OGH vom 10.10.2002, 6Ob233/02m
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in der Firmenbuchsache der im Firmenbuch des Handelsgerichtes Wien zu FN 186351x eingetragenen SPHINX ***** Aktiengesellschaft mit dem Sitz in Wien, vertreten durch Cerha, Hempel & Spiegelfeld Partnerschaft von Rechtsanwälten in Wien, wegen Eintragung einer Firmenänderung und einer Satzungsänderung im Firmenbuch, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Gesellschaft gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom , GZ 28 R 63/02v-6, womit dem Rekurs der Sphinx ***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr. Haimo Sunder-Plassmann, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom , GZ 75 Fr 1297/02y-3, Folge gegeben und dem Erstgericht aufgetragen wurde, hinsichtlich der angeordneten Eintragung der Änderung der Firma M***** AG in SPHINX ***** AG sowie der Änderung der Satzung im § 1 durch den Hauptversammlungsbeschluss vom das Löschungsverfahren gemäß § 10 Abs 2 FBG einzuleiten, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung:
Im Revisionsrekursverfahren geht es um die Unterscheidbarkeit zweier Firmen nach § 30 HGB. Firmenrechtsträger sind eine Gesellschaft mbH und eine Aktiengesellschaft. Die beiden Unternehmen sind im Bereich der Informationstechnik tätig. Die ältere Firmenrechtsträgerin ist eine seit im Firmenbuch des Erstgerichtes unter der Firma Sphinx ***** eingetragene Gesellschaft mbH. Deren Geschäftszweig ist im Firmenbuch mit "EDV" ausgewiesen. Die jüngere Firmenrechtsträgerin war zunäüchst die seit unter der Firma M***** eingetragen gewesene Gesellschaft mbH, die mit Generalversammlungsbeschluss vom in eine Aktiengesellschaft umgewandelt wurde. Die Eintragung der Aktiengesellschaft erfolgte am . Mit Hauptversammlungsbeschluss vom wurde die Firma in SPHINX ***** AG geändert. Die Gesellschaft meldete die Satzungsänderung und die Änderung ihrer Firma zur Eintragung im Firmenbuch an und reichte den Jahresabschluss zum ein.
Das Erstgericht bewilligte die Eintragung der Änderung der Firma und der Änderung der Satzung in deren § 1 sowie die Einreichung des Jahresabschlusses. Der erstinstanzliche Beschluss wurde nicht in der Ediktkartei bekanntgemacht.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der älteren Firmenrechtsträgerin Folge und ordnete hinsichtlich der Eintragung der Firmenänderung und der Änderung der Satzung die Einleitung des Löschungsverfahrens gemäß § 10 Abs 2 FBG an. Es bejahte die Rekurslegitimation der älteren Firmenrechtsträgerin, die in ihrem Ausschließlichkeitsrecht nach § 30 Abs 1 HGB verletzt worden sei. Die Anmelderin habe sich zum Rekurs geäußert. Auf die Rechtsmittelgegenschrift sei zur Wahrung des rechtlichen Gehörs Bedacht zu nehmen. Auf die Firma einer Aktiengesellschaft fänden neben § 4 AktG die allgemeinen firmenrechtlichen Vorschriften des HGB und des FBG Anwendung. Nach § 30 Abs 1 HGB müsse sich jede neue Firma von allen an demselben Ort oder in derselben Gemeinde bereits bestehenden und im Firmenbuch eingetragenen Firmen deutlich unterscheiden. Die Bestimmung bezwecke einerseits, den Inhaber einer bereits eingetragenen Firma zu schützen und andererseits, das Publikum vor