäftshaus auf der Liegenschaft der Gesellschafterin als Altersvorsorge dienen.
Die klagende Bank begehrt unter Berufung auf das ihr eingeräumte Pfandrecht Zahlung von 36.340 EUR bei sonstiger Exekution in das Superädifikat; die Gesellschafterin habe dieses aufgrund seiner Sonderrechtsfähigkeit nicht zusammen mit der Liegenschaft an die Nebeninterventin verkaufen können.
Der Beklagte und die Nebenintervenientin wendeten ein, beim Mietvertrag Beilage ./G habe es sich um ein Scheingeschäft gehandelt; jedenfalls habe es nie an der Absicht gemangelt, das Gebäude auf der Liegenschaft zu belassen, weshalb ein Superädifikat nicht begründet worden, sondern das Gebäude Zugehör der Liegenschaft sei. Die Nebenintervenientin habe daran guten Glaubens Eigentum erworben.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab; beim von der Gesellschafterin im eigenen Namen und im Namen der Schuldnerin abgeschlossenen Mietvertrag habe es sich um ein unzulässiges Insichgeschäft gehandelt. Sonderrechtsfähigkeit des Gebäudes auf der Liegenschaft sei damit nicht wirksam begründet worden.
Das Berufungsgericht erkannte das Klagebegehren als dem Grunde nach zu Recht bestehend und ließ die ordentliche Revision nicht zu. In der Sache selbst meinte es soweit dies für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung ist , die Gesellschafterin und die Schuldnerin hätten nach § 435 ABGB wirksam die Sonderrechtsfähigkeit des Gebäudes vereinbart. Dafür sei ein Grundbuchsakt nicht erforderlich gewesen; der Eigentumserwerb sei vielmehr originär durch Bauführung erfolgt. Ebenso wenig erforderlich sei Entfernungsabsicht gewesen; vielmehr habe die Vereinbarung eines Heimfalls an die Gesellschafterin im Mietvertrag genügt.
Rechtliche Beurteilung
Die fristgerecht erhobene (1 Ob 145/02h [verstärkter Senat]) außerordentliche Revision der Nebenintervenientin ist zulässig, weil das Berufungsgericht die Rechtslage verkannt hat; sie ist auch berechtigt.
1. Nach § 435 ABGB sind Superädifikate (Überbauten) Bauwerke, die auf fremdem Grund in der Absicht aufgeführt sind, dass sie nicht stets darauf bleiben sollen (sofern sie nicht Zugehör eines Baurechts sind). Sie sind damit nicht Bestandteil der Liegenschaft, auf der sie errichtet wurden, sondern sonderrechtsfähig ( Mader in Kletečka/Schauer , ABGB-ON 1.00 [2010] § 435 Rz 3 uva).
2. Nach ständiger Rechtsprechung muss das Fehlen dieser Belassungsabsicht grundsätzlich äußerlich erkennbar sein, also durch das äußere Erscheinungsbild des Bauwerks (RIS-Justiz RS0011252). Nach den Feststellungen der Vorinstanzen („mit festem Fundament errichtetes Gebäude“) und den im Akt erliegenden Lichtbildern ist diese Voraussetzung nicht gegeben.
3.1. Darüber hinaus kann die fehlende Belassungsabsicht auch aus anderen Umständen erschlossen werden, so etwa aus den Rechtsverhältnissen, die zwischen dem Liegenschaftseigentümer und dem Erbauer bestehen. Es kann daher auch durch Parteieneinigung sonderrechtsfähige Bauwerke geben. Diese Parteieneinigung muss aber jedenfalls vor Entstehung des Bauwerks, also vor Baubeginn, erfolgt sein, wird doch das Bauwerk mit Baubeginn individualisiert. Eine nachträgliche Vereinbarung ist somit nicht mehr geeignet, aus einer rechtlich unselbstständigen eine rechtlich selbstständige Sache zu machen. Sind Bauwerke durch ihre Aufführung bereits Bestandteil des Grundstücks geworden, können sie später auch nicht einvernehmlich zu sonderrechtsfähigen Superädifikaten gemacht werden; maßgeblicher Zeitpunkt ist der Beginn der Arbeiten am Bauwerk (RIS-Justiz RS0012258 [T1]).
