Suchen Hilfe
OGH 30.05.2016, 6Ob105/16h

OGH 30.05.2016, 6Ob105/16h

Rechtssatz


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Norm
VfGG §62a Abs6
RS0131162
Ein in der Hauptsache eingebrachter Antrag nach Art 140 Abs 1 Z 1 lit d B‑VG führt nicht dazu, dass die Gerichte im Verfahren zur Erlassung einer einstweiligen Verfügung im Sinne des § 62a Abs 6 VerfGG innezuhalten hätten, weil die Dringlichkeit einstweiliger Verfügungen keinen Aufschub gestattet und die Entscheidungen ohnehin keine abschließenden Regelungen darstellen.

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei E***** A*****, vertreten durch Dr. Helene Klaar und Dr. Norbert Marschall, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei und Gegner der gefährdeten Partei Dipl.-HTL-Ing. W***** J*****, vertreten durch Dr. Richard Wolf, Rechtsanwalt in Wien, als Verfahrenshelfer, wegen Unterhalts, über den „außerordentlichen“ Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 45 R 104/16a-275, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Hernals vom , GZ 8 C 92/05p-260, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Akt wird dem Erstgericht zurückgestellt.

Text

Begründung:

Zwischen den Streitteilen behängt ein Ehegattenunterhaltsverfahren. Derzeit ist der Beklagte zur Zahlung eines Unterhaltsbeitrags von monatlich 763,06 EUR verpflichtet.

Das Erstgericht wies den Provisorialantrag der Klägerin auf Leistung eines weiteren Unterhaltsbeitrags von monatlich 336,97 EUR ab.

Das Rekursgericht sprach der Klägerin einen weiteren Unterhaltsbeitrag von monatlich 53,56 EUR zu, bestätigte im Übrigen die Antragsabweisung und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig ist.

Nunmehr legte das Erstgericht dem Obersten Gerichtshof den außerordentlichen Revisionsrekurs des Beklagten vor. Diese Vorgangsweise widerspricht der Rechtslage:

Rechtliche Beurteilung

1. Nach § 402 Abs 4, § 78 EO sind auf Revisionsrekurse im Provisorialverfahren grundsätzlich die Vorschriften der Zivilprozessordnung anzuwenden. Die Ermittlung des Werts des vom Rekursgericht behandelten Entscheidungsgegenstands hat sich deshalb nach den allgemeinen Bewertungsvorschriften der JN zu richten (§ 526 Abs 3, § 500 Abs 3 ZPO) und bestimmt sich beim Unterhalt nach § 58 Abs 1 JN mit dem 36-fachen des im Rekursverfahren strittigen (RIS-Justiz RS0122735 [T1, T2]) monatlichen Erhöhungs- oder Herabsetzungsbegehrens (RIS-Justiz RS0046543). Dies sind im vorliegenden Verfahren 12.130,92 EUR (336,97 x 36).

2. Gemäß § 528 Abs 2 Z 1a ZPO ist der Revisionsrekurs in familienrechtlichen Streitigkeiten nach § 49 Abs 2 Z 1 und 2 JN vorbehaltlich des § 528 Abs 2a ZPO jedenfalls unzulässig, wenn der Entscheidungsgegenstand zweiter Instanz – wie hier – insgesamt 30.000 EUR nicht übersteigt und das Rekursgericht ausgesprochen hat, dass der Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Ein außerordentlicher Revisionsrekurs ist deshalb im vorliegenden Fall nicht zulässig (§ 528 Abs 3 ZPO); vielmehr ist nach § 528 Abs 2a, § 508 ZPO im Wege eines mit einem ordentlichen Revisionsrekurs verbundenen Abänderungsantrags beim Rekursgericht Abhilfe zu suchen (jüngst 1 Ob 223/15y).

Aus diesem Grund war das Rechtsmittel des Beklagten ungeachtet der Bezeichnung als „außerordentlicher“ Revisionsrekurs jedenfalls nicht dem Obersten Gerichtshof vorzulegen. Ob der Rechtsmittelschriftsatz der Verbesserung bedarf, bleibt der Beurteilung der Vorinstanzen vorbehalten.

