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OGH 29.09.2016, 5Ob153/16k

OGH 29.09.2016, 5Ob153/16k

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie den Hofrat Dr. Höllwerth, die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi als weitere Richter in der Grundbuchsache zur Herstellung der Straßenanlage L ***** nach den §§ 15 ff LiegTeilG über den Revisionsrekurs der Liegenschaftseigentümerin A***** E*****, vertreten durch Dr. Helmut Klementschitz, Rechtsanwalt in Graz, gegen den Beschluss des Landesgerichts Eisenstadt als Rekursgericht vom , AZ 13 R 221/15b, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Güssing vom , TZ 3638/2015, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Akten werden dem Erstgericht zurückgestellt.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Nach der ständigen Rechtsprechung des Fachsenats des Obersten Gerichtshofs für Grundbuchsachen sind gemäß § 89c Abs 5 Z 1 GOG idF BGBl I 2012/26, Rechtsanwälte und Notare – nach Maßgabe der technischen Möglichkeiten – auch im Grundbuchverfahren zur Teilnahme am Elektronischen Rechtsverkehr (ERV) verpflichtet (RIS-Justiz RS0128921).

Der Vertreter der Rechtsmittelwerberin, ein Rechtsanwalt, hat den Revisionsrekurs nicht im ERV eingebracht. Diese Verletzung einer Formvorschrift führt zu einem Verbesserungsverfahren und bei einem Ausbleiben der Verbesserung zur Zurückweisung des Rechtsmittels (RIS-Justiz RS0128266; RS0128921).

Zur Durchführung des Verbesserungsverfahrens sind die Akten dem Erstgericht zurückzustellen.

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie den Hofrat Dr. Höllwerth, die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi als weitere Richter in der Grundbuchsache zur Herstellung der Straßenanlage L***** nach den §§ 15 ff LiegTeilG über den Revisionsrekurs der Liegenschaftseigentümerin und Einspruchswerberin A***** E*****, vertreten durch Dr. Helmut Klementschitz, Rechtsanwalt in Graz, gegen den Beschluss des Landesgerichts Eisenstadt als Rekursgericht vom , AZ 13 R 221/15w, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Güssing vom , TZ 3638/2015 bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Der Gegner der Einspruchswerberin A***** S***** hat die Kosten seiner Revisionsrekursbeantwortung selbst zu tragen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Einspruchswerberin ist entgegen dem nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig.

1.1 Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens ist der Einspruch der Eigentümerin gegen die vom Erstgericht angeordnete lastenfreie Abschreibung eines Grundstücksteils im Ausmaß von 35 m2 nach den Sonderbestimmungen der §§ 15 ff LiegTeilG für die Verbücherung einer in der Natur bereits vollendeten Weganlage.

1.2 Die Bedeutung dieser Sonderbestimmungen liegt darin, dass in der Natur schon vollzogene Besitzänderungen im Grundbuch nachvollzogen werden sollen. Der Gesetzgeber geht dabei davon aus, dass zum Zeitpunkt der Erstellung des Anmeldungsbogens die rechtlichen Fragen im Zusammenhang mit Grundabtretungen, Ablösen und Besitzübertragungen bereits geregelt sind. Die Grundbuchsordnung soll rasch und kostengünstig hergestellt werden (5 Ob 63/15y; 5 Ob 126/14m; 5 Ob 134/11h).

1.3 Nach § 20 Abs 1 Satz 1 GBG idF der Grundbuchs-Novelle 2008, BGBl I 2008/100, kann der Eigentümer oder ein Buchberechtigter, der behauptet, durch die bücherliche Durchführung der Änderungen in seinen bücherlichen Rechten verletzt zu sein, weil weder Einvernehmen über die Rechtsabtretung bzw den Rechtsverlust besteht, noch ein förmliches Enteignungsverfahren durchgeführt wurde, innerhalb von 30 Tagen nach Zustellung des Beschlusses Einspruch erheben. Dieser Einspruch ist auf die Behauptung des fehlenden Einvernehmens über die Rechtsabtretung oder die fehlende Enteignung beschränkt (RIS-Justiz RS0127270). Das Gesetz definiert dabei den Begriff „Einvernehmen“ selbst nicht. Auch die Gesetzesmaterialien geben dazu keine Auskunft. Der Gesetzgeber ging aber jedenfalls davon aus, dass zum Zeitpunkt der Erstellung des Anmeldungsbogens im Sonderverfahren nach §§ 15 ff LiegTeilG rechtliche Fragen im Zusammenhang mit Grundabtretungen, aber auch Ablösen bereits geregelt sind. Diese Erwägungen sprechen dafür, dass das im Liegenschaftsteilungsgesetz geforderte Einvernehmen eine Einigung des Eigentümers oder sonstiger Buchberechtigten mit demjenigen erfordert, zu dessen Gunsten das entsprechende Trennstück ab- und zugeschrieben werden soll (5 Ob 63/15y; 5 Ob 126/14m).

