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OGH vom 14.07.2005, 6Ob105/05t

OGH vom 14.07.2005, 6Ob105/05t

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Moringer & Moser Rechtsanwälte OEG in Linz, gegen die beklagte Partei B***** AG, *****, vertreten durch Dr. Wolfgang Gewolf und andere Rechtsanwälte in Klagenfurt, wegen 104.958,94 EUR, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom , GZ 2 R 17/05w-13, womit das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom , GZ 24 Cg 95/04h-7, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Ob ein Vertrag im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, stellt nur dann eine erhebliche Rechtsfrage dar, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde (RIS-Justiz RS0042936). Eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO liegt selbst dann nicht vor, wenn (auch) die vom Rechtsmittelwerber angestrebte Vertragsauslegung vertretbar ist (4 Ob 171/97v ua). Auch die im Rahmen eines Garantievertrags abgegebenen Erklärungen des Garanten unterliegen den Auslegungsregeln der §§ 914, 915 ABGB (RIS-Justiz RS0033002, RS0017670), sodass deren Interpretation regelmäßig keine erheblichen Rechtsfragen aufwirft (9 Ob 122/01h). Dies gilt ebenso für eine in der Bankgarantie enthaltene Effektivklausel (1 Ob 66/04v).

Die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung der vorliegenden Garantieerklärung hält sich im Rahmen der von den von der Rechtsprechung entwickelten Auslegungsgrundsätze. Demnach ist bei einer abstrakten Bankgarantie der Garantievertrag vom Bestand der gesicherten Hauptschuld grundsätzlich unabhängig, wobei die Abstraktheit durch die Formulierungen betreffend die Zahlungspflicht wie „auf erstes Abfordern" oder „ohne Einwendungen" besonders betont wird (RIS-Justiz RS0016992). Die Verpflichtung, Zahlung zu leisten, entsteht allein durch die Inanspruchnahme, die nach dem Garantievertrag den formellen Garantiefall bildet (4 Ob 2330/96t). Es liegt im Wesen der Bankgarantie, auf die bloße Behauptung hin, der Garantiefall sei eingetreten, den Begünstigten zunächst einmal Zahlung zu verschaffen und seinen Vertragspartner auf den Weg einer Rückforderungsklage zu verweisen. Das Gemeinsame aller abstrakten Ansprüche besteht darin, dass bei ihrer Inanspruchnahme die Frage der endgültigen materiellen Berechtigung erst in einem „Nachverfahren" geprüft werden soll (9 Ob 319/99y). Auch im vorliegenden Fall wurde ein dem Wesen der Bankgarantie entsprechender grundsätzlicher Ausschluss von Einwendungen aus dem Valuta- oder Deckungsverhältnis durch die Wendung betont, dass die Verpflichtung zur Auszahlung des Garantiebetrags „ohne Prüfung des zugrundeliegenden Rechtsverhältnisses" übernommen werde.

