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OGH 17.03.2005, 6Ob232/04t

OGH 17.03.2005, 6Ob232/04t

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G***** AG, *****, vertreten durch Dr. Walter Strigl und Dr. Gerhard Horak, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei S***** & Co AG, *****, vertreten durch Dr. Hans Houska, Rechtsanwalt in Wien, und die Nebenintervenientin A***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Werner Masser und andere Rechtsanwälte in Wien, wegen 23.151,58 EUR, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 4 R 112/04a-21, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom , GZ 32 Cg 12/03m-16, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das Urteil des Berufungsgerichts wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts zur Gänze wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei hat der beklagten Partei die mit 3.753,02 EUR (darin enthalten 448,67 EUR USt und 1.061 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungs-und Revisionsverfahrens binnen 14Tagen zu ersetzen

Die klagende Partei hat weiters der Nebenintervenientin die mit 1.565,40 EUR (darin enthalten 260,90 EUR USt) bestimmten Kosten der Berufungsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin ist Transportversicherer der S***** AG & Co KG (S*****). Die Beklagte führte für die S***** aufgrund einer im Juni 1999 geschlossenen Vereinbarung grenzüberschreitende Transporte durch. Das Entgelt wurde pauschal nach Gewicht und Lademetern berechnet. Die Beklagte bediente sich ihrerseits der Nebenintervenientin, die einen Rundverkehr unterhielt. Ein LKW wurde einmal wöchentlich bei einer Filiale der Beklagten in Salzburg mit Gütern beladen, die als Sammelgut zu einem Tochterunternehmen der Beklagten in Dublin (S***** Dublin) transportiert wurden. Dort wurden die Güter entladen und auf die jeweiligen Empfänger verteilt. In Dublin wurde der LKW wieder mit Gütern beladen, die nach Österreich transportiert und bei der Filiale der Beklagten in Salzburg auf die jeweiligen Eigentümer aufgeteilt wurden. Bei einem Transport von Elektronikteilen der Firma K***** in Irland zur Filiale der Beklagten in Salzburg im März 2002 ging ein Ladegut im Gewicht von 305 kg verloren. Die Klägerin ersetzte der S***** 23.351,58 EUR als Verlustschaden.

Die Klägerin begehrte diesen Betrag aufgrund der Legalzession und auch einer behaupteten vertraglichen Abtretung von der Beklagten und brachte vor, die Beklagte sei mit der Beförderung der Elektronikteile von der Firma K***** nach Graz beauftragt gewesen und habe das Transportgut am durch einen von ihr beauftragten Frachtführer beim Absender übernommen. Es sei unbekannt, wo und wann das Frachtgut in Verlust geraten sei. Die Beklagte sei der Pflicht zur Darlegung ihrer Organisation und der am Transport beteiligten Unternehmen sowie ihrer im Allgemeinen und im Konkreten gepflogenen Maßnahmen zur Vermeidung von derartigen Transportverlusten nicht nachgekommen. Sie hafte daher wie bei Vorliegen grober Fahrlässigkeit, weshalb ihr die Berufung auf die haftungsbeschränkenden Bestimmungen der CMR, die hier anzuwenden seien, versagt bleibe.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Zwischen ihr und der Versicherungsnehmerin der Klägerin habe kein Vertragsverhältnis bestanden. Abgesehen davon sei ihr kein Organisationsverschulden anzulasten. Der ausführende Frachtführer (die Nebenintervenientin) sei ständig mit Irland-Transporten befasst gewesen. Die betreffende Vereinbarung der Beklagten bestehe seit 1992. Trotz intensiver Nachforschungen sei es nicht möglich gewesen zu ermitteln, ob ein Beladefehler in Dublin oder ein Entladefehler anlässlich der einzelnen Teilentladungen vorgelegen sei. Es habe sich erst bei der letzten Entladestelle in Salzburg ergeben, dass ein Teil der Sendung nicht eingelangt sei. Soweit der Beklagten bekannt sei, habe sich der ausführende Frachtführer sehr bemüht, den Verlust aufzuklären. Für die Beladung des Trailers sei einerseits ihre Filiale in Salzburg, andererseits S***** Dublin verantwortlich. Die Verkäuferin Firma K***** habe der Spedition S***** Dublin den Transportauftrag erteilt, die den Trailer nach Beladen zum Hafen in Dublin befördert habe. Die Nebenintervenientin habe die L***** GmbH beauftragt, die Beförderung des Containers nach Salzburg durchzuführen, wo dieser völlig unbeschädigt eingelangt sei. Vom ausführenden Frachtführer sei die komplette Ladung übernommen worden. Es komme daher nur ein Versehen entweder schon bei der Beladung in Dublin oder bei einer der Entladestellen in Frage. Es seien allerdings alle Suchmeldungen erfolglos geblieben. Der Auflieger sei während der gesamten Transportdauer bewacht gewesen. Besondere Vorfälle seien nicht eingetreten.

