OGH vom 13.11.2001, 5Ob155/01g
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Klinger als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann und Dr. Baumann und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der außerstreitigen Mietrechtssache der Antragstellerin Heidi T*****, vertreten durch Mag. Martin Machold, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Antragsgegnerin Stadt W*****, vertreten durch Dr. Peter Rudeck ua Rechtsanwälte in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 2 MRG (§§ 3 Abs 2 Z 2, 6 Abs 1 Z 1 MRG) infolge Revisionsrekurses der Antragstellerin gegen den Sachbeschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom , GZ 39 R 55/01d-31, womit der Sachbeschluss des Bezirksgerichtes Donaustadt vom , GZ 6 Msch 42/01d-24, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Sachbeschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Der Antrag der Antragstellerin auf Zuspruch von Kosten der rechtsfreundlichen Vertretung im Revisionsrekursverfahren wird abgewiesen.
Text
Begründung:
Die Antragstellerin ist Mieterin der Wohnung top Nr ***** im Haus *****. Die Antragsgegnerin ist Vermieterin.
Die Wohnung der Antragstellerin ist in mehreren Zimmern mit starkem Schimmel befallen. Es ist erforderlich, den befallenden Putz der Wand- und Deckenflächen bis auf den Mauerrand abzutragen und auch das Mauerwerk zu sanieren. Erst dann kann ein Neuverputz aufgebracht werden.
Die Antragstellerin führte aus, dass infolge des Vorliegens gravierender Baumängel ihre Wohnung unbenutzbar sei. Sie stellte den Antrag, der Antragsgegnerin die sofortige Behebung der das Leben und die Gesundheit der Mieter gefährdenden baulichen Mängel hinsichtlich des Hauses ***** aufzutragen.
Die Antragsgegnerin bestritt die Notwendigkeit von Erhaltungsarbeiten. Die Schimmelbildung sei auf das Wohnverhalten der Antragstellerin zurückzuführen. Der Loggienvorbau beeinträchtige die Lüftungssituation. Es seien die Räume auch nicht ausreichend beheizt. Die Antragstellerin treffe ein Verschulden an der gegenwärtigen Situation.
Das Erstgericht trug der Antragsgegnerin auf, den Schimmelbefall in der Wohnung top Nr ***** im Haus ***** (Kinderzimmer: starker Schimmelbefall an der westseitigen Außenfront im linken Zimmerbereich mit Blickrichtung zum Hof; Schlafzimmer: etwas weniger starke Schimmelbildung im Karniesenbereich und leichter Befall unterhalb des Fensters; Zwischenflur: Schimmelbildung an der Wand zum Badezimmer links von der Tür, ebenso in der Deckennische zum Kinderzimmer und Schlafzimmer; Kinderzimmer: starker Schimmelbefall an der westseitigen Außenfront im linken Zimmerbereich mit Blickrichtung zum Hof; Schlafzimmer: etwas weniger starke Schimmelbildung im Karniesenbereich und leichter Befall unterhalb des Fensters; Zwischenflur: Schimmelbildung an der Wand zum Badezimmer links von der Tür, ebenso in der Deckennische zum Kinderzimmer und Schlafzimmer geringe Verfärbungen; Wohnzimmer: Schimmelbildung beim Essplatz in der Raumecke, Wohnungstrennwand-Loggia; Loggia: starker Schimmelbefall an allen Fronten) vorweg binnen vier Monaten zu beseitigen, und zwar durch Abtragen des Putzes bis auf den Mauerrand und allenfalls auch des Mauerwerks soweit erforderlich an den mit Schimmel befallenen Wand- und Deckenflächen, sowie anschließendes Aufbringen von Neuverputz. Das Erstgericht vertrat in rechtlicher Hinsicht die Auffassung, dass der Antrag an die Schlichtungstelle auf die Behebung von nicht konkretisierten baulichen Mängeln abziele. Es sei aber klar, dass es der Antragstellerin um die Entfernung des Schimmelbefalles gehe. Es schade daher nicht, dass die notwendigen Sanierungsmaßnahmen nicht umschrieben gewesen seien. Auf die Verursachung oder schuldhafte Herbeiführung der Mängel durch die Antragstellerin komme es nicht an. Eine absichtliche Herbeiführung von Schäden in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise sei nicht behauptet worden. Ernste Schäden des Hauses liegen nur