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OGH vom 01.12.1965, 2Ob407/65

OGH vom 01.12.1965, 2Ob407/65

Norm

Allgemeines Grundbuchsanlegungsgesetz § 43;

Kopf

SZ 38/206

Spruch

Eine im Richtigstellungsverfahren unterlassene Anfechtung kann den materiell Berechtigten nicht hindern, sein Recht im ordentlichen Rechtsweg geltend zu machen

Entscheidung vom , 2 Ob 407/65

I. Instanz: Bezirksgericht Lienz; II. Instanz: Landesgericht Innsbruck

Text

Der Kläger ist Eigentümer der Liegenschaft EZ. X. Er behauptet, mit dieser Liegenschaft sei seit unvordenklichen Zeiten das Holz- und Streubezugsrecht zu einem Drittel an der gesamten der Gemeinde A. gehörigen Grundparzelle 59 der EZ. Y. verbunden. Laut Grundbuchsmappe sei diese Parzelle in einen Teil "a" und einen Teil "b" untergeteilt. Laut Eintragungen im Grundbuch habe im Teil b Erich K. bzw. dessen Rechtsvorgänger das Holz- und Streubezugsrecht gehabt, K. habe aber davon nichts gewußt, sondern es sei dieses Recht an der ganzen Parzelle von den Rechtsvorgängern des Klägers und den Eigentümern anderer Liegenschaften R., P. und Z. ausgeübt worden. Der Kläger habe die Nutzungsrechte der anderen Liegenschaften R. und Z. erworben, so daß ihm jetzt da Nutzungsrecht zu 5/6 an der ganzen Parzelle 59 zustehe. Im Sommer 1963 habe Erich K. sein bloß im Grundbuch eingetragenes Nutzungsrecht am Teil b der Parzelle 59 an den Beklagten verkauft. Der Beklagte habe bei Abschluß dieses Kaufvertrages gewußt, daß K, und dessen Rechtsvorgänger das Nutzungsrecht nie ausgeübt haben, daß dieses Recht vielmehr auf der ganzen Parzelle immer von den oben genannten Liegenschaftsbesitzern ausgeübt worden sei. Der Kläger begehrt daher, den Beklagten schuldig zu erkennen, in die Übertragung des Nutzungsrechtes zu 5/6 auch am Teil b der Grundparzelle 59 an ihn einzuwilligen, allenfalls die Feststellung, daß diese Dienstbarkeit zugunsten seiner Liegenschaft zu Recht bestehe. Im Zuge des Rechtsstreites stellte er auch den Zwischenantrag, festzustellen, daß die Unterteilung der Grundparzelle 59 in einen Teil a und b nicht zu Recht erfolgt sei.

Das Erstgericht wies das Haupt- und das Eventualbegehren sowie das Feststellungsbegehren ab. Es stellte fest, für die Gemeinde A. habe im Jahre 1908 die Grundbuchsanlegung begonnen und es sei am das Grundbuch eröffnet worden. Auf Grund des Anlegungsverfahrens sei für die Liegenschaft "Z." und "P." das Holz- und Streubezugsrecht am Teil ä der Grundparzelle 59 zu je einem Sechstel, für die Liegenschaft "X." und "R." zu je zwei Sechsteln eingetragen worden, während diese Bezugsrechte für die Liegenschaft EZ. L. am Teil b der Grundparzelle 59 eingetragen worden seien. Die Nutzungsrechte seien ausdrücklich auf Grund der Ersitzung eingetragen worden. Dem Grundbuchsanlegungsprotokoll sei eine von einem Geometer im Maßstab 1 : 2880 angefertigte Planskizze angeschlossen und eine eigene Skizze für die Grundparzelle 59 angefertigt worden, worin die Unterteilung in a und b aufscheint. Das Protokoll sei vom Gemeindevorsteher und verschiedenen Vertrauensleuten, darunter den Rechtsvorgängern des Klägers und des Beklagten, unterfertigt worden. Nachträgliche Anmeldungen und Widersprüche seien innerhalb der Ediktalfrist nicht erhoben worden. Heute scheine in der Grundbuchsmappe eine solche Unterteilung nicht auf und sei in der Natur auch nicht genau erkennbar, es scheine überhaupt keine Grundparzelle 59 mehr auf, sondern nur noch eine Grundparzelle 59/1 Wald und eine Grundparzelle 59/2 Weide.

