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OGH 22.09.2015, 4Ob148/15s

OGH 22.09.2015, 4Ob148/15s

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Musger, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Rassi als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gemeinde W*****, vertreten durch Dr. Borns Rechtsanwalts GmbH & Co KG in Gänserndorf, gegen die beklagten Parteien 1. H***** K*****, und 2. K***** K*****, vertreten durch Dr. Helga Rettig-Strauss, Rechtsanwältin in Gänserndorf, wegen Einverleibung, infolge der „außerordentlichen“ Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Berufungsgericht vom , GZ 21 R 101/15y-19, womit das Urteil des Bezirksgerichts Gänserndorf vom , GZ 12 C 1306/14w-7, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Akt wird dem Erstgericht zurückgestellt.

Text

Begründung:

Die Klägerin begehrte (zusammengefasst), die Beklagten schuldig zu erkennen, gegen Zug-um-Zug-Leistung von 1.952,36 EUR in die Einverleibung des Eigentumsrechts an einer ihnen gehörenden Liegenschaft zugunsten der Klägerin im Rang eines verbücherten Vorkaufsrechts einzuwilligen und ihr eine Löschungserklärung für ein verbüchertes Pfandrecht auszufolgen.

Das Erstgericht gab der Klage statt.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Die gegen dieses Urteil erhobene „außerordentliche Revision“ der Beklagten an den Obersten Gerichtshof, worin der Haupt-Antrag gestellt wird, der Oberste Gerichtshof möge das angefochtene Urteil im Sinne einer Klagsabweisung abändern, legte das Erstgericht unmittelbar dem Obersten Gerichtshof vor. Diese Vorgangsweise widerspricht der geltenden Rechtslage:

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 502 Abs 3 ZPO ist die Revision - außer im Fall des § 508 Abs 3 ZPO - jedenfalls unzulässig, wenn der Entscheidungsgegenstand insgesamt 30.000 EUR nicht übersteigt und das Berufungsgericht die ordentliche Revision nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO für nicht zulässig erklärt hat. Unter diesen Voraussetzungen kann jedoch eine Partei gemäß § 508 Abs 1 und 2 ZPO binnen vier Wochen nach der Zustellung des Berufungserkenntnisses den beim Erstgericht (§ 508 Abs 2 erster Satz ZPO) einzubringenden Antrag an das Berufungsgericht stellen, seinen Ausspruch dahingehend abzuändern, dass die ordentliche Revision doch für zulässig erklärt werde; ein solcher Antrag, der mit der ordentlichen Revision zu verbinden ist, muss die Gründe dafür anführen, warum entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts nach § 502 Abs 1 ZPO die ordentliche Revision für zulässig erachtet wird.

Im vorliegenden Fall hat das Berufungsgericht den Wert des Entscheidungsgegenstands mit 5.000 EUR, aber nicht 30.000 EUR übersteigend bewertet. Zwar haben die Rechtsmittelwerber das Rechtsmittel rechtzeitig beim Erstgericht eingebracht und darin auch ausgeführt, warum sie entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts die Revision für zulässig erachten. Der Revision fehlt freilich die ausdrückliche Erklärung, dass der Antrag auf Abänderung des Zulässigkeitsausspruchs durch das Berufungsgericht (§ 508 Abs 1 ZPO) gestellt werde. Im Hinblick auf die dargestellte Rechtslage ist der Rechtsmittelschriftsatz jedenfalls nicht dem Obersten Gerichtshof vorzulegen, sind doch im Streitwertbereich des § 502 Abs 3 ZPO Rechtsmittel gegen Entscheidungen, gegen die nach dem Ausspruch der zweiten Instanz die ordentliche Revision nicht zulässig ist, nur dem Gericht zweiter Instanz (sofort), nicht aber dem Obersten Gerichtshof vorzulegen (§ 508 ZPO); dieser darf über das Rechtsmittel nämlich nur und erst entscheiden, wenn das Gericht zweiter Instanz gemäß § 508 Abs 3 ZPO ausgesprochen hat, dass ein ordentliches Rechtsmittel doch zulässig sei (RIS-Justiz RS0109623).

Das Rechtsmittel wäre demnach - auch wenn es als „außerordentliches“ bezeichnet wird - dem Berufungsgericht vorzulegen gewesen. Dies wird das Erstgericht nunmehr nachzuholen haben. Ob die im Schriftsatz enthaltenen Ausführungen, wonach die Revision zulässig sei, den Erfordernissen des § 508 Abs 1 ZPO entspricht, bleibt der Beurteilung der Vorinstanzen vorbehalten (RIS-Justiz RS0109623 [T5], RS0109501 [T12]).

Aus diesen Erwägungen ist der Akt dem Erstgericht zurückzustellen.