vor, wenn die Bausubstanz, wie im vorliegenden Fall, angegriffen sei. Die spruchgemäß aufgetragenen Arbeiten seien sogenannte privilegierte Arbeiten, die ohne Rücksicht auf bestehende Kostendeckung oder allfällige Unwirtschaftlichkeit durchzuführen seien. Privilegierte Schäden seien solche, deren Behebung zur Hintanhaltung von Gefährdungen für die Sicherheit und Gesundheit von Personen erforderlich sei. Der Schimmelbefall sei evident für die Gesundheit von Personen gefährlich. Wie sich aus dem Gutachten andeutungsweise ergebe, seien die Ursachen für die Schimmelbildung offensichtlich multifaktoriell. Als solche Ursachen werden nachteiliges Wohnverhalten, aber auch bautechnische bzw bauphysikalische Mangelhaftigkeiten angeführt. Mit der langen Ausführungsfrist solle der Antragsgegnerin Gelegenheit gegeben werden, die allenfalls in ihrem Bereich liegenden Ursachen zu erforschen und vor einer Sanierung des Schimmelbefalles zu beseitigen. Allfällige Ursachen im eigenen Bereich werde die Antragstellerin zur Vermeidung von Kündigung bzw Schadenersatzansprüchen sinnvollerweise parallel zur Sanierung des Schimmelbefalles beseitigen. Der Sachverständige sei daher nicht mehr ergänzend zur Nachhaltigkeit der beauftragten Arbeiten - wie dies die Antragsgegnerin beantragt habe - zu befragen.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs mit der Begründung nicht Folge, dass Sinn und Zweck des Verfahrens gemäß §§ 3, 6 iVm 37 MRG ausschließlich die Feststellung der Schäden und die Prüfung der Frage sei, ob dem Vermieter eine Erhaltungsarbeit aufzutragen sei oder nicht. Die Frage der Ursachen der eingetretenen Mängel sei in diesem Verfahren nicht zu prüfen. Der Antragstellerin sei ein Anspruch auf die Erforschung der Baumängel in diesem Verfahren und der Anspruch auf die Auswahl der Methode zur Behebung der Baumängel verwehrt. Es solle rasch Abhilfe im Falle von Mängeln im Bestandobjekt oder an allgemeinen Teilen des Hauses geschaffen werden.
Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei, da eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht zu klären sei.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragstellerin mit dem Antrag, dem Erstgericht die Verfahrensergänzung und neuerliche Entscheidung aufzutragen.
Der Antragsgegnerin wurde die Beantwortung des Revisionsrekurses freigestellt. Sie beantragte, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt.
Zutreffend weist die Revisionsrekurswerberin darauf hin, dass von ihrem Antrag auf "Behebung der gefährdenden baulichen Mängel" nicht nur jene Erhaltungsarbeiten, die auf die Behebung des Schadensbildes in der Wohnung der Antragstellerin abzielen, sondern auch jene baulich notwendigen Erhaltungsarbeiten umfasst sind, die die Ursachen der Schimmelbildung beseitigen.
Das Rekursgericht hat grundsätzlich zutreffend erkannt, dass die den Vermieter gemäß § 3 Abs 2 Z 2 MRG treffende Verpflichtung, die Mietgegenstände des Hauses zu erhalten, grundsätzlich nicht davon abhängt, ob die zu behebenden Schäden vom Mieter verursacht oder gar schuldhaft herbeigeführt wurden. Unter den Voraussetzungen des § 3 Abs 2 Z 2 MRG besteht die Verpflichtung des Vermieters zur Erhaltung der Mietgegenstände des Hauses absolut, nicht nur dem Mieter des betroffenen Objektes, sondern allen Mietern des Hauses gegenüber; ein Interessenausgleich lässt sich nur über das Schadenersatzrecht herstellen (5 Ob 2060/96v, 5 Ob 116/99s, MietSlg 42.200; RIS-Justiz RS0069992). Bei der Entscheidung kommt es ausschließlich auf den Zustand des Hauses, nicht aber auf die Ursachen an, die zu diesem Zustand geführt haben (MietSlg 42.200). Es sind also alle Ursachen für die Entscheidung relevant, die im Zustand des Hauses gelegen sind. Dies bedeutet, dass sehr wohl im Verfahren nach § 3 Abs 2 Z 2 MRG die in der Bausubstanz gelegenen Ursachen für die ernsten Schäden des Hauses (hier: Schimmelbildung) zu prüfen und die entsprechenden Erhaltungsarbeiten baulicher Natur aufzutragen sind.
