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OGH vom 30.09.2009, 3Ob166/09x

OGH vom 30.09.2009, 3Ob166/09x

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie die Hofräte und Hofrätinnen Hon.-Prof. Dr. Sailer, Dr. Lovrek, Dr. Jensik und Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dipl.-Ing. Bob K*****, vertreten durch Mag. Franz Kellner, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei G***** AG, *****, vertreten durch Mag. German Bertsch, Rechtsanwalt in Feldkirch, wegen restlichen 30.992,05 EUR sA (Revisionsinteresse 15.886,76 EUR sA), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom , GZ 4 R 93/09x-54, womit über Berufung der klagenden Partei das Endurteil des Landesgerichts Feldkirch vom , GZ 5 Cg 97/06d-49, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Der Kläger war als selbständiger Handelsvertreter für die beklagte Partei, die Textilien herstellt, in Kanada tätig. Mündlich vereinbarten die Parteien eine Provision von fünf Prozent für alle direkten und indirekten Verkäufe. Nachdem der Hauptkunde der beklagten Partei den Wunsch geäußert hatte, ohne Einschaltung eines Handelsvertreters direkt mit der beklagten Partei zusammenzuarbeiten, schlug die beklagte Partei dem Kläger am eine Reduktion der Provision auf ein Prozent für von ihr direkt mit dem Hauptkunden geschlossene Verträge vor. Der Kläger lehnte ab. Die beklagte Partei kündigte das auf unbestimmte Zeit geschlossene Vertragsverhältnis mit Schreiben vom fristwidrig zum (statt zum ) auf.

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist ausschließlich der vom Kläger geltend gemachte Schadenersatzanspruch gemäß § 23 HVertrG für entgangene Provisionen aus seit getätigten Geschäftsabschlüssen der beklagten Partei mit dem Hauptkunden.

Rechtliche Beurteilung

In seiner außerordentlichen Revision gegen die dieses Begehren abweisende Entscheidung des Berufungsgerichts zeigt der Kläger keine erheblichen Rechtsfragen im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf:

1. Gemäß § 23 Abs 1 HVertrG kann der andere Teil, wenn das Vertragsverhältnis - wie hier - fristwidrig (§ 23 Abs 1 letzter Satz HVertrG) aufgelöst wurde, die Erfüllung des Vertrags oder den Ersatz des ihm verursachten Schadens verlangen. Als Bemessungsgrundlage dient dabei jener Verdienstentgang, der nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge bis zu jenem Zeitpunkt zu erwarten war, zu dem das Vertragsverhältnis ordnungsgemäß hätte beendet werden können (RIS-Justiz RS0062465; 8 ObA 2083/96y).

2. Gemäß § 11 Abs 1 Z 1 HVertrG gebührt dem Handelsvertreter für Geschäfte, die nach Beendigung des Vertragsverhältnisses zustande gekommen sind, eine Provision, soweit das Geschäft überwiegend auf seine Tätigkeit während des Vertragsverhältnisses zurückzuführen ist und der Abschluss innerhalb einer angemessenen Frist nach Beendigung des Vertragsverhältnisses zustande gekommen ist.

Richtig ist nun, dass höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Auslegung des § 11 Abs 1 Z 1 HVertrG fehlt. Trotz Fehlens einer ausdrücklichen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs liegt jedoch dann keine erhebliche Rechtsfrage vor, wenn das Gesetz selbst eine klare, das heißt eindeutige, Regelung trifft (RIS-Justiz RS0042656), deren Auslegung auch im Schrifttum nicht in Zweifel gezogen wird (Zechner in Fasching/Konecny² IV/1 § 502 Rz 47 mwN).

