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OGH vom 22.10.2007, 1Ob182/07g

OGH vom 22.10.2007, 1Ob182/07g

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Univ.-Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. E. Solé und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Pflegschaftssache der minderjährigen Ana M*****, vertreten durch die Stadt Wien, Amt für Jugend und Familie für den 6. Gemeindebezirk, Wien 6., Amerlingstraße 11, über den Revisionsrekurs des Bundes, vertreten durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Wien gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 43 R 139/07w-U32, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom , GZ 6 P 43/06b-U21, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben; die Entscheidungen der Vorinstanzen werden ersatzlos aufgehoben.

Text

Begründung:

Der Vater der minderjährigen Ana wurde mit einstweiliger Verfügung vom verpflichtet, dem Kind ab einen vorläufigen Unterhalt gemäß § 382a EO von monatlich EUR 112,70 zu zahlen. Im Hinblick auf diesen Unterhaltstitel gewährte das Erstgericht der Minderjährigen auf deren Antrag mit Beschluss vom - weil eine Exekutionsführung gegen den Vater aussichtslos sei - gemäß §§ 3, 4 Z 1 UVG einen monatlichen Unterhaltsvorschuss von EUR 112,70 für die Zeit vom bis .

Bereits mit Beschluss vom setzte das Erstgericht den vom Vater in der Zeit vom bis zu leistenden monatlichen Unterhalt mit EUR 256 und den ab zu leistenden monatlichen Unterhalt rechtskräftig mit EUR 288 fest, und wies ein darüber hinausgehendes Mehrbegehren der Minderjährigen ab. Es sprach aus, dass die einstweilige Verfügung vom mit Rechtskraft des Unterhaltsfestsetzungsbeschlusses außer Kraft trete. Unter Hinweis darauf, dass mit dieser Entscheidung die bisherige Unterhaltsverpflichtung des Vaters erhöht worden sei, erhöhte das Erstgericht die mit Beschluss vom gewährten monatlichen Unterhaltsvorschüsse von EUR 112,70 von Amts wegen gemäß § 19 Abs 2 UVG ab auf monatlich EUR 288 und ersuchte den Präsidenten des Oberlandesgerichts Wien um Auszahlung der Vorschüsse. Das vom Präsidenten des Oberlandesgerichts Wien angerufene Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Der Oberste Gerichtshof habe in der Entscheidung 3 Ob 147/00i in einem gleich gelagerten Fall einer Unterhaltsvorschussgewährung nach §§ 3, 4 Z 1 UVG erkannt, dass eine Entscheidung, durch welche ein vorläufiger Unterhalt nach § 382a EO durch einen „endgültigen" ersetzt werde, als Erhöhung des Unterhaltsbeitrags im Sinne von § 19 Abs 2 UVG aufgefasst werden könne. Entscheidend sei nicht die materiell-rechtliche Änderung des Unterhaltsanspruchs. Dessen materiell-rechtliche Grundlage bilde immer § 140 ABGB. Unerheblich sei, in welcher Form die Erhöhung des nach dem maßgeblichen Exekutionstitel geschuldeten Unterhaltsbetrags zustandekomme. Der Oberste Gerichtshof habe mit dieser Argumentation zumindest die analoge Anwendung des § 19 Abs 2 UVG bejaht.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diese Entscheidung gerichtete Revisionsrekurs des Präsidenten des Oberlandesgerichts Wien ist zulässig und berechtigt. Der Oberste Gerichtshof hat bereits mehrfach in jüngst ergangenen Entscheidungen unter ausdrücklicher Ablehnung der in 3 Ob 147/00i (= SZ 73/127) vertretenen Ansicht im Anschluss an Neumayr (in Schwimann, ABGB3 I, § 4 UVG Rz 108 und § 19 UVG Rz 29 ausgeführt, dass unabhängig davon, ob nun auf Grund einer einstweiligen Verfügung nach § 382a EO ein „unechter" Titelvorschuss nach § 4 Z 5 UVG oder ein „echter" Titelvorschuss nach §§ 3, 4 Z 1 UVG gewährt wird, der „vorläufige Unterhalt" kein Vorgriff auf den „erst festzusetzenden Unterhalt" ist, der eine nachträgliche „Anpassung" des auf einem Titel nach § 382a EO beruhenden Vorschusses an den endgültigen Unterhalt entsprechend § 19 Abs 2 UVG rechtfertigen könnte. Vielmehr könne erst dann, wenn der (endgültige) Unterhalt festgesetzt sei, erstmals auf dessen Basis ein Titelvorschuss beantragt werden. Mangels einer diesbezüglichen planwidrigen Unvollständigkeit („Gesetzeslücke") des UVG sei dessen § 19 Abs 2 auch nicht analog anzuwenden. Da in einem Fall wie hier keine „ununterbrochene Gewährung von Unterhaltsvorschüssen des gleichen Typs" vorliege, komme eine Vorschusserhöhung nach § 19 Abs 2 UVG nicht in Betracht (2 Ob 113/07t; 7 Ob 150/07w; 6 Ob 179/07b).

Der erkennende Senat tritt den überzeugenden Argumenten dieser (neuen) Judikaturlinie bei. Abgesehen davon, dass die Erhöhung eines gemäß § 382a EO gewährten, nach dessen Absatz 2 von vornherein betragsmäßig beschränkten vorläufigen Unterhalts rein dogmatisch Schwierigkeiten bereitet, ist ein solcher Titel doch nicht mit anderen Titeln, die zu einer Unterhaltsvorschussgewährung führen können, vergleichbar, gerade im Hinblick auf die doch recht einfachen Voraussetzungen für die Schaffung eines solchen Titels. Stellte der Erhöhungsantrag auf die Vorschussgewährung nach § 4 Z 5 UVG ab, und erhöhte man den Unterhaltsvorschussbetrag, dann unterbliebe jegliche Überprüfung der nötigen sonstigen Voraussetzungen für die Gewährung von Unterhaltsvorschuss nach den §§ 3, 4 Z 1 UVG (Erfolg- oder Aussichtslosigkeit der Exekutionsführung). Es kann dem Gesetzgeber aber nicht unterstellt werden, dass er den relativ einfach zu erlangenden Unterhaltsvorschusstitel nach § 4 Z 5 UVG noch dermaßen begünstigen wollte.

In Stattgebung des Revisionsrekurses sind die Entscheidungen der Vorinstanzen somit ersatzlos aufzuheben.