Die Nebenintervenientin brachte vor, dass der Transport wie folgt abgewickelt worden sei:

Der Auflieger sei von S***** Dublin durch den Fahrer Damien R***** zum Hafen Dublin befördert und dort im bewachten Gelände der Irish Ferries Ltd abgestellt worden. Durch die Irish Ferries Ltd sei der Auflieger sodann zum Hafen Holyhead auf der Fähre befördert und nach Beendigung der Überfuhr von Irish Ferries Ltd entladen und auf deren bewachtem Gelände abgestellt worden. Dort hätten die Fahrer Csaba M***** und Janos C***** den Auflieger in Empfang genommen und den weiteren Transport durchgeführt. Die Beförderung von Holyhead nach Österreich sei auftrags der Nebenintervenientin durch die L***** GmbH durchgeführt worden. Der Auflieger sei während der gesamten Transportdauer unter Kontrolle bzw bewacht gewesen. Besondere Vorfälle seien nicht eingetreten. Der Auflieger sei bis zum Schluss äußerlich unbeschädigt geblieben, sodass ausgeschlossen werden könne, dass Unbefugte Zugriff zu den geladenen Waren gehabt hätten. Als einzige Schadensursache komme ein Versehen bei einer der Entladestellen in Frage. Ein solches könne auch bei Einhaltung aller zumutbaren Vorsichtsmaßnahmen nicht ausgeschlossen werden. Grobes Verschulden liege nicht vor. Zum Beweis für ihr Vorbringen bot die Nebenintervenientin die Einvernahme ihres Geschäftsführers, eines Angestellten der Irish Ferries Ltd und die drei genannten Kraftfahrer an.

Diesem Vorbringen schloss sich die Beklagte an und führte weiters noch den Sachbearbeiter ihrer Filiale in Salzburg als Zeugen.

Im Rechtsmittelverfahren ist unstrittig, dass das verloren gegangene Frachtgut nach Zustellung des Ersturteils bei einer der Entladestellen in Deutschland wieder aufgefunden wurde.

Das Erstgericht erkannte die Beklagte schuldig, der Klägerin 2.990 EUR samt den begehrten Zinsen aus diesem Betrag zu zahlen und wies das Mehrbegehren von 20.361,58 EUR samt Zinsen ab. Es traf folgende Feststellungen:

