OGH vom 01.08.2003, 1Ob184/03w
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** GmbH, ***** vertreten durch Dr. Günther Klepp, Dr. Peter Nöbauer und Mag. Franz Hintringer, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei R***** GmbH & Co KG, ***** vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in Linz, wegen EUR 42.000 sA infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom , GZ 6 R 65/03a-28, mit dem das Urteil des Landesgerichts Linz vom , GZ 2 Cg 69/01x-21, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs kann ein in der Berufung geltend gemachter, vom Berufungsgericht jedoch verneinter Mangel des Verfahrens erster Instanz in der Revision nicht mehr gerügt werden, weil kein Mangel des Berufungsverfahrens im Sinne des § 503 Z 2 ZPO vorliegt, wenn sich das Berufungsgericht mit der Verfahrensrüge auseinandergesetzt hat (vgl dazu nur die Nachweise bei Kodek in Rechberger2, Rz 3 zu § 503 ZPO).
Der bereits vom Berufungsgericht geprüfte (und abgelehnte) Vorwurf, das Erstgericht hätte zu Unrecht davon abgesehen, zu bestimmten Fragen des Steuerrechts ein Sachverständigengutachten bzw Auskünfte der Finanzbehörde einzuholen, kann daher vom Revisionsgericht nicht neuerlich überprüft werden.
2. Gemäß § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision nur zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist. Aus dem Verweis auf die "Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs" ist zu schließen, dass das Gesetz hier in erster Linie Rechtsfragen (des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts) im Auge hat, die einer Beurteilung durch die Zivilgerichte unterliegen, was vor allem auf Fragen des Zivilrechts und des Zivilprozessrechts zutrifft. Zur Fortentwicklung der Judikatur in anderen Rechtsgebieten bzw zur Fällung grundlegender Entscheidungen etwa auf dem Gebiete des Verwaltungsrechts ist der Oberste Gerichtshof nicht berufen. Dies gilt auch für die Auslegung steuerrechtlicher Normen, wofür dem Obersten Gerichtshof keine Leitfunktion zukommt (vgl nur immolex 1998/119 = MietSlg 49.695 = WoBl 1998/126). Enthält ein Steuergesetz nach seinem Wortlaut klare Regelungen, so ist es nicht Sache des Obersten Gerichtshofs zu überprüfen, ob in bestimmten Fällen vom Gesetzeswortlaut abgewichen werden kann oder gar muss, insbesondere wenn - worauf die Revisionswerberin hinweist - der Verwaltungsgerichtshof ein solches Abweichen noch nicht ausdrücklich für zulässig erklärt hat.
3. Der Einwand der mangelnden Fälligkeit der Kaufpreisforderung geht schon deshalb ins Leere, weil diese spätestens mit der Einforderung durch den Verkäufer eintritt, ohne dass dafür die Übermittlung einer (den steuerrechtlichen Vorschriften entsprechenden) Rechnung erforderlich wäre (Nachweise etwa bei Aicher in Rummel3 I, Rz 14 zu § 1062 ABGB).
4. Mit den Vorinstanzen nimmt die Revisionswerberin zu Recht an, die Kaufpreisvereinbarung zwischen den Streitteilen müsse so verstanden werden, dass die beklagte Partei zusätzlich zum fixierten Nettopreis auch noch die 20 %-ige Umsatzsteuer zu zahlen hat, sofern eine solche nach den einschlägigen steuerrechtlichen Vorschriften anfällt. Schon deshalb geht der bloße Hinweis darauf, es entspreche der "gängigen Praxis" in "gegenständlichen Angelegenheiten", nicht nur die Direktlieferungen ins Ausland, sondern auch die im Inland durchgeführten Zwischenlieferungen als Teil der Gesamtlieferung zu betrachten und somit insgesamt von einer umsatzsteuerfreien Ausfuhrlieferung auszugehen, ins Leere. Wie bereits dargelegt, kann es bei der Auslegung der zwischen den Streitteilen zustandegekommenen Kaufpreisvereinbarung nicht auf die "gängige Praxis" nicht näher konkretisierter Finanzbehörden ankommen, sondern ausschließlich auf die Gesetzeslage. Die Revisionswerberin versucht aber nicht einmal ansatzweise darzulegen, aus welcher Bestimmung des Umsatzsteuergesetzes bzw aufgrund welcher rechtlicher Erwägungen sich eine Umsatzsteuerfreiheit der Lieferung der klagenden Partei ergeben könnte.
Soweit das Berufungsgericht der Rechtsbehauptung der beklagten Partei, es liege eine umsatzsteuerfreie Ausfuhrlieferung vor, entgegengehalten hat, dass nach § 7 Abs 1 UStG eine Umsatzsteuerfreiheit nur dann eintritt, wenn der Unternehmer (hier: die klagende Partei) den Gegenstand der Lieferung in das Drittlandsgebiet befördert oder versendet hat (Z 1) bzw wenn der Unternehmer das Umsatzgeschäft mit einem ausländischen Abnehmer abgeschlossen und der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das Drittland befördert oder versendet hat (Z 2), kann darin eine unrichtige Lösung der (steuerrechtlichen) Vorfrage nicht gesehen werden: Im vorliegenden Fall liegt weder eine direkte Lieferung durch die klagende Partei als Verkäuferin ins Ausland vor, noch ist die beklagte Käuferin als "ausländischer Abnehmer" zu qualifizieren. Dass Steuerfreiheit auch dann eintreten soll, wenn zwar nicht der Unternehmer (Verkäufer) selbst die Ware in das Drittlandgebiet befördert oder versendet, sondern die Lieferung - wie hier - im Inland erfolgt, wohl aber der Erwerber - aufgrund einer eigenen vertraglichen Verpflichtung gegenüber dem Letztabnehmer - die Ware ins Ausland bringt, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. Es ist auch nicht ersichtlich, warum die Umsatzsteuerfreiheit der Lieferung der beklagten Partei ins Ausland gleichzeitig die Umsatzsteuerbefreiung des inländischen Erwerbsvorgangs auslösen sollte. Auch die Revisionswerberin vermag dies nicht einmal andeutungsweise darzutun; der Verweis auf den (kaum ergiebigeren) Inhalt der Berufungsschrift stellt im Übrigen keine gesetzmäßige Ausführung der Revision dar.
Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).