Rechtlich folgerte das Erstgericht, die Grundbuchseintragungen auf Grund des Grundbuchsanlegungsprotokolles hätten rechtsbegrundend gewirkt, eine Dienstbarkeit des Klägers auf dem Teil b der Grundparzelle 59 habe damit zu bestehen aufgehört und sei spätestens gleichzeitig mit der Grundbuchseintragung () das Nutzungsrecht der Liegenschaftseigentümer K. entstanden. Gemäß § 2

(1) des Tiroler Landesgesetzes vom , LGBl. Nr. 21/52, könnten derartige Nutzungsrechte nicht mehr ersessen werden. Nur solche, die bereits vor dem 14. Juli 1853 ersessen waren, würden nicht berührt. Eine Verjährung von Nutzungsrechten durch Nichtausübung finde nicht statt. Der Kläger habe nicht nachweisen können, daß die Nutzungsrechte am Teil b der Grundparzelle 59 schon vor dem 14. Juli 1853 ersessen worden seien, nachher sei aber eine Ersitzung nicht mehr möglich gewesen. Das Feststellungsbegehren sei nicht berechtigt, weil sich die Unterteilung der Grundparzelle 59 aus dem Grundbuchsanlegungsprotokoll eindeutig ergebe. Der Kläger begehre auch Feststellungen und Grundbuchseintragungen hinsichtlich einer Parzelle 59, die gar nicht mehr bestehe, weil sie bereits 1954 in die Grundparzellen 59/1 und 59/2 untergeteilt worden sei, sein Urteilsbegehren könnte daher exekutiv nicht durchgesetzt werden.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 15.000 S übersteige. Es führte aus, der Kläger bekämpfe das Ersturteil nicht, soweit es seinen Feststellungsantrag abgewiesen habe, in diesem Punkt sei das Ersturteil daher rechtskräftig geworden. Die Grundparzelle 59 mit einem Teil a und b bestehe nicht mehr, sondern es bestunden nur noch die Grundparzellen 59/1 und 59/2. Das Begehren des Klägers, die Dienstbarkeit des Holz- und Streunutzungsrechtes an dem Teil b der Grundparzelle 59 einzuverleiben, sei daher exekutiv nicht durchsetzbar. Es sei aber auch deshalb zu unbestimmt und nicht exekutionsfähig, weil die Grenze zwischen den Teilen a und b der ehemaligen Grundparzelle 59 nicht feststehe und diese Teile nicht mit den jetzigen Grundparzellen 59/1 und 59/2 identisch seien. Das Ersturteil sei daher schon aus diesen Gründen zu bestätigen und erübrige es sich, auf die einzelnen Berufungsgrunde einzugehen.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten Folge, hob die Urteile der Gerichte erster und zweiter Instanz auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Gericht erster Instanz zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

In der Rechtsrüge bekämpft der Kläger die Ansicht der Untergerichte, eine Ersitzung könne erst nach der Anlegung des Grundbuches, also nach dem , beginnen, weil früher entstandene Rechte durch die widerspruchslosen Eintragungen im Grundbuch erloschen seien. Sein bereits vor 1853 ersessenes Recht habe durch die Grundbuchsanlegung nicht beseitigt werden können. Darüber, daß er sein Nutzungsrecht aber schon vor 1853 ersessen habe, haben die Untergerichte keine Zeugen vernommen und das Berufungsgericht sei auf diese Rüge des erstgerichterlichen Verfahrens nicht eingegangen, das Berufungsverfahren sei daher mangelhaft geblieben. Durch die beiliegende Planskizze sei die Unterteilung der Grundparzelle 59 in die Teile a und b genau fixiert, sein Klagebegehren sei daher hinreichend bestimmt und exequierbar.

