OGH vom 19.12.2007, 3Ob162/07f

OGH vom 19.12.2007, 3Ob162/07f

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Prückner, Hon.-Prof. Dr. Sailer und Dr. Jensik sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei A***** AG, ***** (vormals G***** AG *****), vertreten durch Sattlegger, Dorninger, Steiner & Partner Anwaltssocietät in Linz, wider die verpflichtete Partei Mag. Peter W*****, vertreten durch Dr. Elfgund Frischenschlager, Rechtsanwältin in Linz als Verfahrenshelferin, wegen 89.775,98 EUR s.A., infolge Revisionsrekurses der betreibenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz als Rekursgericht vom , GZ 14 R 16/06f, 1/07a, 2/07y-30, womit aus Anlass des Rekurses der verpflichteten Partei gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Traun vom , GZ 28 E 4208/05a-4, der Exekutionsbewilligungsbeschluss des Bezirksgerichts Traun vom , GZ 28 E 4208/05a-2, und das dieser Entscheidung nachfolgende Verfahren einschließlich aller ergangenen Beschlüsse als nichtig aufgehoben, das Bezirksgericht Traun zur Entscheidung über den Antrag auf Exekutionsbewilligung für unzuständig erklärt und das Verfahren an das Bezirksgericht Linz überwiesen wurde und ferner die verpflichtete Partei mit ihren Rekursen gegen die Beschlüsse des Bezirksgerichts Traun vom , GZ 28 E 4208/05a-13, und vom , GZ 28 E 4208/05a-23, auf die Rekursentscheidung verwiesen wurde, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird in Ansehung der Nichtigerklärung als nichtig aufgehoben und im übrigen Umfang zur Entscheidung über die Rekurse der verpflichteten Partei aufgehoben, die Exekutionssache an das Rekursgericht zurückverwiesen und diesem eine neuerliche Entscheidung aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Kosten des Rekursverfahrens.

Text

Begründung:

Am bewilligte das Erstgericht der betreibenden Partei die Forderungsexekution gemäß § 294a EO zur Hereinbringung von 89.775,98 EUR sA. Die Exekutionsbewilligung (ON 2) wurde an der im Exekutionsantrag angeführten Adresse in T***** vom Sohn des Verpflichteten am übernommen. Nach einer Meldebestätigung der Landeshauptstadt Linz ist der Verpflichtete bereits seit unter der Adresse L*****, als Hauptwohnsitz gemeldet. Am langte beim Erstgericht ein Antrag des Verpflichteten auf Einstellung und Aufschiebung der Exekution ein, der mit der Unzuständigkeit des Gerichts wegen der Wohnsitzänderung des Verpflichteten begründet wurde. In der Eingabe führte der Verpflichtete seine Wohnadresse in L***** an (ON 3). Mit Beschluss vom wies das Erstgericht den Antrag auf Einstellung und Aufschiebung des Exekutionsverfahrens ab, weil die bestrittene Zuständigkeit keinen Einstellungs- oder Aufschiebungsgrund darstelle (ON 4). Dagegen erhob der Verpflichtete ein mit datiertes Rechtsmittel („Nichtigkeitsbeschwerde in eventu Rekurs"), zu dem das Erstgericht mit Beschluss vom eine Verbesserung durch anwaltliche Fertigung binnen acht Tagen auftrug (das Rechtsmittel, eine Meldebestätigung und der Verbesserungsbeschluss liegen derzeit im Akt nach ON 8 ein, das Konvolut wird im Folgenden als ON 8a behandelt). Der Verbesserungsauftrag wurde am abgefertigt. Innerhalb der Verbesserungsfrist stellte der Verpflichtete einen Verfahrenshilfeantrag (ON 9). Bereits am (beim Erstgericht am eingelangt) hatte der Verpflichtete einen weiteren Einstellungs- und Aufschiebungsantrag mit der Begründung gestellt, dass es die betreibende Partei trotz mehrmaliger Aufforderung unterlassen hätte, eine Quittung über die erhaltenen Beträge aus einer anderen Forderungsexekution auszustellen und die Höhe der offenen Restforderung bekanntzugeben (ON 6). Diesen Antrag wies das Erstgericht mit seinem Beschluss vom ab und verwies den Rekurswerber mit seinen Einwendungen auf den Rechtsweg (ON 13). Mit Beschluss vom wurde dem Verpflichteten im zweiten Rechtsgang die Verfahrenshilfe durch Beigabe eines Rechtsanwalts bewilligt, und zwar „für die Einbringung eines Rekurses gegen den Beschluss vom und das weitere Verfahren" (ON 23).

