OGH vom 22.09.2016, 3Ob162/16v
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr.
Hoch als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin Dr. Lovrek, die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch und die Hofrätin Dr. Kodek als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei Dr. R*****, vertreten durch Jeannee Rechtsanwalt GmbH in Wien, gegen die verpflichtete Partei A*****, vertreten durch Dr. Heinz Peter Wachter, Rechtsanwalt in Wien, wegen 66.933,45 EUR sA, über den außerordentlichen Revisionsrekurs und den Rekurs der verpflichteten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Krems an der Donau als Rekursgericht vom , GZ 1 R 93/16f 106, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
1. Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
2. Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß § 78 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
3. Der Antrag, der Oberste Gerichtshof möge beim Verfassungsgerichtshof gemäß Art 140 Abs 1 B VG einen Antrag auf Aufhebung des § 144 EO stellen, wird zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Der Betreibende führt gegen die Verpflichtete Exekution durch Zwangsversteigerung mehrerer Liegenschaften.
Mit Beschluss vom gab das Erstgericht den vom Sachverständigen ermittelten Schätzwert für drei der in Exekution gezogenen Liegenschaften bekannt.
Das Rekursgericht wies den Rekurs der Verpflichteten gegen die Bekanntgabe des Schätzwerts ebenso als unzulässig zurück wie den im Rekurs gestellten Antrag, die Bestimmung des § 144 EO beim Verfassungsgerichtshof wegen Verfassungswidrigkeit anzufechten.
Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands – ausgehend von den vom Sachverständigen ermittelten Schätzwerten – bezüglich einer Liegenschaft 30.000 EUR übersteige und hinsichtlich der beiden anderen zwischen 5.000 EUR und 30.000 EUR liege. Es ließ den ordentlichen Revisionsrekurs mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zu.
Die Verpflichtete erhob gegen die Zurückweisung ihres Rekurses ungeachtet des Bewertungsausspruchs des Rekursgerichts nur einen außerordentlichen Revisionsrekurs, unterließ also – auch nach Erteilung eines Verbesserungsauftrags durch das Erstgericht – die Stellung eines Antrags nach § 528 Abs 2a iVm § 508 ZPO hinsichtlich der beiden Liegenschaften, deren Schätzwert 30.000 EUR nicht übersteigt. Gegen die Zurückweisung ihres Anfechtungsantrags erhob die Verpflichtete Rekurs.
Der Rekurs ist zulässig (RIS Justiz
RS0115511), aber nicht berechtigt. Der außerordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.
1. Zum Rekurs:
Rechtliche Beurteilung
Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass der Antrag einer Partei auf Befassung des Verfassungsgerichtshofs zurückzuweisen ist, weil den Parteien ein solches Antragsrecht nicht zukommt (RIS Justiz RS0056514). Die von der Rekurswerberin ins Treffen geführte Literaturmeinung ( Schragel in Fasching/Konecny 2 II/2 § 190 ZPO Rz 5), wonach die Unterlassung der (von der Partei beantragten) Antragstellung trotz deren Erforderlichkeit das Recht auf den gesetzlichen Richter verletze, bezieht sich nur auf den hier nicht vorliegenden Fall eines Antrags auf Stellung eines Vorabentscheidungsersuchens an den Europäischen Gerichtshof. Auf diesen Einwand ist hier schon mangels Relevanz nicht einzugehen.
2. Zum außerordentlichen Revisionsrekurs:
2.1. Nach der Rechtsprechung zu § 144 EO aF richtet sich der Wert des Entscheidungsgegenstands im Fall eines nicht von der betreibenden Partei erhobenen Rekurses gegen die Bestimmung des Schätzwerts nicht nach der Höhe der betriebenen Forderung, sondern nach dem Betrag, um den der Schätzwert nach dem Antrag des Rekurswerbers geändert werden soll (RIS Justiz RS0002552).
Die Verpflichtete hat gegen die Bekanntgabe des Schätzwerts keine Einwendungen erhoben und auch in ihrem Rekurs nicht einmal ansatzweise dargelegt, inwiefern der Sachverständige den Schätzwert unrichtig ermittelt habe, sondern sich auf die Darlegung der von ihr behaupteten Verfassungswidrigkeit des § 144 EO beschränkt. Die vom Rekursgericht gewählte Vorgangsweise, den Wert des Entscheidungsgegenstands jeweils nach dem (gesamten) Schätzwert der einzelnen Liegenschaften zu bestimmen, führt unter diesen Umständen jedenfalls nicht zu einer offenbaren Unterbewertung, aufgrund derer der Oberste Gerichtshof nicht an die Bewertung gebunden wäre (RIS Justiz RS0109332).
Übersteigt der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR, und hat das Rekursgericht den ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig erklärt, steht dem Rechtsmittelwerber nur die Möglichkeit offen, einen mit einem ordentlichen Revisionsrekurs verbundenen Antrag auf Abänderung des Unzulässigkeitsausspruchs (§ 528 Abs 2a ZPO) an das Rekursgericht zu stellen. Da die Verpflichtete die ihr in diesem Sinn bereits aufgetragene Verbesserung ihres Rechtsmittels ausdrücklich abgelehnt hat, ist dieses, soweit es die beiden Liegenschaften betrifft, deren Schätzwert unter 30.000 EUR liegt, mangels (funktioneller) Zuständigkeit des Obersten Gerichtshofs zur Entscheidung zurückzuweisen.
2.2. Soweit der außerordentliche Revisionsrekurs statthaft ist, zeigt die Verpflichtete darin keine erhebliche Rechtsfrage auf. Es genügt hier der Hinweis auf die in diesem Verfahren ergangene Entscheidung 3 Ob 130/15m.
2.3. Wie bereits dargelegt, besteht kein Recht der Parteien, die Anfechtung einer präjudiziellen Rechtsnorm beim Verfassungsgerichtshof zu beantragen. Der auf eine Anfechtung des § 144 EO gerichtete Antrag der Verpflichteten ist deshalb zurückzuweisen.
European Case Law Identifier
ECLI:AT:OGH0002:2016:0030OB00162.16V.0922.000
Fundstelle(n):
PAAAD-43737