Die Elektronikteile wurden von der Firma K***** zu S***** Dublin transportiert, wobei nicht festgestellt werden konnte, wie dieser Transport erfolgte. Danach übernahm die Firma C***** - eine Tochtergesellschaft der Nebenintervenientin - das Transportgut und transportierte es von S***** Dublin zum Hafen Dublin. Der Hafen ist bewacht. Danach wurde das Transportgut auf einem Auflieger nach Holyhead, einem Hafen in England, verschifft. Mit dem weiteren Transport beauftragte die Nebenintervenientin die Firma L*****. Der Auflieger wurde von einem LKW dieses Unternehmens übernommen und durch England nach Ramsgate transportiert. Dort wurde der LKW samt Auflieger auf eine Fähre verladen, die nach Ostende ging. Im Verladeraum der Fähre stand ein LKW platzsparend knapp neben dem anderen. Der Verladeraum der Fähre war versperrt. Nach der Ankunft in Ostende fuhr der LKW die erste Entladestelle in Belgien an, danach drei weitere Entladestellen in Deutschland und kam zuletzt bei der Filiale der Beklagten in Salzburg an. Dort wurde der Verlust des Transportguts festgestellt. Es kann nicht festgestellt werden, wodurch es zu diesem Verlust kam. Der Transport wird auf die festgestellte Weise von der Beklagten in Zusammenarbeit mit der Nebenintervenientin schon seit mehreren Jahren durchgeführt „und ist gut organisiert“. Manchmal kommt es zum Verlust von Transportgütern. Dies ist jedoch niemals auszuschließen.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, dass eine Spedition zu fixen Kosten vorgelegen sei und die CMR zur Anwendung kämen. Die Beklagte habe als Frachtführer für den Verlust des Transportguts nach Art 17 Z 1 CMR einzustehen. Die Haftung des Frachtführers für leichtes Verschulden sei jedoch gemäß Art 23 Z 3 CMR mit dem außer Streit stehenden Betrag von 2.990 EUR beschränkt. Gemäß Art 29 CMR könne sich der Frachtführer bei grobem Verschulden nicht auf dieses Haftungsprivileg berufen. Es treffe den Frachtführer die Darlegungspflicht über die Organisation in seinem Unternehmen zur Sicherung des übernommenen Frachtguts und die im konkreten Fall gepflogenen Maßnahmen. Dieser Darlegungspflicht seien die Beklagte und die Nebenintervenientin nachgekommen. Dies sei auch durch die Aussage des Geschäftsführers der Nebenintervenientin belegt worden. Die Beklagte habe sich daher zu Recht auf das Haftungsprivileg gemäß Art 23 Z 3 CMR berufen. Nur in diesem Umfang sei der Schadenersatzanspruch auf die Klägerin gemäß § 67 VersVG übergegangen.