Der Verpflichtete, vertreten durch die bestellte Verfahrenshelferin, rekurrierte mit seinem rechtzeitigen Rekurs (ON 27) gegen die Beschlüsse des Erstgerichts ON 4, 13 und 23 und relevierte in Ansehung der verweigerten Einstellung des Verfahrens ua eine Nichtigkeit wegen Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts aufgrund des Wohnsitzes des Verpflichteten in L***** (§ 51 EO). Mit der Bekämpfung des Verfahrenshilfebeschlusses strebte der Verpflichtete eine Erweiterung der Verfahrenshilfe dahin an, dass die Verfahrenshilfe auch zur Bekämpfung der Exekutionsbewilligung durch Beigebung eines Rechtsanwalts bewilligt werde. Gegen die Exekutionsbewilligung habe der Verpflichtete schon mit seinem Einstellungsantrag (ON 3) Rekurs erhoben. Das Erstgericht hätte den Verpflichteten belehren und einen Verbesserungsauftrag (gemeint: zur Klarstellung, dass der Einstellungsantrag ein Rekurs sei sowie zur anwaltlichen Fertigung) erteilen müssen.

Das Rekursgericht hob aus Anlass des Rekurses ON 27 den Exekutionsbewilligungsbeschluss vom und das dieser Entscheidung nachfolgende Verfahren und die ergangenen Beschlüsse als nichtig auf, stellte die Unzuständigkeit des Bezirksgerichts Traun fest und überwies den Exekutionsantrag zur Entscheidung an das Bezirksgericht Linz und verwies ferner den Verpflichteten mit seinen Rekursen gegen die Beschlüsse des Erstgerichts ON 13 und 23 auf diese Entscheidung. Der Verpflichtete habe unstrittig nachgewiesen, dass er schon zum Zeitpunkt der Einbringung des Exekutionsantrags seinen Wohnsitz in L***** gehabt habe. Die Missachtung der gemäß § 51 EO nicht prorogablen Gerichtsstände der EO bewirke im Verfahren auf Exekutionsbewilligung Nichtigkeit gemäß § 477 Abs 1 Z 3 ZPO. Zur Bewilligung der Exekution sei gemäß § 4 EO das in den §§ 18 f EO bezeichnete Exekutionsgericht zuständig, bei einer Exekution auf Forderungen das Bezirksgericht, bei welchem der Verpflichtete seinen allgemeinen Gerichtsstand in Streitsachen habe, der sich nach dem Wohnsitz der verpflichteten Partei bestimme. Aus Anlass des zulässigen Rechtsmittels sei die Nichtigkeit wahrzunehmen und die Rechtssache an das örtlich zuständige Gericht zu überweisen. Das Rekursgericht erachtete einen Rekurs an den Obersten Gerichtshof in analoger Anwendung des § 519 Abs 1 Z 1 ZPO für jedenfalls zulässig.

Mit ihrem Revisionsrekurs beantragt die betreibende Partei, die Rekursentscheidung ersatzlos zu beheben, hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Hilfsweise wird ferner ein Abänderungsantrag dahin gestellt, dass der betreibenden Partei kein Kostenersatz auferlegt werde.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und mit seinem Aufhebungsantrag zur Entscheidung des Rekursgerichts über die Rekurse des Verpflichteten auch berechtigt.

I. Zur Zulässigkeit des Rechtsmittels:

Ob hier eine Anfechtbarkeit der Rekursentscheidung unabhängig vom Streitwert und vom Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage zu bejahen ist (§ 519 Abs 1 Z 1 ZPO analog iVm § 78 EO; SZ 70/226), kann dahingestellt bleiben (dagegen spricht der Umstand, dass das Rekursgericht den Exekutionsantrag nicht zurückgewiesen hat), da jedenfalls eine erhebliche Rechtsfrage deshalb vorliegt, weil das Rekursgericht von der oberstgerichtlichen Rechtsprechung zur Berechtigung einer Nichtigerklärung aus Anlass eines zulässigen Rechtsmittels abgewichen ist.