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei E***** A*****, vertreten durch Dr. Helene Klaar Dr. Norbert Marschall Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die beklagte Partei und Gegner der gefährdeten Partei Dipl.-HTL-Ing. W***** J*****, vertreten durch Dr. Richard Wolf, Rechtsanwalt in Wien, als Verfahrenshelfer, wegen Unterhalts, über den Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 45 R 104/16a-275, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Hernals vom , GZ 8 C 92/05p-260, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Der Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit 225,43 EUR (darin 37,57 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§§ 402, 78 EO, § 526 Abs 2 ZPO) – Ausspruch des Rekursgerichts ist der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig:

Das Rekursgericht, das der unterhaltsberechtigten Frau während aufrechter Ehe einen weiteren Unterhaltsbetrag von 53,56 EUR zuerkannt hatte, begründete seinen über Antrag des unterhaltspflichtigen Mannes abgeänderten Zulässigkeitsausspruch damit, es sei dessen Einwand nicht von der Hand zu weisen, dass der Lebensunterhalt der Frau nicht gefährdet sei, weil sie ohnehin über einen Unterhaltstitel über 763,06 EUR verfüge. Tatsächlich trete auch die jüngere Literatur für eine strengere Prüfung der Gefährdung des Lebensunterhalts im Unterhaltsprovisorialverfahren ein.

Der Oberste Gerichtshof hat erst jüngst (1 Ob 235/11g; 7 Ob 226/11b) auf seine ständige Rechtsprechung verwiesen, wonach Gegenstand einer Provisorialmaßnahme nach § 382 Abs 1 Z 8 lit a EO der einstweilige angemessene und nicht bloß der notwendige Unterhalt sei (8 Ob 1647/91; 1 Ob 179/00f; 9 Ob 113/01k; 6 Ob 22/02g; 6 Ob 23/02d; 6 Ob 134/03d; 3 Ob 243/03m; 5 Ob 29/04g; 6 Ob 299/05x uva; vgl auch 8 Ob 49/16p), und die gegen diese Rechtsprechung erhobene Kritik von König (Einstweilige Verfügungen im Zivilverfahren³ [2007] Rz 4/7, 4/15) und Gitschthaler (Unterhaltsrecht² [2008] Rz 825/4 sowie in Gitschthaler/Höllwerth, EuPR [2011] § 382 Abs 1 Z 8 lit a EO Rz 15) verworfen. Einer neuerlichen Auseinandersetzung mit dieser Kritik bedarf es nicht. Dass der nunmehr insgesamt festgesetzte (Provisorial-)-Unterhalt in Höhe von 816,62 EUR unter Berücksichtigung der Einkommensverhältnisse der Parteien nicht angemessen wäre, führt der Revisionsrekurs nicht näher aus, sondern verweist auf die fehlende Rechtskraft der Entscheidung im Hauptverfahren.

Der in der Hauptsache eingebrachte Antrag nach Art 140 Abs 1 Z 1 lit d B-VG führt schon deshalb nicht dazu, dass die Gerichte im Verfahren zur Erlassung einer einstweiligen Verfügung im Sinne des § 62a Abs 6 VerfGG innezuhalten hätten, weil die Dringlichkeit einstweiliger Verfügungen keinen Aufschub gestattet und die Entscheidungen ohnehin keine abschließenden Regelungen darstellen (Grabenwarter/Musger, Praxisfragen der Gesetzesbeschwerde im Zivilverfahren, ÖJZ 2015/75; vgl im Übrigen auch § 62a Abs 1 Z 9 VerfGG und VfGH G 84/2016).

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO, §§ 78, 402 EO. Die Revisionsrekursbeantwortung hat auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses hingewiesen. Der Schriftsatz ist daher als zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig anzusehen. Im Revisionsrekursverfahren war aber nur mehr ein Teilbetrag von 53,56 EUR strittig, womit die Bemessungsgrundlage unter Berücksichtigung des § 9 Abs 3 RATG 642,72 EUR betrug.

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Rechtsgebiet
Zivilrecht
ECLI
ECLI:AT:OGH0002:2016:0060OB00105.16H.0530.000
Datenquelle

Fundstelle(n):
ZAAAD-43913