OGH vom 19.11.2002, 4Ob245/02m

OGH vom 19.11.2002, 4Ob245/02m

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Griß und Dr. Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. Otto M*****, vertreten durch Dr. Herbert Handl, Rechtsanwalt in Wiener Neustadt, gegen die beklagte Partei S*****, vertreten durch Dr. Rudolf Krilyszyn, Rechtsanwalt in Wien, über die außerordentliche Revision und den Rekurs des Klägers gegen das Teilurteil und den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom , GZ 5 R 111/02m-20, mit dem das Urteil des Landesgerichts Leoben vom , GZ 5 Cg 144/00s-16, teilweise bestätigt und teilweise aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision und der Rekurs werden zurückgewiesen.

Der Kläger ist schuldig, der Beklagten die mit 665,66 EUR bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung (darin 110,94 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Zur außerordentlichen Revision

Der Kläger macht als erhebliche Rechtsfrage geltend, dass keine Rechtsprechung zu den Sorgfaltspflichten der ein Vollrechtstreuhandkonto (im vorliegenden Fall: Anderkonto eines Rechtsanwalts) führenden Bank gegenüber den Treugebern bestehe. Die Bank habe die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns einzuhalten. Der beklagten Bank sei bekannt gewesen, dass das Treugut der V***** GmbH zugute kommen sollte und bei Berücksichtigung aller kaufmännischen Grundsätze nur über deren Konto und Buchhaltung fließen konnte. Die Beklagte habe ihre Sorgfaltspflichten gröblich verletzt, da ihr auffallen hätte müssen, dass keine einzige Überweisung direkt an die V***** GmbH gegangen sei.

Die Rechtsmittelausführungen zeigen, dass in Wahrheit nicht der die Beklagte treffende Sorgfaltsmaßstab strittig ist, sondern dass es darum geht, ob die Beklagte bei Anwendung der ihr obliegenden Sorgfalt die Überweisungen nicht hätte durchführen dürfen, weil Überweisungsempfänger nicht die V***** GmbH war. Dass nämlich die Bank für die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns einzustehen hat, ergibt sich schon aus dem Gesetz (§ 347 Abs 1 HGB; 7 Ob 575/93 = ecolex 1994, 15 ua). Im Einzelfall zu entscheiden ist aber, ob das Verhalten der Bank im konkreten Fall diesem Sorgfaltsmaßstab genügt hat. Der Kläger rügt, dass dem Berufungsgericht insoweit eine auffallende Fehlbeurteilung unterlaufen sei.

Der Kläger zieht nicht in Zweifel, dass die Bank mangels anderer Vereinbarung nicht zur Überwachung des Treuhänders verpflichtet ist; sie haftet daher auch nicht, wenn sie Verfügungen des Treuhänders durchführt, die gegen die Treuhandvereinbarung verstoßen, außer es ist ihr dabei deliktisches Verhalten vorzuwerfen (Iro in Avancini/Iro/Koziol, Österreichisches Bankvertragsrecht Rz 4/157). Das kann dann der Fall sein, wenn die missbräuchliche Verwendung der Gelder für die Bank offenkundig ist.

Offenkundig wäre die missbräuchliche Verwendung im vorliegenden Fall gewesen, wenn - wie der Kläger meint - von einem Anderkonto nur Überweisungen an die Person durchgeführt werden dürften, der das Geld zukommen soll. Für eine solche Einschränkung fehlt aber jede Grundlage. Anders als in dem der Entscheidung 2 Ob 395/97w (= SZ 71/72) zugrunde liegenden Fall, in dem gemäß § 28 Abs 2 BUAG das auf dem Treuhandkonto erliegende Geld nur Arbeitnehmern des Kontoinhabers oder - im Wege der Rückzahlung - der Urlaubs- und Abfertigungskasse zuzukommen hatte, fehlt nämlich für einen Fall wie den vorliegenden eine Gesetzesbestimmung, wonach das auf einem Anderkonto erliegende Geld nur direkt an und nicht auch für das Unternehmen geleistet werden dürfe, für das es bestimmt ist.

Damit ist klar, dass die Bank sich nicht sorgfaltswidrig verhält, wenn sie Überweisungen von einem Anderkonto durchführt, ohne zu prüfen, ob die Überweisung im Interesse desjenigen erfolgt, dem das Geld zukommen soll. Einer Rechtsprechung zu dieser Frage bedarf es daher nicht; eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO liegt nicht vor.

2. Zum Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluss

Das Berufungsgericht hat den Rekurs gegen den aufhebenden Teil seiner Entscheidung mit der Begründung zugelassen, dass keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage vorliege, „wie der Anspruch eines einzelnen Treugebers auf ein auf einem Treuhandkonto verbliebenen Restvermögen mehrerer Treugeber gegenüber der kontoführenden Bank zu realisieren ist". Das Rechtsmittel des Klägers enthält zu dieser Frage keine Ausführungen. Der Kläger bekämpft den Aufhebungsbeschluss allein mit der Begründung, dass der verbliebene Betrag von 300.000 S nicht allen Treugebern zur Verfügung gestanden wäre, weil der Treuhänder den Betrag im Jänner 1999 auf sein Konto überwiesen hätte, wenn ihn nicht die Beklagte auf das Kreditkonto des Treugebers umgebucht hätte.

Der Kläger beruft sich damit auf den von ihm behaupteten - allerdings nicht festgestellten - Umstand, der bereits verhaftete Treuhänder habe ihm bei einem Besuch in der Justizanstalt zugesichert, der Kläger werde den noch auf dem Konto befindlichen Betrag überwiesen erhalten. Der Treuhänder hätte dem Kläger damit aber eine gegenüber den anderen Treugebern treuwidrige Weisung in Aussicht gestellt, wenn - was im fortgesetzten Verfahren zu prüfen sein wird - auch die anderen Treugeber Beträge auf das Anderkonto eingezahlt haben, die weder widmungsgemäß verwendet noch ihnen zurückgezahlt wurden. Der Kläger wäre in diesem Fall nicht berechtigt, einen ihm allenfalls noch zugekommenen Betrag zu behalten; eine treuwidrige Weisung wäre daher auch nicht geeignet, seinen Anspruch auf den Restbetrag zu begründen. Das Verfahren ist daher in dem vom Berufungsgericht aufgezeigten Sinn unabhängig davon zu ergänzen, ob der Treuhänder den Restbetrag tatsächlich auf das Konto des Klägers überwiesen hätte, hätte ihn die Beklagte nicht zur Abdeckung ihrer Forderungen verwendet.

Der Rekurs war zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit des Rekurses, wenn auch nicht im Rechtsmittelantrag, so doch in der Begründung, hingewiesen; ihre Rekursbeantwortung war daher zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig. Bemessungsgrundlage ist der vom Rekurs betroffene Teil des Streitgegenstands (150.000 S = 10.900,93 EUR); der Einheitssatz beträgt 60 % (§ 23 Abs 3 RATG).