Verwechslungen zu bewahren. Die Vorschrift diene dem Schutz des Rechtsverkehrs. § 30 HGB sei zwingendes Recht. Zum Schutz öffentlicher Interessen sei die Verwechslungsfähigkeit von Amts wegen wahrzunehmen. Die Unterscheidbarkeit müsse erheblich genug sein, dass nicht nur bei aufmerksamer Vergleichung der Firmen, sondern im gewöhnlichen Geschäftsverkehr Verwechslungen vermieden werden könnten. Erfahrungsgemäß würden Firmenzusätze, die den Betriebsgegenstand ausdrückten, im mündlichen und telefonischen Verkehr unterdrückt. Wenn die Firmenträger demselben Geschäftszweig angehörten, seien strenge Anforderungen an die Unterscheidbarkeit zu stellen. Es dürfe durch den Firmenwortlaut nicht der Anschein einer wirtschaftlichen oder rechtlichen Zusammengehörigkeit oder Verflechtung mehrerer Unternehmen erweckt werden. Nach § 18 Abs 2 HGB solle die Täuschung der angesprochenen Verkehrskreise vermieden werden. Bei Sachfirmen sei ein strengerer Maßstab als bei Personenfirmen anzulegen, weil die Verwechslungsgefahr an sich größer sei. Hier sei eine Unterscheidbarkeit der beiden Firmen mit dem Firmenschlagwort Sphinx nicht gegeben. Firmenschlagworte oder Fantasieworte würden im Geschäftsverkehr häufig allein zur Bezeichnung des Unternehmensträgers verwendet werden. Sie stünden im Regelfall an erster Stelle der Firma und bildeten das Charakteristikum des jeweiligen Firmenwortlauts. Auf Grund des prägenden Schlagwortes "Sphinx" werde zu Unrecht auf organisatorische und wirtschaftliche Beziehungen der Unternehmen hingewiesen. Hier könne die Judikatur zu den Personenfirmen mit dem Erfordernis einer geringeren Unterscheidbarkeit nicht herangezogen werden, weil die Firmenträger keine Personenfirmen seien. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass eine in Deutschland registrierte Aktionärin der Aktiengesellschaft die Firma Sphinx ***** mbH trage. Das Interesse an der Verwendung des Firmenbestandteils "Sphinx" trete hinter den Schutzcharakter des § 30 HGB zurück. Primärer Unternehmensgegenstand der Rekurswerberin (der älteren Firmenrechtsträgerin) sei die Erbringung von Dienstleistungen in der automatischen Datenverarbeitung und Informationstechnik, insbesondere die Beratung auf dem Gebiet der Datenverarbeitung, die Entwicklung von Softwareprojekten, der Betrieb eines Rechenzentrums und die Abhaltung von Schulungen und Seminaren im EDV-Bereich. Gegenstand des Unternehmens der Aktiengesellschaft sei im Wesentlichen der Handel mit Informationstechnologie, Hard- und Software, sowie die Softwareentwicklung, Service, Schulung, Consulting sowie die Beteiligung an Unternehmen. Diese Gegenüberstellung zeige, dass die Unternehmensgegenstände teilweise sogar ident seien, jedenfalls liege aber eine Branchennähe vor. Nach der ständigen Rechtsprechung könne dem berechtigten Rekurs der älteren Firmenrechtsträgerin nicht im Sinn einer Abänderung des Eintragungsbeschlusses, sondern nur durch Einleitung des Löschungsverfahrens stattgegeben werden. Mit ihrem Revisionsrekurs beantragt die antragstellende jüngere Firmenrechtsträgerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Beschlusses, hilfsweise die Aufhebung der Rekursentscheidung zur Verfahrensergänzung.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig, aber nicht berechtigt. I. Zur gerügten Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens infolge Nichteinräumung der Möglichkeit der Erstattung einer Rekursbeantwortung:
Die ältere Firmenrechtsträgerin durfte gegen die nach ihrer Meinung gegen den Grundsatz der Firmenunterscheidbarkeit (§ 30 Abs 1 HGB) verstoßende Eintragung der geänderten Firma der Aktiengesellschaft Rekurs erheben (6 Ob 2274/96x; 6 Ob 38/98a). Das Rekursverfahren im außerstreitigen Verfahren ist grundsätzlich einseitig (RS0007041). Ausnahmen davon können sich aus der notwendigen Wahrung des rechtlichen Gehörs ergeben (RS0007056). Die Frage, ob im vorliegenden Fall eine solche Ausnahme vorliegt, kann auf sich beruhen, weil die Revisionsrekurswerberin die Möglichkeit der Erstattung einer Gegenschrift zum Rekurs der älteren Firmenrechtsträgerin hatte und diese Möglichkeit auch wahrnahm; sie erstattete am , anwaltlich vertreten, "zu dem erhobenen Rekurs" eine ausführliche Äußerung (ON 5), in der sie den Argumenten des Rekurses entgegentrat und insbesondere auch eingehend darlegte, dass die beiden Unternehmen nicht in demselben Geschäftsbereich tätig seien und daher auch in keinem Konkurrenzverhältnis stünden. Der Schriftsatz schloss mit dem Antrag, den Rekurs der älteren Firmenrechtsträgerin "als unzulässig abzuweisen", also ihm nicht Folge zu geben. Die Revisionsrekurswerberin gesteht auch zu, dass damit ihr rechtliches Gehör gewahrt und der "weitere" Revisionsrekursgrund der Missachtung des rechtlichen Gehörs nach § 15 Z 1 AußStrG (Nichtigkeit) "verhindert" worden sei. Die Unterlassung der Zustellung einer Gleichschrift des Rekurses konnte aber schon deshalb keine Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens bewirken, weil das Gericht zweiter Instanz die "Äußerung" ausdrücklich als Rekursbeantwortung auffasste und bei seiner Entscheidung inhaltlich berücksichtigte. Eine Eignung, die "erschöpfende Erörterung und gründliche Beurteilung der Sache" im Sinne des § 15 Z 2 AußStrG zu verhindern, ist nicht ersichtlich. Daher braucht hier der Oberste Gerichtshof auch nicht die Frage zu beantworten, ob die - weder im Außerstreitgesetz noch im Firmenbuchgesetz vorgesehene - formelle Zustellung einer Gleichschrift des Rechtsmittels (durch das Gericht erster Instanz) ausnahmsweise doch geboten gewesen wäre.
II. Zur Anwendbarkeit des § 30 HGB auf die Firma einer Aktiengesellschaft:
Nach § 4 AktG ist die Firma einer Aktiengesellschaft dem Gegenstand des Unternehmens zu entnehmen (Sachfirma). Davon kann aus wichtigem Grund abgewichen werden. Aktiengesellschaften gelten als Handelsgesellschaften (§ 3 AktG). Über die aktienrechtliche Firmenregelung hinaus gelten die allgemeinen firmenrechtlichen Vorschriften des HGB und des FBG, also auch die Bestimmung des § 30 HGB (Jabornegg in Jabornegg/Schiemer/Strasser, AktG3 Rz 6 zu § 4; ebenso zur deutschen Rechtslage: Münchener Kommentar AktG2 Rz 16 zu § 4 dAktG). Hier wurden beide Firmen dem Unternehmensgegenstand (Informationstechnologie) entnommen. Sie enthalten zusätzlich jeweils das Fantasiewort bzw Firmenschlagwort "Sphinx", das dem sachbezogenen Firmenkern beigefügt wird.
