OGH vom 30.09.2008, 1Ob182/08h

OGH vom 30.09.2008, 1Ob182/08h

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden und die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. E. Solé und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Pflegschaftssache der Minderjährigen Lauren C*****, Katelynn C*****, und Darren C*****, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der Mutter Barbara C*****, vertreten durch Mag. Eduard Aschauer und Mag. Irene Pumberger, Rechtsanwälte in Steyr, gegen den Beschluss des Landesgerichts Steyr als Rekursgericht vom , GZ 1 R 157/08v-57, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Steyr vom , GZ 1 P 37/08f-47, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Text

Begründung:

1. Die Mutter leitet die Zulässigkeit ihres außerordentlichen Rechtsmittels daraus ab, dass das Rekursgericht die bei der Entscheidung über die Rückführung der Kinder gebotenen Überlegungen zum Kindeswohl unterlassen habe. Im Übrigen sei die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu den Rückführungshindernissen nach Art 13 Abs 1 lit b HKÜ nicht gefestigt.

Rechtliche Beurteilung

2. Ob das Kindeswohl im Sinn des Art 13 Abs 1 lit b HKÜ bei einer Rückgabe gefährdet ist, ist eine von den jeweiligen Umständen abhängige Frage, die im Einzelfall zu entscheiden ist (RIS-Justiz RS0112662).

3. Die Person, die sich der Rückgabe widersetzt, trifft die volle Behauptungslast und Beweislast für das Vorliegen von Rückführungshindernissen (RIS-Justiz RS0074561). Auf konkrete Tatsachenbehauptungen der einer Rückführung entgegentretenden Person kommt es (nur) dann nicht an, wenn im Verfahren Umstände hervorkommen, die das Vorliegen eines Rückführungshindernisses zumindest nicht unwahrscheinlich erscheinen lassen (9 Ob 102/03w). Dabei ist aber stets die Zielsetzung des HKÜ im Auge zu behalten, dass Elternteile von einem widerrechtlichen Verbringen abzuhalten sind und die Sorgerechtsentscheidung am früheren gewöhnlichen Aufenthaltsort des Kindes sicherzustellen ist. Deshalb ist eine restriktive und enge Auslegung des Art 13 HKÜ geboten. Das HKÜ geht davon aus, dass die Rückgabe dem Kindeswohl am ehesten entspricht. Eine zu weite Auslegung des Art 13 Abs 1 lit b HKÜ würde den Zielen des Übereinkommens entgegenstehen, zu einer Entscheidung über das Sorgerecht führen und dem entführenden Elternteil unberechtigte Vorteile aus dessen Rechtsbruch verschaffen (Vomberg/Hehls, Rechtsfragen der internationalen Kindesentführung [2002], 40 f).

4. Da die Mutter nicht zur persönlichen Rückführung der Kinder verpflichtet ist, kommt es nicht darauf an, ob ihr bei Verurteilung wegen Kindesentführung allenfalls eine Haftstrafe drohte. Würde dies allein ein Rückführungshindernis darstellen, könnte das HKÜ im Verhältnis zu Ländern, die Freiheitsstrafen für derartige Entführungsfälle vorsehen, überhaupt nie zur Anwendung kommen (3 Ob 210/05m; kritisch Nademleinsky/Neumayr, Internationales Familienrecht [2007], Rz 09.10 [Fn 35]).

5. Unter Berücksichtigung der vorstehenden Erwägungen erweist sich die Beurteilung des Rekursgerichts, wonach aus der beim Vater gegebenen Suchtproblematik keine unmittelbar drohende Gefahr für die körperliche Integrität und Sicherheit der Kinder abzuleiten sei, die der Mutter bei einer Einreise in die USA allenfalls drohende Haft kein Hinderungsgrund für die Rückführung sei, und dem (offensichtlich fremdbestimmten) Wunsch der mj Katelynn nicht Rechnung getragen werden könne, jedenfalls als vertretbar und stellte keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende (grobe) Fehlbeurteilung dar. Die Revisionsrekurswerberin zeigt keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 62 Abs 1 AußStrG auf. Von einer nicht gefestigten Rechtsprechung zu Art 13 Abs 1 lit b HKÜ kann nicht die Rede sein. Dass ein völlig gleichgelagerter Sachverhalt vom Obersten Gerichtshof noch nicht beurteilt wurde, bedeutet keineswegs schon, dass eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung vorläge. Insbesondere ist bei einer bloßen Ermessensentscheidung - von einer krassen Verkennung der Rechtslage abgesehen - eine erhebliche Rechtsfrage nicht zu lösen (RIS-Justiz RS0110702).

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).