OGH vom 28.06.2016, 2Ob111/16m
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Veith und Dr. Musger, die Hofrätin Dr. E. Solé sowie den Hofrat Dr. Nowotny als weitere Richter in der Pflegschaftssache der minderjährigen S***** B*****, geboren am ***** 2001, aus Anlass des außerordentlichen Revisionsrekurses der Antragsteller 1. E***** B***** und 2. A***** B*****, vertreten durch Dr. Nikolaus Schirnhofer, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt als Rekursgericht vom , GZ 16 R 268/15y S 767, womit infolge Rekurses der Antragsteller der Beschluss des Bezirksgerichts Mödling vom , GZ 2 P 47/08k S 689, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Akten werden dem Erstgericht mit dem Auftrag zurückgestellt, vorerst über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu entscheiden.
Text
Begründung:
Das Erstgericht wies den Kontaktrechtsantrag der Antragsteller (Onkel und Tante der Minderjährigen) ab.
Die Antragsteller erhoben gegen diese Entscheidung Rekurs. In ihrem Rechtsmittel lehnten sie die für die Pflegschaftssache zuständige Richterin wegen Befangenheit ab. Der Vorsteher des Bezirksgerichts Mödling wies den Ablehnungsantrag mangels inhaltlicher Berechtigung zurück. Auch dagegen erhoben die Antragsteller Rekurs.
Das Rekursgericht entschied über beide Rekurse gemeinsam. Es bestätigte die erstinstanzlichen Beschlüsse und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs gegen den im Pflegschaftsverfahren ergangenen Beschluss nicht zulässig und der Revisionsrekurs gegen den im Ablehnungsverfahren ergangenen Beschluss jedenfalls unzulässig sei.
Die zweitinstanzliche Entscheidung wurde dem rechtsfreundlichen Vertreter der Antragsteller im elektronischen Rechtsverkehr zugestellt, wobei nach dem aktenkundigen ERV Zustellnachweis der Zustellungszeitpunkt gemäß § 89d Abs 2 GOG auf den fiel.
Mit ihrem erst am eingebrachten und somit verspäteten außerordentlichen Revisionsrekurs , der sich gegen beide Spruchpunkte der Rekursentscheidung richtet, verbanden die Antragsteller den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Rechtsmittelfrist.
Dieser Antrag wurde vorerst (nur) im Ablehnungsverfahren bewilligt. Mit Beschluss vom , 2 Ob 34/16p, wies der Oberste Gerichtshof das Rechtsmittel, soweit es sich als „außerordentlicher Revisionsrekurs“ gegen die in der Ablehnungssache ergangene Entscheidung richtete, als absolut unzulässig zurück.
Im Pflegschaftsverfahren wurde über den Wiedereinsetzungsantrag bisher noch nicht entschieden. Das Erstgericht lud zwar den rechtsfreundlichen Vertreter der Antragsteller zur Einvernahme, die es auch durchführte, und stellte der Mutter der Minderjährigen den Antrag sowie die Protokollsabschrift zur Äußerung zu. Eine Entscheidung über den Antrag steht aber noch aus.
Mit Eingabe vom übermittelte der rechtsfreundliche Vertreter der Antragsteller dem Erstgericht eine Abschrift des bereits aktenkundigen, gemeinsam mit dem Wiedereinsetzungsantrag eingebrachten außerordentlichen Revisionsrekurses. Ein Grund für diese Vorgangsweise lässt sich dem Akt nicht entnehmen. Das Erstgericht sah sich dadurch jedoch veranlasst, das Rechtsmittel dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung vorzulegen.
Rechtliche Beurteilung
Die Rechtsmittelvorlage erfolgte verfrüht.
Nach ständiger Rechtsprechung steht es jeder Partei frei, dem Gericht eine Reihenfolge der Erledigung ihrer Sach- und Rechtsmittelanträge durch die Bezeichnung als Haupt- und Eventualanträge vorzugeben. Nur wenn eine Partei keine ausdrückliche Reihung ihrer Anträge vornimmt, ist grundsätzlich zunächst über das den weitergehenden Schutz gewährende Rechtsmittel zu entscheiden (2 Ob 222/12d mwN).
Im vorliegenden Fall ergibt sich die eindeutige Reihung schon daraus, dass das Rechtsmittel ohne die vorherige Bewilligung der Wiedereinsetzung zunächst als verspätet zurückgewiesen werden müsste, was trotz der Rechtsfolgen des § 150 Abs 1 ZPO (hier iVm § 21 AußStrG) erkennbar nicht im Interesse des Wiedereinsetzungswerbers liegt. Die Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag ist jener über das gleichzeitig nachgeholte Rechtsmittel logisch vorgeordnet.
Das Erstgericht wird daher zunächst über den Wiedereinsetzungsantrag zu entscheiden haben (§ 21 AußStrG).
European Case Law Identifier
ECLI:AT:OGH0002:2016:0020OB00111.16M.0628.000