An die Bestimmtheit des Begehrens sind dabei keine zu strengen Anforderungen zu stellen (WoBl 1997/46, 5 Ob 193/99i, 5 Ob 146/00g). Dies gilt insbesondere für ein nach § 6 Abs 1 MRG (§ 3 Abs 2 Z 2 MRG) gestütztes Begehren auf Durchführung von Erhaltungsarbeiten, weil der Mieter oft nur oberflächliche Schäden bemerkt und mangels genauer Kenntnis ihres genauen Umfangs und ihrer Ursachen nur vermuten kann, welche Arbeiten zur Schadensbehebung notwendig sind. Deshalb wird es für einen Antrag des Mieters nach § 6 Abs 1 iVm § 37 Abs 1 Z 2 MRG als ausreichend angesehen, wenn er die vorzunehmenden Arbeiten nur nach ihrer Art bezeichnet und die Detaillierung des dem Vermieter zu erteilenden Instandsetzungsauftrags dem Ergebnis eines von der Schlichtungsstelle bzw vom Gericht einzuholenden Sachverständigengutachtens vorbehält (5 Ob 146/00g, vgl auch Würth, Verfahrensrechtliche Probleme des MRG [§§ 33 bis 35, 37 bis 42 MRG], in Korinek/Krejci, HB zum MRG, 516, ders in Würth/Zingher, Miet- und Wohnrecht20, Rz 28). Es geht hier nicht um einen unzulässigen Erkundungsbeweis, sondern um die Inanspruchnahme gerichtlicher Hilfe zur Klarstellung von Anspruchs- und Entscheidungsgrundlagen, die der Mieter zunächst nicht liefern kann (5 Ob 146/00g).
Die Antragstellerin hat die Art der von der Antragsgegnerin durchzuführenden Erhaltungsarbeiten bezeichnet, indem sie auf die Schimmelbildung in ihrer Wohnung hinwies und verlangte, dass die baulichen Schäden, die zu dieser Schimmelbildung geführt haben, behoben werden. Das Erstgericht hat zutreffend das beantragte Sachverständigengutachten eingeholt, jedoch den Hinweis des Sachverständigen auf S 6 des Gutachtens unbeachtet gelassen, dass die von ihm vorgeschlagenen Sanierungsarbeiten, die dem erstinstanzlichen Beschluss zu Grunde liegen, nur dann eine nachhaltige Wirkung haben, wenn weitere zusätzliche Maßnahmen durchgeführt werden, wobei erst zu untersuchen ist, ob diese in bautechnischen bzw bauphysikalischen Verbesserungen bestehen oder Änderungen in der Raumbelüftung erforderlich sind oder beides zusammen. Solange nicht die im Zustand des Hauses gelegenen Ursachen aufgeklärt sind, ist die Rechtssache nicht zur Entscheidung reif.
Das Erstgericht wird daher im fortzusetzenden Verfahren mit den Parteien unter neuerlicher Beiziehung des Sachverständigen zu klären haben, welche konkreten Erhaltungsarbeiten notwendig sind, um die Ursachen der Schimmelbildung in der Bausubstanz zu beseitigen. Dass es sich hier um ernste Schäden des Hauses handelt, ist zutreffenderweise nicht mehr strittig (vgl 5 Ob 2060/96v). Nicht zu prüfen ist hingegen, ob die Mieterin selbst eine (Mit-)Ursache für die Schimmelbildung gesetzt hat bzw ob Ursachen vorhanden sind, die nicht ausschießlich im Zustand des Hauses begründet sind.
Nach Einholung des Sachverständigengutachtens wird das Erstgericht die Antragstellerin zur Präzisierung ihres Begehrens anzuleiten haben (5 Ob 146/00g).
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 37 Abs 3 Z 19 MRG. Barauslagen wurden nicht verzeichnet.