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OGH vom 15.11.2012, 1Ob185/12f

OGH vom 15.11.2012, 1Ob185/12f

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ. Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1) D***** K***** und 2) Mag. S***** K*****, beide *****, vertreten durch Gradischnig Gradischnig Rechtsanwälte GmbH in Villach, gegen die beklagten Parteien 1) R***** R*****, 2) Mag. W***** R***** und 3) G***** R*****, alle vertreten durch Dr. Arno Kempf, Rechtsanwalt in Spittal an der Drau, über die Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgericht vom , GZ 2 R 76/12x 14, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Villach vom , GZ 1 C 1230/11v 9, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach allfälliger Verfahrensergänzung zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die Kläger sind je zur Hälfte Eigentümer der Liegenschaft EZ 225. Die Beklagten sind zu je einem Drittel Eigentümer der Liegenschaft EZ 35, die zugunsten der Liegenschaft der Kläger mit der Dienstbarkeit des Gehens/Fahrens nach Punkt XI. des Kaufvertrags vom belastet ist. Im Oktober/November 2011 brachten die beklagten Parteien beim Dienstbarkeitsweg im Bereich der Grenze der Parzellen 440 und 433 eine Fahrverbotstafel für Fahrzeuge mit über 12 Tonnen Gesamtgewicht (§ 52 lit a Z 9c StVO) an.

Die Kläger begehren die Entfernung dieser „Gewichtsbeschränkungstafel lautend auf 12 Tonnen“. Ihnen stehe das uneingeschränkte Geh und Fahrrecht zu, das durch die Anbringung der Tafel beeinträchtigt sei. Wegen des Umbaus des Hauses der Kläger müssten auch Fahrzeuge mit einem Gesamtgewicht über 12 Tonnen über den Dienstbarkeitsweg fahren.

Die Beklagten wendeten zusammengefasst ein, die von den Klägern ohne Berücksichtigung der Weg und Witterungsverhältnisse beanspruchte Benutzung des Wegs durch Fahrzeuge mit einem Gesamtgewicht von mehr als 12 Tonnen sei unzulässig, weil sie eine „nicht völlig unerhebliche“ Mehrbelastung des dienenden Grundstücks mit sich brächte. Dienstbarkeiten seien für das dienende Grundstück schonend auszuüben; ihr Umfang sei stets restriktiv auszulegen. Nach Punkt XI. des Kaufvertrags vom müsse der Weg in einem solchen Zustand sein, dass er stets mit leichteren Wirtschaftsfahrzeugen wie Traktoren und Personenkraftwagen befahren werden könne. Diese Klarstellung habe bereits damals Bezug darauf genommen, dass die Weganlage bzw der Unterbau für schweres Gerät und grundsätzlich schwere Fahrzeuge nicht geeignet sei. Nach einem Privatgutachten seien Teile des Dienstbarkeitswegs grundsätzlich nur mit Fahrzeugen bis 12 Tonnen Gesamtgewicht benützbar. Das Aufstellen von Warn und Verkehrszeichen zähle zu den Sorgfaltspflichten der Beklagten als Wegehalter, weshalb sie durch das Anbringen der Tafel mit einer Gewichtsbeschränkung in keiner Weise rechtswidrig gehandelt hätten. Im Sommer 2011 hätten die beklagten Parteien als Wegehalter auf ihre Kosten die bestehende Weganlage saniert, um die Verkehrssicherheit und die Befahrbarkeit mit leichten Wirtschaftsfuhren und PKW weiterhin zu gewährleisten. Die Kläger hätten keinen Rechtsanspruch, den Weg ohne Rücksicht auf Nässe bzw bei allen Witterungsverhältnissen uneingeschränkt zu nutzen, weil eine derartige Nutzung zwangsläufig Schäden des Wegs zur Folge hätte. Für den öffentlichen Weg, der zum Dienstbarkeitsweg führe, bestehe eine Gewichtsbeschränkung von 16 Tonnen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt und stellte unter anderem Folgendes fest:

M***** H***** verkaufte mit Kaufvertrag vom an die Ehegatten M***** und Ing. S***** S***** die Grundstücke 84 Baufläche, 444/3 Wald und 446 Acker, alle KG *****, aus der EZ 35. Punkt XI dieses Vertrags lautete:

„ Die wegmäßige Aufschließung des Anwesens erfolgt von der Abzweigung vom öffentlichen Weg 554 KG ***** an vorerst, wie bereits dargestellt, über Grundstücke des J*****, Herr J***** hat den Käufern den Bestand des uneingeschränkten Geh und Fahrrechtes über seine Grundstücke im Rahmen des bestehen Weges bestätigt. Soweit der Weg in der Folge dann über die Grundstücke des Verkäufers, insbesondere die Grundstücke 440, 447/3, 447/4 und 447/2 alle KG ***** verläuft, räumt der Verkäufer den Käufern die Dienstbarkeit des uneingeschränkten Geh und Fahrrechtes über den bestehenden Weg ein, und zwar für sich und die Rechtsnachfolger im Eigentum der kaufgegenständlichen Grundstücke. Andererseits räumen die Käufer für sich und ihre Rechtsnachfolger im Eigentum der vertragsgegenständlichen Grundstücke dem Verkäufer und dessen Rechtsnachfolgern im Eigentum der Liegenschaft EZ 35 KG ***** das Geh und Fahrrecht im bisherigen Umfang an den bereits in der Natur bestehenden Weg ein, soweit dieser über die Grundstücke 446 Acker und 444/3 Wald KG ***** verläuft. Der Verkäufer nimmt die Bestellung dieses Dienstbarkeitsrechts ausdrücklich an.

Hinsichtlich der Kosten der ordnungsgemäßen Instandhaltung des Weges vereinbaren die Vertragsteile, daß diese Kosten unter ihnen zu gleichen Teilen, nämlich im Verhältnis 50 Prozent : 50 Prozent, aufzuteilen sind. Der Weg soll in einem solchen Zustand sein, dass er stets mit leichteren Wirtschaftsfahrzeugen wie Traktoren und Personenkraftwagen befahren werden kann. “

Der Verlauf des Dienstbarkeitswegs ist seit Anfang der 70er Jahre annähernd unverändert. Der Dienstbarkeitsweg ist ein Schotter bzw Waldweg. Befahren schwere Fahrzeuge den Weg bei nasser Witterung, entstehen Spurrillen. Die T***** Straße ist eine der Straßen, die zum Beginn des Dienstbarkeitswegs führt. Ab Beginn dieser Straße besteht eine Gewichtsbeschränkung von 16 Tonnen.

Im Jahr 2000 veräußerte M***** S***** als nunmehrige Alleineigentümerin die Liegenschaft an Mag. G***** S*****. Dieser wiederum veräußerte mit Kaufvertrag vom die Liegenschaft an die Kläger. Die Ehegatten S***** hatten die gekaufte Liegenschaft als Wochenendhaus genutzt und dieses umfassend renoviert. Der Dienstbarkeitsweg wurde zur Anlieferung des Baumaterials (auch durch große LKW) benutzt. Die Kläger nützen ebenso wie ihre unmittelbaren Vorgänger die Liegenschaft als Hauptwohnsitz. Die Liegenschaft der Kläger ist seit den 40er Jahren des vorigen Jahrhunderts bebaut. Die Kläger wollen auf ihrer Liegenschaft ein zweites Haus als „Zwilling“ des bereits vorhandenen Objekts errichten. Zu diesem Zweck muss Baumaterial, wie Beton und Ziegel, zum Haus gebracht werden.

In der rechtlichen Beurteilung ging das Erstgericht vom Vorliegen eines uneingeschränkten Geh und Fahrrechts als sogenannte „ungemessene“ Wegeservitut aus. Die vertragliche Regelung über die Möglichkeit, den Dienstbarkeitsweg stets mit leichteren Wirtschaftsfahrzeugen wie Traktoren und PKW zu befahren, bedeute keine Einschränkung des Geh und Fahrrechts, sondern sei im Zusammenhang mit der ordnungsgemäßen Instandhaltung, deren Kosten im Verhältnis 50 : 50 aufgeteilt worden seien, zu verstehen. Das uneingeschränkte Geh und Fahrrecht erfasse auch das Recht, den Dienstbarkeitsweg mit LKW zu befahren.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge und wies das Klagebegehren ab. Das Aufstellen der Verbotstafel bedeute zwar eine Störung des Servitutsrechts der Kläger und könnte eine Klage auf Feststellung oder Unterlassung rechtfertigen. Das ausschließlich auf Entfernung der Gewichtsbeschränkungstafel gerichtete Klagebegehren sei aber verfehlt.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteige und ließ die ordentliche Revision zu.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Kläger ist zulässig und mit ihrem hilfsweise gestellten Aufhebungsantrag berechtigt.