Das Berufungsgericht änderte dieses von der Klägerin im abweisenden Teil bekämpfte Urteil dahin ab, dass es dem Klagebegehren in der Hauptsache zur Gänze stattgab und nur ein Zinsenteilbegehren abwies. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Ob die Organisation gut oder mangelhaft im Sinn eines Organisationsverschuldens sei, stelle keine Tat-, sondern eine Rechtsfrage dar. Die diesbezügliche Ansicht des Erstgerichts treffe nicht zu. Der Oberste Gerichtshof vertrete im Bereich des Straßentransports zur Behauptungs- und Beweislast über die Umstände, die für eine verlässliche Beurteilung des Verschuldens am Verlust oder der Beschädigung des Frachtgutes festgestellt werden müssten, die Auffassung, dass den Frachtführer die Entlastungspflicht für mangelndes Verschulden nur hinsichtlich des leichten Verschuldens treffe. Demgegenüber habe der Geschädigte den Vorsatz oder die grobe Fahrlässigkeit des Frachtführers zu beweisen. Die besondere frachtrechtliche Situation könne aber dazu führen, dass der Geschädigte mit dem Beweis von Umständen belastet werde, die in der Sphäre des Frachtführers lägen und die er ohne ausreichende Aufklärung nicht kennen könne. Den Frachtführer treffe in diesen Fällen nach Treu und Glauben eine Darlegungspflicht über die Organisation in seinem Unternehmen zur Sicherung des übernommenen Gutes und über die im konkreten Fall gepflogenen Maßnahmen. Die Bejahung einer Darlegungspflicht des Frachtführers über die Organisation seines Unternehmens bedeute keineswegs eine Umkehr dieser Beweislast, sie verhindere nur, dass der im Regelfall über die Organisation des Frachtführers nicht informierte Auftraggeber in einen nicht behebbaren Beweisnotstand gerate, obwohl feststehe, dass die Fracht in der Sphäre des Frachtführers verloren gegangen sei. Wenn der Frachtführer seiner prozessualen Mitwirkungspflicht nachkomme, bleibe es Sache des Geschädigten, nachzuweisen, dass ein schuldhafter Organisationsfehler oder ein konkreter Fehler beim Transport den Schaden verursacht habe. Die Verletzung der Darlegungsobliegenheit führe zum Schluss, dass ein qualifiziertes Verschulden des Frachtführers vorliege (SZ 74/191 mwN). Demnach dürfe sich der Frachtführer nicht bloß darauf beschränken, das Klagebegehren zu bestreiten. Er müsse das Informationsdefizit des Klägers durch ein detailliertes Vorbringen zum Ablauf des Betriebs und zu den ergriffenen Sicherungsmaßnahmen aufzeigen. Dies sei hier nicht geschehen, weil die Beklagte nicht einmal vorgebracht habe, welcher Frachtführer auf welchen Teilstrecken den Transport mit welchen Fahrern tatsächlich durchgeführt habe. Dies zeige sich insbesondere dadurch, dass aufgrund des Vorbringens des Beklagten nicht einmal festgestellt habe werden können, auf welche Weise und durch welchen von der Beklagten beauftragten Frachtführer die Beförderung des Transportguts vom Absender, der Firma K*****, zum Lager von S***** Dublin ausgeführt worden sei. Es könne daher nicht einmal beurteilt werden, ob die Ware bei S***** Dublin eingelangt oder ob sie etwa schon auf der ersten Teilstrecke in Verlust geraten sei. Die genannten LKW-Fahrer könnten einem Unternehmen nicht zugeordnet werden. Die Be- und Entladestellen in Deutschland und Belgien seien nicht bekannt. Die Beklagte habe auch nicht vorgebracht, welche physischen Kontrollen an den einzelnen Schnittstellen zur Verhinderung des Verlusts der Ladung durch eigene Fehler oder durch Fehler der Frachtführer oder Einwirkung Dritter eingerichtet und welche organisatorische Maßnahmen zur Wiederauffindung des Guts ergriffen worden seien. Das Vorbringen, der Auflieger sei während der gesamten Transportdauer unter Kontrolle bzw bewacht und bis zum Schluss äußerlich unbeschädigt gewesen, könne dieses Defizit nicht aufheben. Die ordentliche Revision sei nicht zulässig, weil das Berufungsgericht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs entschieden habe.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Beklagten ist jedoch zulässig und auch berechtigt, weil das Berufungsgericht zwar die Grundsätze der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Haftungsbeschränkung des Frachtführers (unter anderem nach Art 23 Abs 3 iVm Art 29 Abs 1 CMR), zur Beweislast des Geschädigten und zur Darlegungspflicht des Frachtführers (SZ 66/89; SZ 69/134; RIS-Justiz RS0062591) zutreffend wiedergegeben, jedoch unrichtig und im Widerspruch zu Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs in vergleichbaren Fällen angewendet hat. Jener Entscheidung, die vom Berufungsgericht zitiert wurde (6 Ob 267/01k = SZ 74/191), lag ein wesentlich anders gelagerter Sachverhalt zugrunde. Dort wurde das Transportgut offenbar aus einem Zwischenlager mit vollautomatischem Lagersystem gestohlen; die Beklagte hatte das Transportgut nur EDV-mäßig behandelt und zu Sicherungsmaßnahmen zur Verhinderung von Diebstählen nichts vorgetragen. In der Entscheidung 6 Ob 349/97k hat der Oberste Gerichtshof jedoch bei einem keineswegs umfassenderen Vorbringen des beklagten Frachtführers wie im vorliegenden Fall über die Art der Versendung des Transportguts und der Transportorganisation die Erfüllung der Darlegungspflicht bejaht und (unter Hinweis auf Thume, Die Haftung des Spediteurs für Kardinalfehler und grobe Organisationsmängel, Transportrecht1991, 209 f) ausgesprochen, die Beweislast, dass der Beklagte durch eine schwer mangelhafte Organisation grob fahrlässig gehandelt habe, verbleibe beim Geschädigten. Auch in dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Verfahren wurde die Negativfeststellung getroffen, dass nicht festgestellt werden könne, wann, wo und wie die Sendung in Verlust geraten sei. In dieser Entscheidung wurde weiters betont, dass nicht jeder Organisationsfehler als typischerweise grob fahrlässig zu qualifizieren sei. Es sei einleuchtend, dass gerade Schnittstellen im Transport gefahrenträchtig seien. Dabei dürfe aber nicht übersehen werden, dass im modernen Massenverkehr und bei Massenabfertigung - wenn Sammelladung und nicht etwa wertvolle Stückgutversendung vereinbart sei - der Verlust einzelner Stücke nie gänzlich ausgeschlossen werden könne. In dem der Entscheidung 7 Ob 160/00f (RdW 2001/168, 150) zugrunde liegenden Verfahren traf das Erstgericht ebenfalls die Feststellung, dass nicht geklärt werden könne, wann, an welchem Ort und auf welche Weise die in Verlust geratene Teilladung nach Übergabe an das Transportunternehmen verloren gegangen sei. Auch in dieser Entscheidung betonte der Oberste Gerichtshof, dass die Beweislast, dass der Frachtführer etwa durch eine schwer mangelhafte Organisation grob fahrlässig gehandelt habe, verbleibe dem Geschädigten, dessen Auskunftsanspruch nämlich nicht so weit gehen dürfe, dass er faktisch eine Entlastungspflicht des Frachtführers und damit eine Beweislastumkehr schaffe, die sich nach Art 41 Abs 2 CMR (wonach jede Abmachung, durch die die Beweislast verschoben werde, nichtig sei) verbiete. Die Ansicht, dass der Ersatzberechtigte seiner Beweispflicht für ein vorsätzlich oder grob fahrlässiges Handeln des Frachtführers schon Genüge getan habe, wenn dieser die Schadensursache nicht erklären könne und dies praktisch bedeute, dass nur eine vollständige Aufklärung der Schadensursache zur Entlastung des Frachtführers führen könne, sei abzulehnen. Lasse sich die Schadensursache letztlich nicht erklären, treffe das „non liquet“ den Anspruchsteller. Denn in der Regel der Fälle, in denen sich der Frachtführer nicht entlasten könne, bleibe auch der Verschuldensgrad offen, so dass das Misslingen des Entlastungsbeweises hinsichtlich des Verschuldengrads zur Haftung des Frachtführers ohne die Beschränkungen der Art 17 ff CMR führen würde. Dies sei aber nicht Sinn der Haftungsregelungen der CMR. Daran ändere auch die Pflicht des Frachtführers nichts, in zumutbarem Rahmen zur Aufklärung der Ursachen des in seinen Bereich eingetretenen Schadens beizutragen. Ein möglicher Verlust des Ladeguts beim Umladen begründe noch kein grobes Verschulden.