2.1 Die Einspruchswerberin brachte vor, dass sie die Liegenschaft einige Monate vor der Vermessung () unbelastet und ohne Verpflichtung zu einer kostenlosen Grundabtretung gekauft habe. Sie habe zwar eine Urkunde (glaublich ein Protokoll) unterfertigt. Ein Plan sei diesem Protokoll offenbar erst danach beigeheftet worden. Sie selbst habe einen Plan weder unterschrieben noch jemals gesehen.

2.2 Nach den Feststellungen des Erstgerichts unterzeichnete die Einspruchswerberin am eine Niederschrift der Grenzverhandlung. Laut Inhalt des Protokolls war die Grenzverhandlungsskizze ein Bestandteil der Niederschrift. Nach diesem Plan sollte von der Liegenschaft der Einspruchserwerberin das umstrittene Grundstück Nr 184/2 (Weg) einer benachbarten Liegenschaft zugeschrieben werden. Diese Feststellungen gründeten sich auf die Unterlagen des Vermessungsamts, die es dem Erstgericht nach Auftrag übermittelt hatte.

3.1 Das Erstgericht hat die vom Vermessungsamt übermittelten Unterlagen der Einspruchswerberin vor Beschlussfassung in erster Instanz nicht zugestellt. Darin sieht die Einspruchswerberin – wie auch bereits in ihrem Rekurs – eine Verletzung ihres rechtlichen Gehörs. Ein solcher, unter § 66 Abs 1 Z 1 AußStrG fallender Mangel kann auch dann in einem Revisionsrekurs geltend gemacht werden, wenn er – wie hier – vom Rekursgericht verneint worden ist (RIS-Justiz RS0121265).

3.2 Der Anfechtungsgrund der Verletzung des rechtlichen Gehörs wirkt im Außerstreitverfahren jedoch nicht absolut. Der Revisionsrekurswerber muss nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs die Relevanz des Mangels aufzeigen, indem er darlegt, was er vorgebracht und beantragt hätte (RIS-Justiz RS0120213 [T9, T14]). Dies gilt nur dann nicht, wenn er mangels Kenntnis von wesentlichen Entscheidungsgrundlagen zu einem entsprechenden Rechtsmittelvorbringen gar nicht in der Lage ist (RIS-Justiz RS0123872).

3.3 Das Erstgericht hat hier den wesentlichen Inhalt der Niederschrift in seinem Beschluss festgehalten und die Behauptung der Einspruchswerberin zu der erst nachträglichen Beiheftung des Plans als widerlegt angesehen. Die Frage, ob der Plan dem Protokoll über die Grenzverhandlung angeschlossen war oder nicht, war ein entscheidender Punkt des Einspruchsvorbringens. Die Bedeutung des vom Erstgericht festgestellten Inhalts des Protokolls samt dem – soweit in diesem Verfahren relevant – auszugsweise wiedergegebenen Plan war offensichtlich. Ungeachtet dessen lässt der Revisionsrekurs jegliche Ausführungen zur Relevanz der geltend gemachten Verletzung des rechtlichen Gehörs vermissen. Der Revisionsrekursgrund des § 66 Abs 1 Z 1 AußStrG ist daher nicht gesetzmäßig ausgeführt. Dasselbe gilt für den Vorwurf, die im Rekursverfahren erstatteten Rekursbeantwortungen seien nicht zugestellt worden. Eine Stellungnahme zu diesen Rechtsmittelgegenschriftsätzen wäre der Einspruchswerberin nach dem Grundsatz der Einmaligkeit des Rechtsmittels (vgl RIS-Justiz RS0007007) ohnehin verwehrt gewesen.

3.4 Das Unterbleiben einer Parteienvernehmung begründet keine Verletzung des rechtlichen Gehörs (vgl RIS-Justiz RS0107383 [T5]). Als Mangelhaftigkeit des Verfahrens erster Instanz wurde sie bereits vom Rekursgericht verneint und kann daher nicht mehr im Revisionsrekurs geltend gemacht werden (RIS-Justiz RS0121265 [T12]). Dasselbe hat für den unterbliebenen Einigungsversuch (§ 14 Abs 1 Satz 2 iVm § 20 Abs 1 Satz 3 LiegTeilG) zu gelten.

4.1 Der Gesetzgeber hat das hier vorliegende Verfahren über einen Einspruch nach § 20 Abs 1 LiegTeilG als kontradiktorisches außerstreitiges Verfahren konzipiert (vgl ErläutRV 542 BlgNR 23. GP 15). Auch im außerstreitigen Verfahren, in dem der Untersuchungsgrundsatz gilt, sind nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs subjektive Behauptungs- und Beweislastregeln jedenfalls dann heranzuziehen, wenn über vermögensrechtliche Ansprüche, in denen sich die Parteien in verschiedenen Rollen gegenüberstehen, zu entscheiden ist (RIS-Justiz RS0006261). Die Parteien trifft in diesem Sinn zwar keine förmliche Beweislast, aber doch eine qualifizierte Behauptungspflicht (RIS-Justiz RS0083783).