II. 1. Die in der EO angeordneten Gerichtsstände sind ausschließliche (§ 51 EO). Eine vom unheilbar unzuständigen Exekutionsgericht erlassene Exekutionsbewilligung ist zur Gänze nichtig (RIS-Justiz RS0001904).

2. Zur Wahrnehmung der Nichtigkeit genügt das Vorliegen eines zulässigen Rechtsmittels (RIS-Justiz RS0041942, RS0007095). Aus Anlass einer zulässigen Revision sind Nichtigkeiten von Amts wegen wahrzunehmen (RIS-Justiz RS0042973). Dies gilt grundsätzlich auch für das Rekursverfahren, das Rekursgericht darf aber bei der Wahrnehmung der Nichtigkeit seine funktionelle Zuständigkeit nicht überschreiten und nicht die Entscheidung einer anderen Frage an sich ziehen (RIS-Justiz RS0005849, RS0041884). Eine Nichtigerklärung aus Anlass eines Rechtsmittels kann demnach immer nur in Ansehung des Entscheidungsgegenstands im Rechtsmittelverfahren erfolgen. Beispielsweise überschreitet ein im Sicherungsverfahren angerufenes Rekursgericht seine Zuständigkeit, wenn es anlässlich eines Rekurses gegen die einstweilige Verfügung das Verfahren für nichtig erklärt und die Klage zurückweist (6 Ob 823/83 = SZ 57/13), oder wenn das Rekursgericht anlässlich der Entscheidung über einen Wiedereinsetzungsantrag die Nichtigkeit des Hauptverfahrens ausspricht und die Klage zurückweist (4 Ob 228/02m; RIS-Justiz RS0116888) oder aus Anlass eines Kostenrekurses auch über eine angeblich vorliegende Nichtigkeit des Verfahrens abspricht (RIS-Justiz RS0041856).

3. Diese Grundsätze müssen auch hier gelten. Das Rekursgericht hatte über Rekurs des Verpflichteten gegen zwei seine Einstellungsanträge abweisende Beschlüsse und gegen den Verfahrenshilfebeschluss zu entscheiden. Die Exekutionsbewilligung war nicht Gegenstand des Rekursverfahrens. Mit der Nichtigerklärung der Exekutionsbewilligung hat das Rekursgericht seine funktionelle Zuständigkeit überschritten, weshalb seine Entscheidung als nichtig aufzuheben ist (3 Ob 120/03y; RIS-Justiz RS0042059). Wegen des untrennbaren Konnexes mit dieser Nichtigerklärung sind auch die weiteren Aussprüche des Rekursgerichts aufzuheben, das über den Rekurs des Verpflichteten gegen die drei angeführten Beschlüsse des Erstgerichts zu entscheiden haben wird.

4. Die Unzulässigkeit der von der betreibenden Partei bekämpften Nichtigerklärung des Rekursgerichts ist unabhängig von einer allenfalls schon eingetretenen Rechtskraft der Exekutionsbewilligung gegeben. Selbst wenn man im Einstellungsantrag des Verpflichteten auch einen Rekurs gegen die Exekutionsbewilligung erblickte und wegen dessen Verbesserungsbedürftigkeit von einer noch nicht rechtskräftigen Exekutionsbewilligung auszugehen hätte, setzt eine Nichtigerklärung der Exekutionsbewilligung durch das Rekursgericht aus den dargelegten Gründen voraus, dass die Exekutionsbewilligung Gegenstand der Anfechtung im Rekursverfahren war. Dass dies hier zweifellos nicht der Fall war, ergibt sich aus mehreren Gründen: Aus der spruchmäßigen Erledigung des Erstgerichts, das Einstellungsanträge abwies; aus dem Umstand, dass die Verfahrenshelferin nur für eine Anfechtung des Beschlusses vom und für das weitere Verfahren bestellt worden war; aus der zutreffend von der Verfahrenshelferin erkannten fehlenden Legitimation zur Anfechtung auch der Exekutionsbewilligung und der deshalb nicht erfolgten Anfechtung der Exekutionsbewilligung. Im fortgesetzten Verfahren wird das Rekursgericht daher über die Rekursanträge des Verpflichteten zu entscheiden haben. Im Rahmen der Entscheidung über die Verfahrenshilfe wird zu beurteilen sein, ob die Exekutionsbewilligung vom Verpflichteten mit seinem allenfalls als Rekurs umzudeutenden Einstellungsantrag tatsächlich angefochten wurde, bejahendenfalls wird ein Verbesserungsverfahren durchzuführen sein. Im fortgesetzten Verfahren wird aber auch auf den Einwand des Verpflichteten der fehlenden Aktivlegitimation der betreibenden Partei im Zusammenhang mit den seit 1997 erfolgten Verschmelzungsvorgängen einzugehen sein.