Infolge der Abstraktheit der Garantie sind bloß jene Einwendungen gegen ihre Inanspruchnahme nicht ausgeschlossen, die sich aus der Auslegung des Garantietextes selbst ergeben (SZ 61/63). In der vorliegenden Garantieerklärung wurde zwar auf das Grundgeschäft Bezug genommen, die Garantie für einen „Haft-(Deckungs-)rücklass" ausgestellt und die Zahlung des Garanten von bestimmt bezeichneten Tatsachen abhängig gemacht (Effektivklausel). Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs hat der Begünstigte, wenn die Bankgarantie eine Effektivklausel enthält, die Garantie „geradezu pedantisch und wortgetreu dem Wortlaut der Klausel gemäß" abzurufen und innerhalb der Abruffrist den Beweis, mindestens aber sichere Anhaltspunkte für den Eintritt der in der Garantieerklärung enthaltenen Voraussetzungen zu erbringen (RIS-Justiz RS0017013). Es steht hier aber ohnehin fest, dass die Klägerin die in der Erklärung enthaltenen formellen Erfordernisse des Abrufs (dass die Aufforderung „aus Identifikationsgründen im Wege einer erstklassigen österreichischen Bank" zu übermitteln ist, mit deren Bestätigung, dass „die betreffenden Unterschriften ihre Firma rechtmäßig verpflichten") eingehalten und auch innerhalb der Garantiefrist Aufklärung dahin gegeben hat, dass ein Teil des am auf das in der Garantieerklärung genannte Konto überwiesenen Gesamtbetrags von 309.000 EUR als Garantiesumme (104.958,94 EUR) gewidmet ist. Sie hat dadurch auch die den Wortlaut der Verpflichtungserklärung entsprechende Potestativbedingung form- und fristgerecht erfüllt, nämlich dass eine Einzahlung des festgelegten, der Höhe des Garantiebetrags entsprechenden Betrags auf ein bestimmtes Konto erfolgte. Durch die klarstellende Widmung wurde dem Bedürfnis der Garantiebank, den Eintritt der vereinbarten Bedingung - Zahlung eines bestimmten Betrags auf ein bestimmtes Konto - für ihre Haftung sofort erkennen zu können, entsprochen (vgl 1 Ob 557/95 = ÖBA 1996, 717; 1 Ob 66/04v). Die Ansicht des Berufungsgerichts, dass der Garantiebank mangels eines Hinweises in der allein zur Auslegung zur Verfügung stehenden schriftlichen Urkunde über die wortgetreue Erfüllung der Effektivklausel hinaus der Einwand verwehrt sei, dass sie erst Zahlung leisten müsse, wenn innerhalb der Garantiefrist der Nachweis der Vollzahlung erbracht sei, ist keineswegs unvertretbar. Der gegenteilige Standpunkt der Beklagten würde vielmehr bedeuten, dass die Garantiebank trotz ihrer Zusage, die Garantiesumme ohne Prüfung des zugrundeliegenden Rechtsverhältnisses auszuzahlen, rechtswirksam Einwendungen aus dem Grundgeschäft zwischen der Garantieauftraggeberin und der Klägerin erheben könnte und die materielle Berechtigung der der Bankgarantie zugrundeliegenden Forderung im Fall der Bestreitung schon vor der Auszahlung der Garantiesumme gerichtlich geprüft werden müsste. Hätte die Beklagte dies beabsichtigt, wäre eine Formulierung ihrer Erklärung dahin, dass (nur) die Einzahlung des vollen Werklohns auf das bezeichnete, bei ihr geführte Konto ihre Auszahlungspflicht auslösen solle, nichts im Wege gestanden. Das Berufungsgericht hielt sich bei seiner Interpretation an den Grundsatz, dass Effektivklauseln wortgetreu auszulegen sind (RIS-Justiz RS0017013; RS0016984). Demgegenüber vermag die Revisionswerberin keine aufzugreifende Fehlbeurteilung darzulegen.

Soweit in der Revision die Ansicht aufrechterhalten wird, dass es sich bei der Rückabtretung der Forderungen aus der Garantieerklärung durch die Raiffeisenbank G***** an die Klägerin um ein Scheingeschäft gehandelt habe, ist ihr entgegenzuhalten, dass die Frage, ob ein Scheingeschäft vorliegt, ob also Willenserklärungen im Einverständnis der Erklärenden bloß zum Schein abgegeben wurden oder ob sie dem wahren Willen entsprechen, in das Gebiet der - nicht revisiblen - Tatsachenfeststellung fällt (RIS-Justiz RS0043610). Die Auslegung der abgegebenen Willenserklärungen ist zwar rechtliche Beurteilung. Die Ansicht der Vorinstanzen, das die Rückabtretungserklärung auch als solche und nicht bloß als Einziehungsermächtigung zu qualifizieren sei, begegnet keinen Bedenken, sollte doch der Klägerin die Möglichkeit der Einklagung der Garantiesumme verschafft werden.

An der Ermächtigung der Klägerin, den Garantiebetrag abzuverlangen, konnte für die Beklagte trotz ihrer Verständigung von der Abtretung der Forderung aus der Garantieerklärung an die Raiffeisenbank G***** schon bei der ersten Aufforderung zur Auszahlung der Garantiesumme kein Zweifel bestehen, weil dieser Aufforderung ein Schreiben beilag, aus dem unmissverständlich hervorgeht, dass die Raiffeisenbank mit dem Abruf der Garantiesumme durch die Klägerin einverstanden war. Abgesehen davon wurde die Beklagte mit Schreiben vom über die Rückabtretung informiert.

Da es sich sowohl bei der Grantieauftraggeberin als auch bei der Klägerin als Begünstigte und bei der Beklagten als garantierende Bank um Kapitalgesellschaften handelt und mit der Garantie ein Haft-(Deckungs-)rücklass für eine Maschinenlieferung abgesichert werden sollte, steht die Unternehmereigenschaft aller Beteiligten und die Unternehmensbezogenheit der Garantieerklärung iSd § 1313 Abs 2 ABGB außer Zweifel, sodass es auch insoweit keiner klarstellenden Entscheidung des Obersten Gerichtshofs bedarf.

Die außerordentliche Revision ist daher mangels erheblicher Rechtsfrage zurückzuweisen.

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).