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OGH vom 24.06.2010, 6Ob108/09i

OGH vom 24.06.2010, 6Ob108/09i

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ. Prof. Dr. Kodek sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Tarmann-Prentner als weitere Richter in der Firmenbuchsache der A***** I***** C***** AG, FN *****, mit dem Sitz in W*****, wegen Eintragung einer Kapitalerhöhung, über den Revisionsrekurs der Gesellschaft, vertreten durch ihr Vorstandsmitglied U***** C*****, vertreten durch Mag. Georg Strommer, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom , GZ 6 R 46/09s 11, mit dem der Beschluss des Landesgerichts Wels vom , GZ 27 Fr 5178/08k 6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Firmenbuchsache wird an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung über den Eintragungsantrag nach Durchführung eines Verbesserungsverfahrens zurückverwiesen.

Text

Begründung:

Am fasste der Alleinaktionär der Aktiengesellschaft in einer außerordentlichen Hauptversammlung den Beschluss auf Erhöhung des Grundkapitals von 70.000 EUR um 1.930.000 EUR auf 2.000.000 EUR. Die Erhöhung sollte zur Gänze durch Einbringung der Geschäftsanteile des Alleinaktionärs an einer tschechischen Gesellschaft mit beschränkter Haftung (s.r.o.) aufgebracht werden. Gleichzeitig wurde die Anpassung der Satzung durch Neufassung ihres § 4 betreffend die Höhe des Stammkapitals beschlossen.

Mit Vertrag vom wurde der einzubringende Gesellschaftsanteil an die Aktiengesellschaft übertragen, diese veräußerte ihn bereits am zur Gänze weiter.

Mit ihrem am beim Erstgericht eingebrachten Antrag begehrt die Aktiengesellschaft die Eintragung des Beschlusses vom und der Durchführung der Kapitalerhöhung durch Sacheinlage sowie Eintragung der Satzungsänderung. Nach dem mit der Anmeldung vorgelegten Prüfbericht einer Wirtschaftstreuhandgesellschaft wurde die Übertragung des Geschäftsanteils an die Aktiengesellschaft im Mai 2007 im Handelsregister des tschechischen Gerichts eingetragen; der beim Weiterverkauf dieses Geschäftsanteils im Oktober 2007 erzielte Erlös, zusammen mit einer der Aktiengesellschaft zugeflossenen Gewinnausschüttung der s.r.o. und einer baren Zuzahlung des Alleinaktionärs von 250.000 EUR, übersteigt nach diesem Prüfbericht insgesamt den Wert der Gegenleistung der Aktiengesellschaft aufgrund des Beschlusses über die Kapitalerhöhung.

Mit dem ebenfalls vorgelegten Zeichnungsschein vom erklärte der Alleinaktionär, 1.930.000 Inhaberaktien der Aktiengesellschaft zu zeichnen und sich zu verpflichten, den Nominalbetrag der übernommenen Aktien durch Einbringung der ihm zur Gänze gehörigen Geschäftsanteile an der s.r.o. sowie Bezahlung von 250.000 EUR aufzubringen.

Aufgrund eines Verbesserungsauftrags des Erstgerichts wurde die Eingabe am durch Vorlage der Erklärung, dass (Anm.: nicht mehr die Sacheinlage, sondern) das ihren Wert ersetzende Bargeld sowie die ergänzende Bareinzahlung des Alleinaktionärs endgültig zur freien Verfügung des Vorstands stünden, berichtigt. Eine Bankbestätigung gemäß § 29 Abs 1 AktG wurde nur über den Aufzahlungsbetrag von 250.000 EUR vorgelegt.

Das Erstgericht wies den Antrag ab. Gemäß §§ 28 ff, § 155 Abs 2 AktG hätten die Anmeldepflichtigen in der Anmeldung zu erklären, dass die Sacheinlage in der freien Verfügung der Gesellschaft stehe. Eine solche Erklärung habe hier wegen des Verkaufs der Sacheinlage nicht mehr abgegeben werden können. Der Besitz des Wertäquivalents rechtfertige keine Kapitalerhöhung durch Sacheinlage. In diesem Fall käme nur eine Bareinlage in Frage, wofür die entsprechenden Bestimmungen (Bestätigung eines Kreditinstituts) einzuhalten wären. Eine teilweise Stattgebung, nämlich Eintragung einer Kapitalerhöhung durch Bareinzahlung von 250.000 EUR, sei durch den Beschluss der Hauptversammlung, der zur Gänze aus Sacheinlage laute, nicht gedeckt.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss. In der österreichischen Literatur werde davon ausgegangen, dass alle als Sacheinlagen zu leistenden Vermögensgegenstände zum Zeitpunkt der Anmeldung zur freien Verfügung des Vorstands stehen müssen. Der vor Antragstellung erfolgte Weiterverkauf der Sacheinlage hindere daher die Bewilligung der begehrten Eintragungen. Es käme einer Umgehung der Vorschriften für eine Kapitalerhöhung durch Bareinlage gleich, die bloße Erklärung der Anmeldenden über die Verfügbarkeit des Wertäquivalents für die Eintragung genügen zu lassen.