An diesen Rechtsgrundsätzen ist festzuhalten. Sie bedeuten für den hier zu beurteilenden Sachverhalt, dass eine Verletzung der Darlegungspflicht im Sinne einer prozessualen Mitwirkungspflicht des beklagten Frachtführers zur Erforschung der Wahrheit, die der durch komplizierte Transportabläufe verursachten Beweisnot des Auftraggebers entgegenwirken soll (SZ 74/191), nicht erkennbar ist. Entgegen den teils aktenwidrigen Ausführungen des Berufungsgerichts hat die Nebenintervenientin, deren Vorbringen die Beklagte beigetreten ist, die einzelnen Abschnitte des Transports konkret dargestellt und die ausführenden Unternehmer und ihre LKW-Fahrer namentlich genannt. Dafür, dass diese Behauptungen sowie die Behauptung, dass der Auflieger während der gesamten Transportdauer, insbesondere auch auf Abstellplätzen und auf der Fähre, unter Kontrolle und bewacht gewesen sei, unrichtig gewesen sein sollen, ergaben sich keinerlei Anhaltspunkte. Aus den Ausführungen der Nebenintervenientin und der Beklagten geht auch hervor, dass die Beförderung des Transportguts bis zur S***** Dublin nicht von der Beklagten oder deren Unterfrachtführern, sondern von der Firma K***** durchgeführt oder zumindest organisiert wurde. Weiters hat die Beklagte behauptet, dass der ausführende Frachtführer die Komplettladung übernommen habe, worunter im Zusammenhang mit dem sonstigen Vorbringen der Beklagten nur gemeint sein konnte, dass die Ladung zumindest bis zu ihrem Verladen bei S***** Dublin noch komplett war. Die Richtigkeit dieser Behauptung wurde von der Klägerin nicht in Zweifel gezogen. Zu einer näheren Darlegung der Art und Weise der Transports von der Firma K***** bis zu S***** Dublin bestand daher keine Veranlassung, auch wenn die schriftlich zwischen der Versicherungsnehmerin der Klägerin und der Beklagten geschlossene Transportvereinbarung dahin lautete, dass die Beklagte die Fahrt ab dem Werk der Firma K***** zu übernehmen habe. Der Beklagten kann daher auch für diesen Streckenabschnitt keine Verletzung ihrer Darlegungspflicht angelastet werden. Die Ansicht des Berufungsgerichts, die Beklagte habe ihrer Darlegungspflicht insgesamt nicht entsprochen und hafte daher wie für grobe Fahrlässigkeit, führte zu dem nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abzulehnenden Ergebnis, das bei ungeklärter Schadensursache der Frachtführer trotz gegenteiliger gesetzlicher Bestimmungen ohne Haftungsbeschränkung Schadenersatz leisten müsste. Dass die Beklagte keine Behauptungen über Kontrollen bei den einzelnen Schnittstellen aufgestellt hat, schadet nicht, weil - folgend den Entscheidungen 6 Ob 349/97k und 7 Ob 160/00f - das Fehlen von Kontrolleinrichtungen bei Schnittstellen und Umladevorgängen nicht als grobes Organisationsverschulden anzusehen ist.