Das ist hier der Fall: Aus dem klaren Wortlaut des § 11 Abs 1 Z 1 HVertrG (Erfordernis der „überwiegenden" Tätigkeit) ergibt sich, dass die Bestimmung auf Bezirksprovisionen, also Provisionen für Geschäfte zwischen dem Unternehmer und Kunden, die in dem dem Handelsvertreter zugewiesenen Gebiet ansässig sind (Petsche/Petsche-Demmel, Handelsvertretergesetz [2008] § 8 Rz 7; Nocker, Kommentar zum Handelsvertretergesetz [2009] § 8 Rz 86), nicht anzuwenden ist (Petsche/Petsche-Demmel aaO § 11 Rz 10; Nocker aaO § 11 Rz 13).

Diese Auslegung korreliert auch mit § 8 Abs 3 und 4 HVertrG, wonach dem Handelsvertreter im Zweifel für während der Dauer des Vertragsverhältnisses geschlossene Geschäfte eine Provision gebührt, die ohne seine unmittelbare Mitwirkung zwischen ihm zugewiesenen oder von ihm zugeführten Kunden und dem Unternehmer (Abs 3) zustande kamen bzw bei Gebiets- oder Kundenschutz für Direktabschlüsse zwischen Unternehmer und Kunden (Abs 4).

Dass in Ansehung des Hauptkunden Geschäftsabschlüsse nach nicht auf eine „überwiegende" Tätigkeit des Klägers zurückzuführen sind, ist nicht zweifelhaft, weil der Hauptkunde bereits ab Herbst 2005 nur noch direkt mit der beklagten Partei in Kontakt treten wollte. Für bis erfolgte Geschäftsabschlüsse wurden dem Kläger - infolge fristwidriger Kündigung der beklagten Partei - ohnedies aus dem Titel des Schadenersatzes Provisionen für „indirekte" Geschäfte zugesprochen.

3. Der Kläger kann sich aber auch nicht auf die mit der beklagten Partei getroffene Provisionsvereinbarung für „indirekte" Geschäfte berufen: Dabei handelt es sich um den typischen Fall einer „Bezirksprovision", die aus den dargelegten Gründen infolge der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung in § 11 Abs 1 Z 1 HVertrG nur für Geschäftsabschlüsse bis zur Vertragsbeendigung (hier aufgrund der gesetzlichen Kündigungsfrist am ), gebührt.

Nun ist denkbar, dass die Parteien eines Handelsvertretervertrags eine - von der dispositiven Bestimmung (Nocker, Der Handelsvertretervertrag [2000] Rz 242; Petsche/Petsche-Demmel aaO § 11 Rz 2) des § 11 Abs 1 HVertrG - abweichende Vereinbarung treffen. Hier bestehen allerdings keine Anhaltspunkte dafür, dass die Provisionsvereinbarung für „indirekte" Geschäfte auch für die Zeit nach Vertragsbeendigung wirken sollte. Es wurde lediglich der Prozentsatz für Provisionen im Sinn des § 8 Abs 3 und 4 HVertrG vertraglich vereinbart.

4. Schließlich trifft auch der Vorwurf nicht zu, die beklagte Partei habe den Kläger „vertragswidrig" der Möglichkeit beraubt, Provisionen für direkt zwischen dem Hauptkunden und der beklagten Partei geschlossene Geschäfte zu erwirtschaften:

Gerade aus der zwischen den Parteien getroffenen Provisionsvereinbarung auch für „indirekte" Geschäfte ist abzuleiten, dass der Kläger keinen Rechtsanspruch darauf hatte, dass die beklagte Partei keine Direktgeschäfte schließt. Für „indirekte" Geschäfte gebührte ihm ohnedies Provision. Nach den Feststellungen entsprach eine unmittelbare Zusammenarbeit mit der beklagten Partei dem Wunsch des Hauptkunden. Davon, dass die beklagte Partei den Kläger rechtswidrig gehindert hätte, selbst Geschäftsabschlüsse mit dem Hauptkunden zu tätigen, welches Verhalten zum Ersatz eines vom Kläger als „anderer" Schaden bezeichneten Provisionsentgangs (gemeint: Provisionen für nach Beendigung des Vertragsverhältnisses zustande gekommene Geschäfte mit dem Hauptkunden) führen könnte, ist daher nicht auszugehen.