Das Rekursgericht erklärte den Revisionsrekurs gemäß § 62 Abs 1 AußStrG für zulässig, weil zur Frage, ob der Verkauf der Sacheinlage vor Erstattung der Anmeldungen nach § 151 Abs 1, § 155 Abs 1 AktG der Eintragung der Kapitalerhöhung entgegensteht, höchstgerichtliche Judikatur fehle.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus den vom Rekursgericht dargelegten Gründen zulässig und im Ergebnis im Sinne des Eventualantrags auf Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen berechtigt.

1. Entgegen der vom Revisionsrekurswerber gewählten Gliederung seines Rechtsmittels in Mängel und Rechtsrüge wird darin keine Mangelhaftigkeit des „Berufungsverfahrens“ (gemeint: Rekursverfahrens) geltend gemacht. Sowohl mit der Behauptung, „das Berufungsgericht“ (Rekursgericht) sei in seiner Begründung nicht auf alle von der „beklagten Partei“ (wohl gemeint: Rekurswerber) zitierten Literaturstellen hinreichend eingegangen, wie auch mit der Frage, welche Gründe einer Eintragung der Änderung des § 4 der Satzung über die Höhe des Stammkapitals bei Abweisung der korrespondierenden Eintragung der Kapitalerhöhung entgegenstehen, werden keine Verfahrensfragen angesprochen, sondern wird nur eine andere rechtliche Beurteilung des Sachverhalts angestrebt.

2. Für die Anmeldung der Durchführung einer Kapitalerhöhung der Aktiengesellschaft zur Eintragung im Firmenbuch gelten nach § 155 Abs 2 AktG § 28 Abs 2, § 28a und § 29 Abs 1 AktG sinngemäß. Die Anmeldung darf nach § 28 Abs 2 Z 2 AktG erst erfolgen, wenn Vermögensgegenstände, die nach der Satzung als Sacheinlagen zu leisten sind, zur freien Verfügung des Vorstands stehen. Gemäß § 29 Abs 1 AktG ist in der Anmeldung die Erklärung abzugeben, dass die Voraussetzungen des § 28 Abs 2 und des § 28a AktG erfüllt sind.

Nach der herrschenden Lehre müssen die Voraussetzungen des § 28 Abs 2 AktG im Zeitpunkt der Anmeldung der Durchführung der Kapitalerhöhung vorliegen, zumal Zweck dieser Bestimmung die effektive Aufbringung des Grundkapitals und die Verhinderung von bloß zum Schein durchgeführten oder temporär beabsichtigten Einlageleistungen, die nach der Anmeldung wieder zurückerstattet werden sollen, sind ( Heidinger in Jabornegg/Strasser , AktG 4 § 28 Rz 12 mwN) und gemäß § 156 AktG erst die Eintragung der Durchführung der Erhöhung des Grundkapitals konstitutiv wirkt ( Nagele/Lux in Jabornegg/Strasser , AktG 5 § 156 Rz 4).

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bewertung der Sacheinlage ist für das Gericht grundsätzlich der Tag der Anmeldung zum Firmenbuch nach § 151 AktG; unabhängig von dieser Prüfung hat das Gericht das Vorliegen der Eintragungsvoraussetzungen nach § 151 Abs 3 AktG auch bei Eintragung der Durchführung der Kapitalerhöhung (§ 155 AktG) erneut und ohne Bindung an sein vorheriges Prüfergebnis zu prüfen. Das Gericht kann sich bei seiner eigenständigen Prüfung auf die bei Anmeldung eingereichten Unterlagen und abgegebenen Erklärungen grundsätzlich verlassen, hat jedoch Unvollständigkeiten, Widersprüchlichkeiten und allenfalls ihm zwischenzeitig bekannt gewordene, insbesondere wertmindernde Tatsachen aufzugreifen ( Nagele/Lux in Jabornegg/Strasser aaO § 150 Rz 22 mwN).

Den Vorinstanzen ist daher beizupflichten, dass die Erklärungen und Nachweise über die freie Verfügbarkeit der Einlagen nicht, wie es dem Standpunkt des Revisionsrekurses entspräche, nur für die Vergangenheit gültig sein müssen, sondern aktuell den Tatsachen zu entsprechen haben.

3. Ist ein Kapitalerhöhungsbetrag als Bareinlage zu leisten, werden Verfügungen darüber vor Anmeldung dann für zulässig erachtet, wenn sie werterhaltend sind und weder den Tatbestand einer Rückgewähr, noch den einer verdeckten Sacheinlage erfüllen ( Winner in Doralt/Nowotny/Kalss , AktG § 155 Rz 20 mwN).