Es ist daher das Ersturteil, das zutreffend die Haftungsbeschränkung der Beklagten gemäß Art 23 Z 3 CMR bejahte, wiederherzustellen.

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungs-und Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO. Die Bemessungsgrundlage im Revisionsverfahren beträgt nur 20.361,58 EUR.

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G***** AG, *****, vertreten durch Dr. Walter Strigl und Dr. Gerhard Horak, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei S***** AG, *****, vertreten durch Dr. Hans Houska, Rechtsanwalt in Wien, und die Nebenintervenientin A***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Werner Masser und andere Rechtsanwälte in Wien, wegen 23.151,58 EUR, AZ 32 Cg 12/03m des Handelsgerichts Wien, über den Antrag der Nebenintervenientin den Beschluss

gefasst:

Spruch

Das Urteil des Obersten Gerichtshofs vom , AZ 6 Ob 232/04t, wird dahin ergänzt, dass der Kostenentscheidung folgender Ausspruch angefügt wird:

„Die klagende Partei hat weiters der Nebenintervenientin die mit 1.565,40 EUR (darin enthalten 260,90 USt) bestimmten Kosten der Berufungsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen."

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Die Nebenintervenientin beantragte die Ergänzung der Kostenentscheidung wie aus dem Spruch ersichtlich. Dem Antrag ist gemäß § 423 ZPO stattzugeben, weil der gemäß den §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO vorzunehmende Kostenzuspruch an die Nebenintervenientin für die von ihr verzeichneten Kosten der Berufungsbeantwortung versehentlich unterblieben ist.

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Rechtsgebiet
Zivilrecht
ECLI
ECLI:AT:OGH0002:2005:0060OB00232.04T.0317.000
Datenquelle

Fundstelle(n):
HAAAD-44006