III. Zur Zulässigkeit des Firmenzusatzes:
Die Identität des Zusatzes in beiden Firmen kann zur Täuschung des Geschäftsverkehrs führen (§ 18 Abs 2 HGB) und die Firmenbildung unzulässig machen (Jabornegg aaO Rz 16 zu § 4 AktG). Das Rekursgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass es bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr auf den tatsächlichen Gebrauch der Firma im Geschäftsverkehr ankommt, dass die Unternehmen häufig nicht den vollen Firmenwortlaut, sondern nur das Firmenschlagwort oder das charakteristische Fantasiewort allein zur Bezeichnung des Unternehmens verwenden (vgl dazu Schuhmacher in Straube HGB2 Rz 10 zu § 30 mwN). Dies bekämpft die Revisionsrekurswerberin nur mit der Behauptung einer "durchgreifenden Branchen- oder Warenverschiedenheit" und mit dem Hinweis, dass es bei der Rechtsfrage nach der maßgeblichen Verkehrsauffassung auf die Aufmerksamkeit eines durchschnittlich informierten und verständigen Verbrauchers und nicht auf einen flüchtigen Aufmerksamkeitsgrad in der Eile des Geschäftsverkehrs ankomme. Letzteres hat zwar die von der Revisionsrekurswerberin zitierte oberstgerichtliche Entscheidung 4 Ob 196/00b (im Anschluss an eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs) in einem Verfahren ausgesprochen, in dem es um eine Herkunftstäuschung eines Produkts nach den §§ 1 und 9 UWG ging. Auch der Europäische Gerichtshof stellt bei der Unterscheidbarkeit von Handelsfirmen auf den mündigen Verbraucher ab (Jabornegg aaO Rz 10 zu § 30). Die Rechtsfrage, welcher Aufmerksamkeitsgrad für die Unterscheidbarkeit von Herkunftsangaben oder Firmen maßgeblich sein soll, ist hier jedenfalls nicht entscheidungswesentlich, weil bei der Beurteilung der hier vorliegenden Firmenwortlaute die Identität des grundsätzlich besonders unterscheidungskräftigen Fantasieworts "Sphinx" auch einen vernünftigen und wegen der Höherwertigkeit der vertriebenen oder produzierten Produkte aufmerksamen Verbraucher auf eine Identität der Unternehmen schließen lässt, jedenfalls aber auf eine wirtschaftliche und (oder) rechtliche Verflechtung. Die Verwechslungsgefahr ist daher auch bei einem "verständigen" Konsumenten zu bejahen. Die Verwechselbarkeit von identischen oder ähnlichen Firmen ist schon dann zu bejahen, wenn nach den Satzungen und den im Firmenbuch eingetragenen Geschäftszweigen zumindest eine Branchennähe vorliegt. Nur bei einer durchgreifenden Waren- und Dienstleistungsverschiedenheit könnte die Verwechslungsgefahr trotz Ähnlichkeit der Firma verneint werden (Jabornegg, HGB, Rz 12 zu § 30 mwN). Selbst bei Zutreffen der Revisionsrekursbehauptungen über eine Verschiedenheit der tatsächlich ausgeübten Geschäftstätigkeiten könnte im Geschäftsverkehr wegen der Firmenähnlichkeit auf nicht existierende wirtschaftliche und rechtliche Zusammenhänge der Unternehmen geschlossen werden. Zu diesem Thema kann auf die zutreffenden Erwägungen des Rekursgerichtes verwiesen werden, das ohne Rechtsirrtum schon auf Grund der sachbezogenen Teile der Firmen und den festgestellten Unternehmensgegenständen zumindest von einer Branchennähe ausgehen durfte. Unabhängig davon, ob nun das eine Unternehmen ausschließlich auf dem Gebiet der Informationstechnik im Bereich der Hardware, das andere aber nur im Bereich der Software tätig ist, müssten über einen solchen Sachverhalt hinaus ganz konkrete Umstände vorliegen, aus denen abgeleitet werden könnte, dass zwischen den beiden Unternehmen keine Verflechtung besteht, die der identische Firmenzusatz "Sphinx" im Zusammenhang mit dem sachbezogenen Teil der Firmen nahelegt (vgl zur Verwechslungsgefahr im weiteren Sinn MGA UWG6 § 9/1281 und 1342).
IV. Die Revisionsrekurswerberin releviert schließlich noch ihr Interesse am Firmenzusatz "Sphinx" mit der Firmenführung ihrer Mehrheitsaktionärin, einer in Deutschland seit 1992 ansässigen Gesellschaft mbH, die in ihrem Firmenwortlaut ebenfalls die Bezeichnung "Sphinx" aufgenommen habe. Dieses Interesse - die Richtigkeit des behaupteten Sachverhalts unterstellt - änderte an der Verwechslungsgefahr nichts und kann gegen das Firmenrecht der älteren Firmenrechtsträgerin nicht ins Treffen geführt werden. Entscheidend ist die Priorität der Firma des Unternehmens in dem im § 30 HGB angeführten Ort oder der Gemeinde.