Ob die im Revisionsrekurs zitierte Rechtsprechung des dBGH, derzufolge auch der Verbrauch eines bar zu leistenden Erhöhungsbetrags vor der Anmeldung der Durchführung nicht schade, sofern die Einlage nur zeitlich nach dem Kapitalerhöhungsbeschluss in den unbeschränkten Verfügungsbereich der Verwaltung gelangt sei (BGH AG 2002, 456 = NZG 2002, 522; zust auch Nagele/Lux aaO § 155 Rz 3 und Winner aaO Rz 21) überhaupt auf Sacheinlagen übertragen werden kann, steht im vorliegenden Fall insofern nicht in Frage, als kein Verbrauch, sondern der Austausch des Sachwerts gegen Geldmittel zu beurteilen ist. Das gegenständliche Revisionsrekursverfahren bietet deshalb auch keinen Anlass, auf diese Fragen näher einzugehen.

4. Werterhaltende Verfügungen über erbrachte Sacheinlagen vor Anmeldung der Durchführung der Kapitalerhöhung begegnen aus dem Blickwinkel der realen Kapitalaufbringung grundsätzlich keinen gravierenderen Bedenken als vorzeitige, ebenfalls werterhaltende Verfügungen über Bareinlagen. Wesentlich ist in beiden Fällen, dass dem erhöhten Nennkapital zumindest im Zeitpunkt der Anmeldung auch tatsächlich ein entsprechender Wert im Gesellschaftsvermögen gegenübersteht.

Dies gilt auch bei vorzeitiger Veräußerung der Sacheinlage gegen Geld. Die Eintragung einer derartigen Kapitalerhöhung bleibt auch vom Beschluss der Hauptversammlung gedeckt, weil die ausschließliche Sacheinlageverpflichtung im Innenverhältnis genauso unberührt bleibt wie die Verpflichtung des Einbringers zur baren Deckung einer allfälligen Wertdifferenz (vgl Nagele/Lux aaO § 150 Rz 25).

5. Im gegenständlichen Verfahren entsprach die Erklärung der Anmelder, die eingebrachte Beteiligung stehe in der freien Verfügung des Vorstands, zum maßgeblichen Zeitpunkt nicht mehr den Tatsachen. Die Eintragungsfähigkeit der Kapitalerhöhung aufgrund der verbesserten Erklärungen über die freie Verfügbarkeit des Kaufpreises, des Gewinnanteils und der Aufzahlung des Alleinaktionärs kann aber nur dann den Voraussetzungen des § 29 Abs 1 AktG genügen, wenn das Vorhandensein des Gegenwerts im für die Wirksamkeit der Kapitalerhöhung maßgeblichen Zeitpunkt, jedenfalls bei Anmeldung, hinreichend nachgewiesen wird. Dieses Bedürfnis wird umso augenfälliger, wenn wie im vorliegenden Fall allein zwischen der Wiederveräußerung der Sacheinlage und der Anmeldung der Kapitalerhöhung bereits mehr als ein Jahr verstrichen ist.

Nach § 29 Abs 1 S 3 AktG, der mit GesRÄG 2004 explizit als Ausgleich für die eingeschränkte externe Gründungsprüfung, ähnlich den Bestimmungen des GmbH Rechts, gefasst wurde, ist der Nachweis der freien Verfügung über eingezahlte Barbeträge durch die schriftliche Bestätigung eines Kreditinstituts zu führen. Vom eingezahlten Betrag beglichene Abgaben, Kosten und Gebühren sind gesondert zu belegen. Aus dem Blickwinkel der Sicherung der realen Kapitalaufbringung und des Ausschlusses einer Einlagenrückgewähr besteht kein Anlass, bei vorzeitiger Veräußerung der Sacheinlage einen geringeren Maßstab der Nachweispflicht für das Vorhandensein des wertersetzenden Kapitals anzulegen. Den Vorinstanzen ist daher beizupflichten, dass auch hinsichtlich dieses Kapitalsbetrags (abzüglich allfälliger Gebühren, Kosten und Abgaben iSd § 29 Abs 1 AktG) die freie Verfügbarkeit durch die Bestätigung eines Kreditinstituts nachzuweisen gewesen wäre.

6. Nach § 17 FBG hat das Gericht, wenn eine Anmeldung zur Eintragung in das Firmenbuch unvollständig ist oder der Eintragung ein sonstiges behebbares Hindernis entgegensteht, dem Antragsteller die Behebung des Mangels aufzutragen, erforderlichenfalls die hiefür notwendigen Anleitungen zu geben und eine angemessene Frist zu setzen. Ausgehend von seiner vom Obersten Gerichtshof nicht geteilten Rechtsansicht, allein schon die Veräußerung der eingelegten Sache stehe der begehrten Eintragung der Kapitalerhöhung entgegen, hat das Erstgericht den Anmeldern keine Gelegenheit eingeräumt, ihre Eingabe durch die Vorlage einer aktuellen Bestätigung eines Kreditinstituts über die freie Verfügbarkeit (auch) des Verkaufserlöses und der Gewinnausschüttung zu verbessern. Dies wird im fortgesetzten Verfahren noch nachzuholen sein. Im Hinblick auf die besonders lange Verfahrensdauer wird sich diese Bestätigung nicht auf den im Normalfall maßgeblichen Tag der Anmeldung zu beziehen haben, sondern auf die jetzt aktuelle Situation.