Der Kläger behauptet, daß ihm das Holz- und Streubezugsrecht zu fünf Sechsteln an der ganzen früheren Parzelle 59 zustehe und nicht nur an dem Teil a, wie dies im Grundbuch eingetragen ist. Es ist daher gleichgültig, ob diese Parzelle jetzt in die Parzellen 59/1 und 59/2 untergeteilt wurde. Das Klagebegehren ist hinreichend bestimmt und kann ein im Spruch modifiziertes Urteil auch vollstreckt werden. Es geht ja nicht darum, das Nutzungsrecht auf einen bestimmten Teil der ehemaligen Parzelle 59 einzuverleiben. An Hand der Planskizze wäre dieser Teil aber auch feststellbar, andernfalls könnte auch das Recht des Beklagten, das sich laut Eintragung im Grundbuch nur auf den Teil b erstreckt, ebenfalls nicht bestimmt werden. Das vom Berufungsgericht zur Bestätigung des Ersturteiles allein herangezogene Argument ist daher nicht stichhältig.

Aber auch die Rechtsansicht des Erstgerichtes, durch die Grundbuchseintragung habe das Recht des Klägers auf den Teil b der Grundparzelle 59 zu bestehen aufgehört und das Nutzungsrecht des Beklagten sei sozusagen konstitutiv entstanden, ist nicht richtig. Dingliche Rechte an Liegenschaften entstehen zwar grundsätzlich durch die Eintragung im Grundbuch, aber nur dann, wenn ihnen ein gültiger Titel zugrunde liegt. Das Grundbuchsanlegungsverfahren kann einen solchen Titel nicht ersetzen. Die Erhebungen nach den für die Grundbuchsanlegung bestehenden Vorschriften haben den Zweck, die beteiligten Grundbesitzer über den Bestand gegenseitiger Berechtigungen zu befragen und auf Grund dieser Befragung die Grundlagen für die Eintragungen im Grundbuch vorzubereiten. Die Unterlassung des Widerspruches und die Versäumung der Ediktalfrist haben nur die Verwirkung des Rechtes auf Geltendmachung der anzumeldenden Ansprüche gegenüber denjenigen Personen zur Folge, die Rechte auf Grundlage der in dem neuen Grundbuch enthaltenen und nicht bestrittenen Eintragungen im guten Glauben erwerben (Klang[2] II 332). Die unangefochtene Eintragung erlangt zwar die Rechtswirkung einer grundbücherlichen Eintragung, das schließt aber nicht aus, daß sie so wie jede andere grundbücherliche Eintragung aus materiellrechtlichen Gründen im Rechtsweg angefochten werden kann (Bartsch, S. 689). Das Grundbuchsanlegungsgesetz betrifft nur die inneren Einrichtungen der neu anzulegenden Grundbücher, eine im Richtigstellungsverfahren unterlassene Anfechtung hat nur die formelle Rechtskraft einer bei Anlegung des Grundbuches erfolgten Eintragung zur Folge, kann aber den materiell Berechtigten nicht hindern, sein Recht im ordentlichen Rechtsweg geltend zu machen.

Der Kläger könnte sein behauptetes Nutzungsrecht allerdings, wie die Untergerichte richtig ausgeführt haben, nur dann erlangt haben, wenn er bzw. seine Rechtsvorgänger es bereits vor 1853 ersessen haben, weil seither eine Ersitzung nicht mehr möglich ist. Eine andere Erwerbungsart behauptet er nicht. Das Erstgericht hat zwar ausgeführt, es sei dem Kläger nicht gelungen, seine Ersitzung nachzuweisen, es hat aber die vom Kläger hierüber beantragten Zeugen in dieser Richtung nicht vernommen. Es kann keineswegs schon im Hinblick auf das Alter dieser Zeugen von vornherein gesagt werden, daß sie über diese Frage keine Auskunft geben könnten, denn sie könnten darüber aus Erzählungen anderer Personen Kenntnis haben. Das Verfahren des Erstgerichtes ist daher in diesen und den oben dargelegten Punkten mangelhaft geblieben, ebenso das Verfahren zweiter Instanz, weil sich diese Instanz mit der Mängelrüge des Klägers überhaupt nicht befaßt hat. Da trotz der Eintragungen im Grundbuch - anläßlich der Anlegung - der materiellen Rechtslage Bedeutung zukommt, wird auch zu erörtern sein, welche Bedeutung die Unterfertigung der Urkunde vom durch die Rechtsvorgänger der Streitteile hat. Da alle diese Fragen schon vom Erstgericht nicht erörtert wurden, war die Rechtssache an dieses Gericht zurückzuverweisen.