Das Klagebegehren der Servitutenklage (actio confessoria) im Sinn des § 523 ABGB geht je nach den Verhältnissen des Falls auf a) Feststellung der Dienstbarkeit und/oder auf Einverleibung des noch nicht eingetragenen Rechts nur gegen den oder die Eigentümer der dienenden Sache, b) Wiederherstellung, besonders durch Beseitigung der vom Beklagten verursachten Beeinträchtigung gegen jeden Störer, c) Unterlassung künftiger Störungen gegen jeden Störer sowie d) allenfalls Ersatz des verursachten Schadens nach allgemeinen Grundsätzen (vgl RIS Justiz RS0106908).

Die Kläger nehmen als Miteigentümer einer Liegenschaft, zu deren Gunsten bereits die Wegeservitut des Geh und Fahrrechts auf der dienenden Liegenschaft im Grundbuch eingetragen ist, sämtliche Miteigentümer der dienenden Liegenschaft als Störer in Anspruch, indem sie behaupten, diese hätten auf dem Servitutsweg eine „Verbotstafel“ angebracht. Unverständlich ist die Ansicht des Berufungsgerichts, sie wären dazu verpflichtet gewesen, zusätzlich ein Begehren auf Feststellung des Bestehens einer im Grundbuch eingetragenen Dienstbarkeit oder ein Unterlassungsbegehren zu stellen. Die Frage des Ausmaßes bzw des Umfangs dieser Servitut kann als Vorfrage in einem Verfahren geklärt werden, in dem das Begehren auf Beseitigung einer Beeinträchtigung gerichtet ist.

Als Störungshandlung, gegen die sich der Servitutsberechtigte zur Wehr setzen kann, ist jedes Verhalten zu werten, das mit oder ohne weitere Mitwirkung des Störers in adäquat kausaler Weise eine Beeinträchtigung des Servitutsrechts zur Folge hat. Die Störungshandlung muss nicht unbedingt in faktischen Hindernissen bestehen. Das Anbringen von Bodenmarkierungen, das von Verkehrsteilnehmern dahin verstanden werden muss, dass sie auf den dadurch gekennzeichneten Plätzen befugt ihre Fahrzeuge abstellen können, stellt bei Behinderung des Servitutsberechtigten einen unzulässigen Eingriff in seine Rechte dar (RIS Justiz RS0012084). Ob eine Verbotstafel eine (zu beseitigende Beeinträchtigung) einer Dienstbarkeit ist, kann nicht ausschließlich danach beurteilt werden, ob ihr Inhalt objektiv richtig ist. Vielmehr ist auch zu berücksichtigen, welchen Eindruck sie bei einem unbefangenen Leser, insbesondere demjenigen, gegen den sich das Verbot richten könnte, erweckt (vgl RIS Justiz RS0012128).

Das Aufstellen von Tafeln im Sinne des § 52 lit a Z 9c StVO, die für Verkehrsteilnehmer eindeutig erkennbar das Befahren eines Wegs mit Fahrzeugen, die ein Gesamtgewicht von 12 Tonnen überschreiten, verbieten, wäre grundsätzlich im Sinn dieser Kriterien als Störung eines uneingeschränkten Geh und Fahrtrechts anzusehen. Lenker von Fahrzeugen, die Baumaterial zur herrschenden Liegenschaft liefern sollten, könnten sich durch diese Tafel dazu veranlasst sehen, eine Benutzung des Wegs mit „Schwerfahrzeugen“ zu unterlassen. Es bedeutet eine Beeinträchtigung der Interessen der Eigentümer einer herrschenden Liegenschaft, wenn die für die Durchführung von Bauarbeiten nötige Zufahrt zur herrschenden Liegenschaft mit Baufahrzeugen aufgrund einer solchen Fahrverbotstafel eingeschränkt würde.

Das Ausmaß der Dienstbarkeit und der Umfang der dem Berechtigten zustehenden Befugnisse richtet sich nach dem Inhalt des Titels, bei dessen Auslegung insbesondere Natur und Zweck der Dienstbarkeit zu beachten sind (RIS Justiz RS0011720). Sind Art und Ausmaß der Servitut durch den Titel unzweifelhaft konkret bestimmt, spricht man von einer „gemessenen“, sonst aber von einer „ungemessenen“ Servitut (RIS Justiz RS0116523).