III. Abschließend ist noch zum Einwand des Verpflichteten in seinem Rekurs an die zweite Instanz über die fehlende Aktivlegitimation der betreibenden Partei G***** AG Folgendes auszuführen:

Es trifft zu, dass diese Gesellschaft tatsächlich schon infolge einer im Jahr 1997 durchgeführten Verschmelzung in die E***** AG als übernehmende Gesellschaft nicht mehr existiert. Aufgrund der vom Verpflichteten selbst vorgelegten Amtsbestätigung eines öffentlichen Notars und der vom Obersten Gerichtshof in einem Zwischenverfahren veranlassten Vorlage von Firmenbuchauszügen bzw eines Abspaltungsvertrags liegt eine die betriebene Forderung betreffende Rechtsnachfolge vor. Der Parteiname der betreibenden Partei ist daher (im Kopf der Entscheidung) zu berichtigen. Dabei ist von folgenden Verschmelzungs- und Abspaltungsvorgängen auszugehen:

Nach dem Exekutionstitel vom und mangels eines konkreten gegenteiligen Vorbringens des Verpflichteten betrifft die Titelforderung den Geschäftsbereich der G***** AG in Oberösterreich. Diese im Firmenbuch unter FN 66902k eingetragene Gesellschaft wurde als übertragende Gesellschaft mit der E***** AG (FN 33209m) verschmolzen. Im Wege der Spaltung zur Aufnahme gemäß des Hauptversammlungsbeschlusses vom und gemäß den Bestimmungen des Spaltungs- und Übernahmevertrags vom wurde der dort bezeichnete Teilbetrieb „Geschäftsfeld Oberösterreich" von der E***** AG auf die E***** Aktiengesellschaft abgespalten, sodass diese Gesellschaft alleinige Übernehmerin und Rechtsnachfolgerin des abgespaltenen Teilbetriebs wurde. Die Abspaltung wurde am im Firmenbuch des Handelsgerichts Wien eingetragen. Gemäß dem Hauptversammlungsbeschluss vom und gemäß den Bestimmungen des Verschmelzungsvertrags von diesem Tag wurde die E***** Aktiengesellschaft (FN 100301b) durch Übertragung ihres gesamten Vermögens als übertragende Gesellschaft im Wege der Verschmelzung durch Aufnahme mit der A***** Aktiengesellschaft (FN 78633m) als übernehmender Gesellschaft verschmolzen. Diese Verschmelzung wurde am im Firmenbuch des Landesgerichts Linz eingetragen.

Sowohl bei der Verschmelzung von Aktiengesellschaften (§ 219 Z 1 AktG; RIS-Justiz RS0109661) als auch bei der Abspaltung (§ 1 und § 14 SpaltG; RIS-Justiz RS0112576) tritt Gesamtrechtsnachfolge ein. Es liegt somit kein Fall fehlender Parteifähigkeit der betreibenden Partei vor. Wenn die Gesamtrechtsnachfolge schon vor der Titelschaffung oder vor der Exekutionsbewilligung eingetreten ist, kann die Parteibezeichnung berichtigt werden (für das Titelverfahren:

RIS-Justiz RS0039592; für das Exekutionsverfahren: 3 Ob 122/06x =

ecolex 2006, 830 = RdW 2007, 93 mwN).

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens beruht auf den §§ 40 und 50 Abs 1 ZPO iVm § 78 EO.