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OGH vom 20.12.2016, 4Ob246/16d

OGH vom 20.12.2016, 4Ob246/16d

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Musger, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Rassi als weitere Richter in der Rechtssache der Klägerin A***** AG, *****, vertreten durch Huber Swoboda Oswald Aixberger Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen den Beklagten G***** O*****, vertreten durch Dr. Fabian Maschke, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert 34.900 EUR) und Urteilsveröffentlichung (Streitwert 100 EUR), über den Rekurs der Klägerin gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 5 R 18/15a 24, womit das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt vom , GZ 26 Cg 100/13f 18, aufgehoben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

Spruch

A. Das Rekursverfahren 4 Ob 248/15x, nunmehr 4 Ob 246/16d, wird von den damit verbundenen Verfahren 4 Ob 233/15s ua getrennt.

B. Das mit Beschluss vom unterbrochene Verfahren wird von Amts wegen fortgesetzt.

C. Dem Rekurs wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und in der Sache selbst dahin zu Recht erkannt, dass das Urteil des Erstgerichts in Ansehung des Unterlassungsbegehrens und im Kostenpunkt zur Gänze wiederhergestellt wird und der Ausspruch über das Veröffentlichungsbegehren wie folgt lautet:

„Die Klägerin wird ermächtigt, den Ausspruch über das Unterlassungs- und das Veröffentlichungsbegehren binnen sechs Monaten ab Rechtskraft einmal in einer Ausgabe der 'Niederösterreichischen Nachrichten (NÖN)', Lokalausgabe Wiener Neustadt, auf Kosten des Beklagten mit gesperrt geschriebenen Prozessparteien und in Fettdruckumrandung in Normallettern, somit in gleichgroßer Schrift wie der Fließtext redaktioneller Artikel, zu veröffentlichen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.“

Der Beklagte ist schuldig, der Klägerin binnen 14 Tagen die mit 6.047,70 EUR (darin 780,95 EUR USt und 1.362 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin verfügt über eine Bewilligung der niederösterreichischen Landesregierung zur Durchführung von Glücksspielen in Form der Landesausspielung mit Automaten. Sie betreibt solche Geräte an mehreren Standorten in Niederösterreich.

Der Beklagte betreibt ein Lokal in Niederösterreich mit einer Gewerbeberechtigung für Gastgewerbe. Er hat darin zwei Geräte mit Spielmöglichkeiten aufgestellt. An zumindest einem dieser Automaten können Walzenspiele gespielt werden, bei denen die Entscheidung über Gewinn oder Verlust vom Zufall abhängt. Über eine Bewilligung zur Durchführung von Glücksspiel in Form der Ausspielung mittels Automaten in Niederösterreich auf Basis des NÖ SpielautomatenG 2011 oder eine Konzession zur Durchführung von Ausspielungen in Form der elektronischen Lotterie im Sinn des § 12a GSpG verfügt der Beklagte nicht.

Die Klägerin begehrte, dem Beklagten zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr Geräte für die Durchführung von Glücksspielen in Form der Ausspielung zu betreiben oder den Betrieb von Geräten für die Durchführung von Glücksspielen in Form der Ausspielung zu ermöglichen, insbesondere durch Aufstellung und/oder Zugänglichmachung solcher Geräte, insbesondere in seinem Lokal, solange er nicht über die dafür erforderliche behördliche Bewilligung verfügt. Weiters stellte die Klägerin ein Urteilsveröffentlichungsbegehren, das eine über Normallettern hinausgehende Schriftgröße vorsah. Eine Ausspielung mit Glücksspielautomaten dürfe nur mit behördlicher Bewilligung erfolgen. Da der Beklagte über keine solche Bewilligung verfüge, betreibe er in Verletzung des § 52 Abs 1 Z 1 GSpG iVm § 2 Abs 4 GSpG ein illegales Glücksspiel und verstoße dadurch gegen § 1 Abs 1 Z 1 UWG (Wettbewerbsvorsprung durch Rechtsbruch).