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Musger, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Rassi als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gemeinde W*****, vertreten durch Dr. Borns Rechtsanwalts GmbH & Co KG in Gänserndorf, gegen die beklagten Parteien 1. H***** K*****, 2. K***** K*****, vertreten durch Dr. Helga Rettig-Strauss, Rechtsanwältin in Gänserndorf, wegen Einwilligung in die Einverleibung des Eigentumsrechts und Ausfolgung einer Löschungserklärung (Gesamtstreitwert 6.952,04 EUR), über die Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Berufungsgericht vom , GZ 21 R 101/15y-19, womit das Urteil des Bezirksgerichts Gänserndorf vom , GZ 12 C 1306/14w-7, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit 614,86 EUR (darin 102,48 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die klagende Gemeinde verkaufte die streitgegenständliche Liegenschaft im Jahr 1972 um einen Kaufpreis von umgerechnet 1.952,36 EUR an ein Ehepaar. Im Kaufvertrag vereinbart und in weiterer Folge verbüchert wurde ein Wiederkaufsrecht zugunsten der Klägerin, sofern die Erwerber nicht binnen drei Jahren mit dem Bau eines Wohnhauses beginnen und dieses nicht binnen weiterer fünf Jahre fertigstellen sollten. Im Jahr 1979 verkaufte das ersterwerbende Ehepaar diese Liegenschaft an die Beklagten, die ausdrücklich erklärten, das Wiederkaufsrecht und die Bestimmungen des ersten Kaufvertrags zu kennen und zu deren Erfüllung bereit zu sein. Auf die Anfechtung wegen laesio enormis wurde in beiden Kaufverträgen verzichtet. Bislang wurden keine Bauarbeiten begonnen, die Liegenschaft jedoch von den Beklagten mit einer Hypothek im Höchstbetrag von 70.000 EUR belastet.

Die Klägerin begehrte, die Beklagten schuldig zu erkennen, gegen Zug-um-Zug-Leistung von 1.952,36 EUR in die Einverleibung der Liegenschaft im Rang des verbücherten Wiederkaufsrechts einzuwilligen und ihr eine Löschungserklärung betreffend das verbücherte Pfandrecht auszufolgen.

Das Erstgericht gab der Klage statt.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteige; es ließ die ordentliche Revision nachträglich zu, weil zur Frage, ob die Höhe des Wiederkaufspreises - vorbehaltlich anderslautender Vereinbarung - dem ursprünglichen, tatsächlich gezahlten Kaufpreis auch im Fall eines zwischenzeitigen Weiterverkaufs der Liegenschaft entspreche, keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Beklagten ist ungeachtet des - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden - Zulässigkeitsausspruchs des Berufungsgerichts in Ermangelung von erheblichen Rechtsfragen im Sinn von § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

1.1. Die Beklagten relevieren als erhebliche Rechtsfrage den Einwand der laesio enormis. Die durch die Klägerin zu tragende Gegenleistung von 1.952,36 EUR erreiche nicht einmal die Hälfte des Werts der Liegenschaft zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses im Jahr 1979 (5.087,21 EUR).

1.2. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs können, wenn in der Berufung nur in bestimmten Punkten eine Rechtsrüge ausgeführt wird, andere Punkte in der Revision nicht mehr geltend gemacht werden (RIS-Justiz RS0043338 [T27]; RS0043352 [T23, T31, T33]).

1.3. Dies ist hier der Fall. Die Revisionswerber haben den Einwand der leasio enormis im Berufungsverfahren nicht zum Gegenstand ihrer Rechtsrüge gemacht. Er kann daher in der Revision nicht mehr geltend gemacht werden.

2.1. Weiters verfolgen die Beklagten den - in beiden Vorinstanzen erhobenen - Einwand der Verjährung weiter, wobei sie die vom Berufungsgericht herangezogene 40-jährige Verjährungsfrist nicht in Zweifel ziehen, jedoch (und insoweit im Widerspruch zu ihrer noch im Berufungsverfahren vertretenen Rechtsauffassung) meinen, diese habe schon im Jahr 1972 zu laufen begonnen.

2.2. Abgesehen davon, dass es die Revisionswerber bei dieser bloßen Rechtsbehauptung bewenden lassen (vgl RIS-Justiz RS0043605), beginnt die Verjährung eines Anspruchs nach ständiger Rechtsprechung erst dann zu laufen, wenn dieser erstmals geltend gemacht werden kann, seiner Ausübung mithin keine rechtlichen Hindernisse (mehr) entgegenstehen (RIS-Justiz RS0034343; RS0034382; RS0034248 [T3, T8]). Da es zulässig ist, das Recht zum Wiederkauf vom Eintritt bestimmter (wirtschaftlicher) Bedingungen abhängig zu machen (1 Ob 73/67 = SZ 40/66; 1 Ob 644/87; 1 Ob 518/87 = SZ 60/37 [Bau eines Wohnhauses]; RIS-Justiz RS0020147), kann die Verjährungsfrist frühestens mit Eintritt des vereinbarten Wiederkaufsfalls zu laufen beginnen (vgl Aicher in Rummel³ § 1068 ABGB Rz 15; Spitzer in Schwimann/Kodek4 § 1068 ABGB Rz 22; vgl auch allgemein RS0020142). Dies ist hier das Jahr 1975, weil erst in diesem Jahr die dreijährige Frist für den Baubeginn des Wohnhauses ablief. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, wonach die am eingebrachte Klage nicht verjährt sei, ist somit nicht zu beanstanden.

3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO. Die Klägerin hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

Zusatzinformationen


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Rechtsgebiet
Zivilrecht
ECLI
ECLI:AT:OGH0002:2015:0040OB00148.15S.0922.000
Datenquelle

Fundstelle(n):
VAAAD-43654