Dass die im Servitutsbestellungsvertrag enthaltene Regelung über die jederzeit mögliche Befahrbarkeit des Wegs mit leichteren Wirtschaftsfahrzeugen und PKW das ansonsten als uneingeschränkt bezeichnetes Geh und Fahrrecht eindeutig auf die Benutzung nur durch Fahrzeuge der genannten Art festlegte und deshalb eine insoweit „gemessene“ Dienstbarkeit vorläge, behaupten die Beklagten im Revisionsverfahren nicht mehr. Es ist vom Vorliegen einer „ungemessenen“ Dienstbarkeit des Geh und Fahrtrechts auszugehen.

Das Fahrrecht (§ 492 ABGB) berechtigt als umfassenste Wegeservitut zu seiner Ausübung für alle wirtschaftlichen Zwecke des herrschenden Grundstücks. Die Beschaffenheit des Fahrzeugs ist im Allgemeinen gleichgültig (RIS Justiz RS0016365 [T3]). Für die Ausübung der ungemessenen Dienstbarkeit des Fahrtrechts ist das Bedürfnis der herrschenden Liegenschaft bzw der servitutsberechtigten Kläger maßgeblich (vgl RIS Justiz RS0011691; vgl 1 Ob 682/82 = RS0011756) und zwar im Rahmen der ursprünglich oder doch zumindest vorhersehbaren Bewirtschaftungsart (RIS Justiz RS0097856), die bei schon zum Zeitpunkt der Begründung der Dienstbarkeit bebauten Grundstücken in der Regel auch die Zufahrt mit LKW für die Dauer von Bauarbeiten erfasst. Die Art der Ausübung findet aber ihre Grenzen in einer unzumutbaren Beeinträchtigung des Eigentümers des dienenden Guts (RIS Justiz RS0016368 [T8]). Der Oberste Gerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass das Befahren eines Servitutswegs mit Schwerfahrzeugen den Rahmen des Zulässigen überschreiten kann, wenn sich der Weg in einem nicht dafür geeigneten Zustand befand und deshalb teilweise zerstört wurde (2 Ob 143/09g mwN).

Ob die im Sinn des § 484 ABGB vorzunehmende Abwägung der Interessen der berechtigten Kläger gegenüber jenen der belasteten Beklagten (vgl RIS Justiz RS0011733) die von den Beklagten in Anspruch genommene Einschränkung des Geh und Fahrrechts rechtfertigen könnte, lässt sich nach den getroffenen Feststellungen aber noch nicht beurteilen. Das Erstgericht hat lediglich festgestellt, dass das Befahren mit „schweren Fahrzeugen bei nassen Witterungen“ Spurrillen auf dem Dienstbarkeitsweg, einem Schotter bzw Waldweg, hinterlasse. Das ist zwar eine Aussage, die aufgrund der Beschaffenheit des Wegs einleuchtet, dennoch aber offen lässt, ob nur Fahrzeuge mit einem 12 Tonnen überschreitenden Gesamtgewicht diese Spurrillen verursachten und wie sich diese Rillen auf die Befahrbarkeit des Wegs insgesamt ausgewirkt hatten. Wäre dieser tatsächlich, so wie die Beklagten behaupten, teilweise nur für Fahrzeuge bis 12 Tonnen Gesamtgewicht benutzbar, und würde das Befahren mit schwereren Fahrzeugen (unter Umständen mit hohem Kostenaufwand zu behebende) Schäden am Weg hervorrufen, könnte die Beschränkung der Nutzung gerechtfertigt sein, um eine unzumutbare Mehrbelastung des dienenden Guts zu verhindern. Ungeklärt ist außerdem, ob die Umbauarbeiten der Kläger tatsächlich die Zufahrt mit „Schwerfahrzeugen“ erfordern, was die Beklagten in ihrer Revisionsbeantwortung nach wie vor anzweifeln. Auch in diesem Punkt sind die Feststellungen der Vorinstanzen nicht ausreichend.

Aus diesen Erwägungen ist eine Verbreiterung der Tatsachengrundlage unerlässlich. Die Urteile der Vorinstanzen sind aufzuheben und die Rechtssache ist an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung zurückzuverweisen. Ob es eine Verfahrensergänzung für erforderlich hält, bleibt seiner Beurteilung vorbehalten.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.