Der Beklagte wandte ein, bei den in seinem Lokal aufgestellten Geräten handle es sich weder um Glücksspielautomaten noch um elektronische Lotterie, sondern um reine Eingabe- und Auslesestationen, die Aufträge an ein Dienstleistungsunternehmen zur Durchführung von Glücksspielen in der Steiermark weiterleite. Im Übrigen sei unsicher, ob das GSpG konform mit Unionsrecht sei.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren zur Gänze statt. Ausgehend von den eingangs zusammengefassten Feststellungen vertrat es in rechtlicher Hinsicht, dass der von der Klägerin beanstandete Rechtsbruch nach § 1 Abs 1 Z 1 UWG vorliege, weil der Beklagte der Betreiberin der Automaten in seinem Lokal Flächen für die Aufstellung dieser Geräte zur Durchführung von Glücksspiel zur Verfügung stelle. Eine Unionsrechtswidrigkeit komme schon deshalb nicht in Frage, weil ein reiner Inlandssachverhalt vorliege.

Das Berufungsgericht gab der dagegen erhobenen Berufung des Beklagten Folge, hob das Urteil des Erstgerichts auf und trug diesem die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Das Erstgericht habe im fortgesetzten Verfahren Feststellungen zur Frage der tatsächlichen Auswirkungen der Regelungen des Glücksspielrechts zu treffen, um die Unionsrechtswidrigkeit des GSpG als Vorfrage für eine allfällige verfassungsrechtlich relevante Inländerdiskriminierung abzuklären.

Dagegen richtet sich der Rekurs der Klägerin mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und in der Sache das Urteil des Erstgerichts wiederherzustellen.

Der Senat hat zu 4 Ob 31/16m ua mit Beschluss vom in sechs verbundenen Verfahren, denen Sachverhalte zugrunde lagen, die mit jenem des gegenständlichen Verfahrens vergleichbar sind, die dort näher bezeichneten einzelnen Bestimmungen des GSpG und des NÖ Spielautomatengesetzes 2011 (hilfsweise die genannten Gesetze zur Gänze) beim Verfassungsgerichtshof als verfassungswidrig angefochten.

Das gegenständliche Rekursverfahren wurde aus Anlass des genannten Anfechtungsbeschlusses mit Beschluss vom bis zur Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs unterbrochen.

Mit Beschluss vom zu G 103 104/2016-49 ua wies der Verfassungsgerichtshof die Anträge des Obersten Gerichtshofs und anderer Gerichte als unzulässig zurück. In der Entscheidung wurde zum einen darauf verwiesen, dass der Anfechtungsumfang zu eng gewählt worden sei. Zum anderen erweise sich aber auch die Anfechtung des gesamten GSpG als unzulässig, weil verfassungsrechtliche Bedenken nicht gegen sämtliche Bestimmungen dargelegt worden seien.

Rechtliche Beurteilung

Aufgrund der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs ist das Rekursverfahren von den verbundenen Verfahren zu trennen und von Amts wegen fortzusetzen.

Der Rekurs ist wegen der zwischenzeitlich ergangenen Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs vom zulässig und auch berechtigt .

1. Mit Erkenntnis vom zu E 945/2016-24 ua wies der Verfassungsgerichtshof mehrere Beschwerden ab, die gegen die gesetzliche Beschränkung des Glücksspiels gerichtet waren. Den Beschwerden lagen Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich zugrunde, in denen die Beschlagnahme und Einziehung von Glücksspielautomaten verfügt bzw Verwaltungsstrafen wegen unerlaubten Glücksspiels mit solchen Automaten verhängt worden waren. Die Beschwerdeführer, die sich den Bedenken des Obersten Gerichtshofs anschlossen, erachteten die gesetzliche Beschränkung der Zahl der Konzessionen zum Betrieb von Glücksspielautomaten als Verstoß gegen Unionsrecht. Diese Unionsrechtswidrigkeit führe wiederum zu einer gleichheits- und damit verfassungswidrigen „Inländerdiskriminierung“.

Der Verfassungsgerichtshof ging inhaltlich davon aus, dass die Bestimmungen des GSpG allen vom EuGH aufgezeigten Vorgaben des Unionsrechts entsprechen. Insbesondere enthalte das GSpG Regelungen, die sicherstellen sollten, dass Werbemaßnahmen der Inhaber von Glücksspielkonzessionen nicht mit den Zielen dieses Gesetzes (die auch in der Vorbeugung der Spielsucht bestehen) in Konflikt geraten. Die österreichischen Bestimmungen liefen auch aufgrund ihrer tatsächlichen Auswirkungen nicht dem Unionsrecht zuwider. Das österreichische System der Glücksspielkonzessionen verstoße daher nicht gegen Unionsrecht. Für eine „Inländerdiskriminierung“, die dieses System als verfassungswidrig erscheinen ließe, bestehe somit kein Anhaltspunkt .