4.2 Das wesentliche Vorbringen der Einspruchswerberin beschränkte sich in erster Instanz darauf, dass sie der Zuschreibung eines Teils ihrer Liegenschaft zu jener ihres Nachbarn nicht zugestimmt habe. Dass deshalb kein Einvernehmen erzielt worden wäre, weil der betroffene Nachbar damit ebenfalls nicht einverstanden gewesen sei oder es zu Differenzen über eine (allfällige) Ablöseforderung gekommen sei, behauptet sie nicht. Beweisanträge hat sie in 1. Instanz ebenfalls keine gestellt. Mit ihrem Vorbringen, sie habe das Protokoll über die Grenzverhandlung unterzeichnet, ohne das Ergebnis der Verhandlung zu kennen bzw sich der Grundabtretung (minimalen Ausmaßes) bewusst zu sein, macht sie inhaltlich einen Erklärungsirrtum im Sinn des § 871 Abs 1 ABGB geltend. Das Einspruchsverfahren ist aber für eine Anfechtung wegen Irrtums nicht vorgesehen, weil es – abgesehen vom hier nicht vorliegenden Fall der Enteignung – auf eine Frage beschränkt ist: Wurde das Einvernehmen erzielt oder nicht (5 Ob 126/14m; RIS-Justiz RS0129844).

4.3 Die Vorinstanzen haben den Inhalt des von der Einspruchserwerberin unterzeichneten Protokolls über die Grenzverhandlung für den Obersten Gerichtshof bindend (RIS-Justiz RS0007236) festgestellt und die Behauptungen der Einspruchswerberin, sie habe der Zuschreibung eines Teils ihres Grundstücks zur Nachbarliegenschaft nicht zugestimmt, als widerlegt angesehen.

4.4 Das Verfahren über den Einspruch nach § 20 Abs 1 LiegTeilG ist zwar nicht auf den Urkundenbeweis beschränkt. Es kommt als Beweismittel alles in Betracht, was zur Feststellung des Sachverhalts geeignet und zweckdienlich ist. Eine Beschränkung der zulässigen Beweismittel gibt es nicht. Der Umfang der Beweismittel wird aber vom Ermessen des Gerichts bestimmt (5 Ob 63/15y). Dies kann jeweils nur im Einzelfall anhand des konkreten Vorbringens des Einspruchswerbers beurteilt werden und entzieht sich einer generalisierenden Antwort durch den Obersten Gerichtshof, auf welche die Begründung des Rekursgerichts über die nachträgliche Zulassung des ordentlichen Revisionsrekurses abzielt. Die auch dort zitierte Entscheidung 5 Ob 63/15y gibt nicht zwingend vor, dass in einem Einspruchsverfahren zum umstrittenen Punkt des erzielten Einvernehmens sämtliche Beweismittel ausgeschöpft werden müssen. Dort hatten auch nicht der Einspruchswerber, sondern seine (allenfalls unwirksam vertretene) Rechtsvorgängerin in einer Verhandlung über die Vereinbarung der Abtretung von Grundstücken einer kostenlosen Abtretung zugestimmt. Der Oberste Gerichtshof erachtete das Verfahren insbesondere deshalb als ergänzungsbedürftig, weil wesentliche Tatsachenfeststellungen fehlten, die für die Beurteilung der Parteienabsicht in Bezug auf die Überbindung einer allfälligen Abtretungsverpflichtung sowie die wirksame Vertretung der früheren Eigentümerin anlässlich ihrer Zustimmungserklärung relevant seien. Im vorliegenden Fall stammt die Erklärung im Verhandlungsprotokoll, das die Einigung der beteiligten Grundeigentümer über die Grundstücksveränderungen dokumentiert, jedoch von der Einspruchswerberin selbst.

5. Das Gericht hat über den Einspruch gemäß § 20 Abs 1 Satz 3 iVm § 14 Abs 1 zweiter bis fünfter Satz und Abs 2 LiegTeilG nach den Grundsätzen des Außerstreitverfahrens zu entscheiden (5 Ob 134/11h; 5 Ob 63/15y). Es handelt sich daher nicht um ein einseitiges Grundbuchsverfahren, in dem ein Kostenersatz – von Ausnahmefällen abgesehen – nicht zulässig ist. Der Gegner der Einspruchswerberin hat dennoch keinen Anspruch auf Ersatz der Kosten seiner Revisionsrekursbeantwortung, weil er nicht ausdrücklich auf die Unzulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels iSd § 62 Abs 1 AußStrG hingewiesen hat.

Zusatzinformationen


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Rechtsgebiet
Zivilrecht
ECLI
ECLI:AT:OGH0002:2016:0050OB00153.16K.0929.000
Datenquelle

Fundstelle(n):
IAAAD-43803