OGH vom 14.01.1999, 2Ob345/98v
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon-Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Klemens Dallinger, Rechtsanwalt in Wien, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der K***** & Co KG, wider die beklagte Partei Wiener Gebietskrankenkasse, 1101 Wien, Wienerbergstraße 15-19, vertreten durch Amhof & Damian Rechtsanwälte Partnerschaft in Wien, wegen Anfechtung (restlicher Streitwert S 1,712.636,50) infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 3 R 83/98t-38, den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Text
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1. Die Rechtsmittelwerberin macht geltend, das Berufungsgericht wäre
von einer Lehrmeinung und einer Entscheidung eines zweitinstanzlichen
Gerichts abgewichen; eine - gemäß § 502 Abs 1 ZPO bedeutsame -
Abweichung von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu § 30
Abs 1 Z 3 KO wird in der Revision hingegen nicht dargetan. Vielmehr
ist die Auffassung, Begünstigungsabsicht könne dann angenommen
werden, wenn der Schuldner den andrängenden Gläubiger befriedigt, um
ihn zu beruhigen, dabei jedoch hofft, denn drohenden Vermögensverfall
doch noch rechtzeitig abwenden und sodann alle übrigen Gläubiger voll
und fristgerecht befriedigen zu können, durch die vom
Berufungsgericht zitierte Judikatur gedeckt (1 Ob 541/91 = SZ 64/37 =
ÖBA 1991, 826 [Koziol] = RdW 1991, 360 = ecolex 1991, 532; 6 Ob
641/93 = SZ 67/20 = JBl 1994, 698 = ÖBA 1994, 637 [Paul Doralt]; vgl
auch 4 Ob 99/97f = ÖBA 1997, 1020 [Paul Doralt] = ZIK 1998, 128;
RIS-Justiz RS0064491). Im Zusammenhang mit § 30 Abs 1 Z 3 KO wurde allerdings nicht nur in der Lehre (König, Die Anfechtung nach der Konkursordnung2 Rz 258) Kenntnis von der eigenen, wenigstens drohenden Insolvenz verlangt, sondern auch in der Rechtsprechung des OGH (8 Ob 528/85 = SZ 58/205 mwN; 6 Ob 641/93; 4 Ob 99/97f) auf das Bewußtsein des Schuldners abgestellt, zahlungsunfähig zu sein.
Nach den Ergebnissen des vorinstanzlichen Verfahrens war die Gemeinschuldnerin seit Dezember 1992 zahlungsunfähig. In der Folge wurde bei Zahlungen so vorgegangen, daß im wesentlichen die andrängendsten Gläubiger befriedigt wurden und die anderen Gläubiger keine Zahlung erhielten. Aus einer solchen Praxis kann ohne weiteres auf die Kenntnis der eigenen Zahlungsunfähigkeit (vgl hiezu nur MGA KO8 § 66 E 5 ff; Heil, Insolvenzrecht Rz 15 f; König aaO Rz 231 FN 21 mwN) geschlossen werden; von einer bloßen Zahlungsstockung kann im Hinblick auf die lange Dauer keine Rede sein. Die weitere (sogleich anschließende) Feststellung des Erstgerichts, dem Komplementär der Gemeinschuldnerin sei bei sämtlichen bis Ende Oktober 1994 geleisteten Zahlungen die drohende Insolvenz der Gemeinschuldnerin nicht bekannt gewesen, steht damit nur in einem scheinbaren Widerspruch: Sie bezieht sich offensichtlich auf die formelle Insolvenz; während der Komplementär der Gemeinschuldnerin von der bereits eingetretenen materiellen Insolvenz Kenntnis hatte, hoffte er noch im Hinblick auf Beteiligungsgespräche mit einem Interessenten, die Gemeinschuldnerin sanieren und ein Insolvenzverfahren vermeiden zu können. Dieser Versuch, die bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen, änderte aber an deren Vorliegen und der hievon bestehenden Kenntnis nichts.
Die Begünstigungsabsicht wurde vom Berufungsgericht somit in vertretbarer Weise und ohne Abweichung von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes bejaht.
2. Das Berufungsgericht hat zwar Begünstigungsabsicht, aber keine Benachteiligungsabsicht angenommen. Wie die Rechtsmittelwerberin ohnehin selbst ausführt, sind mit letzterer im Zusammenhang stehende Rechtsfragen für die Entscheidung nicht relevant. Ein bloßes obiter dictum kann entgegen der Ansicht der Rechtsmittelwerberin nicht zur Zulässigkeit der Revision im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO führen, weil nach dieser Gesetzesstelle die Entscheidung von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage abhängen muß (vgl 2 Ob 602/94 = SZ 68/5).