2. Zeitlich zwischen dem Anfechtungsbeschluss des Senats und den Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofs wurde die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs vom zu Ro 2015/17/0022 veröffentlicht, in der sich der Verwaltungsgerichtshof eingehend mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union und der unionsrechtlichen Zulässigkeit von Beschränkungen der Glücksspieltätigkeiten durch das GSpG auseinandersetzte. Der Verwaltungsgerichtshof verneinte eine Unionsrechtswidrigkeit der einschlägigen Bestimmungen des GSpG. Es sei belegt, dass das vom österreichischen Gesetzgeber seit langer Zeit gewählte System zur Beschränkung der Möglichkeiten, in Österreich an Glücksspielen teilzunehmen, die vom Gesetzgeber angestrebten Ziele des Spielerschutzes sowie der Bekämpfung von Spielsucht und Kriminalität im Zusammenhang mit Glücksspielen erreiche. Die angestrebten Ziele des Spielerschutzes, der Spielsuchtbekämpfung, der Verringerung der Beschaffungskriminalität sowie der Verhinderung von kriminellen Handlungen gegenüber Spielern würden durch die im GSpG vorgesehenen Bestimmungen eines – sich in der Realität des Glücksspielmarktes nicht auswirkenden – Glücksspielmonopols des Bundes kombiniert mit einem Konzessionssystem unter Beschränkung der Anzahl der zu vergebenden Konzessionen betreffend Lotterien und Spielbanken sowie eines (reinen) Bewilligungssystems unter Beschränkung der Anzahl der zu vergebenden Bewilligungen betreffend Landesausspielungen mit Glücksspielautomaten sowie der Bestimmungen zur Hintanhaltung von illegalem Glücksspiel (§ 52f GSpG), in kohärenter und systematischer Weise verfolgt.

3. Auch in der Zusammenschau mit der zitierten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs erachtet der Senat durch die inhaltliche Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs die unions- und verfassungsrechtlichen Fragen hinreichend als geklärt. Ungeachtet der Zurückweisung der Anträge des Senats aus formalen Gründen ging der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis über die Bescheidbeschwerden umfassend auf die Vorgaben des EuGH zur Unionsrechtskonformität von Glücksspielrechtsnormen und auch auf die vom Senat gegen die österreichische Rechtslage geäußerten Bedenken ein. Dabei wurde auch die Frage eines maßvollen Werbeauftritts der Konzessionäre behandelt, insgesamt aber eine gesamthafte Würdigung aller Auswirkungen auf dem Glücksspielmarkt im Sinne der Rechtsprechung des EuGH vorgenommen.

4. Den entsprechenden Einwänden des Beklagten kommt daher keine Berechtigung zu. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts erübrigt sich damit eine Ergänzung des Beweisverfahrens zu den Auswirkungen des Glücksspielmonopols, sodass das Klagebegehren im Sinne einer Klagestattgebung spruchreif ist. Der Aufhebungsbeschluss ist somit in Stattgebung des klägerischen Rekurses aufzuheben. In Ansehung des Unterlassungsbegehrens ist das stattgebende Ersturteil wiederherzustellen. Die Klägerin ist auch zur Urteilsveröffentlichung zu ermächtigen. Entgegen ihrem Antrag hat die Veröffentlichung aber entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl zuletzt etwa 4 Ob 164/12i und 4 Ob 61/16y) in Normallettern zu erfolgen.

5. Aufgrund der Fällung einer Sachentscheidung ist auch über die Kosten des Berufungs- und Rekursverfahrens abzusprechen. Diese Entscheidung beruht auf § 50 Abs 1 iVm § 43 Abs 2 ZPO. Die geringfügige Teilabweisung in Bezug auf das Veröffentlichungsbegehren fällt kostenmäßig nicht ins Gewicht.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2016:0040OB00246.16D.1220.000

Fundstelle(n):
SAAAD-44196