Nach den Feststellungen der Vorinstanzen begann die Schuldnerin mit der Errichtung des Wohn- und Geschäftshauses auf der Liegenschaft „im Jahre 2002“, der Mietvertrag Beilage ./G zwischen der Gesellschafterin und der Schuldnerin wurde am abgeschlossen (tatsächlich trägt die Beilage ./G das Datum ). Damit steht aber nicht fest, dass der Bau tatsächlich erst nach Vereinbarung der Sonderrechtsfähigkeit des zu errichtenden Bauwerks begonnen wurde.
3.2. Die Beweislast für die nach § 435 ABGB maßgebliche Absicht des Erbauers, das Gebäude nicht dauernd auf fremdem Grund zu belassen, trifft denjenigen, der sich auf die Superädifikatseigenschaft eines in fester und solider Bauweise ausgeführten Gebäudes beruft (RIS-Justiz RS0011246). Dies ist im vorliegenden Verfahren die Klägerin als Pfandgläubigerin der Schuldnerin, deren Pfandrecht auf dem errichteten Wohn- und Geschäftshaus nur dann Bestand haben könnte, wenn dieses tatsächlich sonderrechtsfähig war und daher nicht von der Schuldnerin zusammen mit der Liegenschaft an die Nebenintervenientin veräußert worden ist. Die Klägerin hat allerdings im gesamten erstinstanzlichen Verfahren nie behauptet, dass der Baubeginn erst nach Errichtung des Mietvertrags erfolgt wäre. Selbst in der Revisionsbeantwortung meint die Klägerin lediglich, der Bestandvertrag sei „vor Errichtung des Bauwerks“ abgeschlossen worden, ohne dazu nähere Angaben zu machen; dass das Erstgericht eine diesbezügliche Feststellung getroffen hätte (wie dies in der Revisionsbeantwortung behauptet wird), ist aktenwidrig.
4. Damit ist die Klägerin an sich der ihr obliegenden Beweispflicht zum tatsächlichen Baubeginn nicht nachgekommen, weshalb die sich diesbezüglich ergebenden Unklarheiten zu ihren Lasten gingen. Allerdings hat das Erstgericht die Frage des tatsächlichen Baubeginns mit den Parteien nicht erörtert und so der Klägerin nicht die Möglichkeit gegeben, entsprechendes Vorbringen zu erstatten. Dies wird das Erstgericht im fortzusetzenden Verfahren nachzuholen und sodann Feststellungen zum tatsächlichen Baubeginn und zum tatsächlichen Zeitpunkt des Abschlusses der in Beilage ./G dokumentierten Vereinbarung zu treffen haben.
5. Die Klägerin hat sich weder im Verfahren erster Instanz noch im Berufungsverfahren auf die Behauptung gestützt, sie habe selbst bei Nichtvorliegen der „Superädifikatseigenschaft“ des Bauwerks gemäß § 456 ABGB gutgläubig ein Pfandrecht am Bauwerk erworben, weil die Schuldnerin bei der Pfandbestellung mit Ermächtigung der Gesellschafterin gehandelt habe; auf diese erstmals in der Revisionsbeantwortung aufgestellte Behauptung braucht somit derzeit nicht näher eingegangen zu werden. Sollte die Klägerin nunmehr im fortzusetzenden Verfahren derartiges Vorbringen erstatten, kann jedoch bereits jetzt auf die Aussagen der im Jahr 2002 mit der Sache befassten Mitarbeiter der Klägerin hingewiesen werden, wonach diese damals maßgeblich in die Ausgestaltung der konkreten rechtlichen Konstruktion, die offensichtlich der Steuerersparnis gedient haben dürfte, (zumindest) eingebunden war. Die Annahme ihrer Gutgläubigkeit dahin, dass es sich beim Bauwerk tatsächlich um ein rechtswirksam begründetes Superädifikat handelte, bedürfte vor diesem Hintergrund einer besonderen Begründung.
6. Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf § 52 ZPO.