TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
OGH vom 28.09.2006, 4Ob148/06b

OGH vom 28.09.2006, 4Ob148/06b

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griß als Vorsitzende und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Musger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*****, vertreten durch Dr. Marcella Prunbauer und andere Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei C***** AG, *****, vertreten durch Fiebinger, Polak, Leon & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren 50.000 EUR), infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom , GZ 5 R 63/06f-12, mit dem der Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt vom , GZ 19 Cg 5/06y-6, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Der klagende Verein hat seinen Sitz in Wien und erstreckt seine Tätigkeit auf ganz Österreich (§ 1 Abs 1 der Statuten). Seine Tätigkeit ist nicht auf Gewinn gerichtet. Vereinszweck ist die Bekämpfung aller Formen des unlauteren Wettbewerbs und von Wettbewerbsbeschränkungen sowie die Förderung und Vertretung wirtschaftlicher Interessen von Unternehmern im Sinne des § 14 UWG und des Kartellrechts; der Verein hat es sich weiters zur Aufgabe gemacht, durch Aufklärung und Belehrung zur Förderung des lauteren Geschäftsverkehrs beizutragen (§ 2 Abs 1 der Statuten). Dieser Zweck soll vor allem erreicht werden durch Intervention bei Wettbewerbsverstößen bzw Einschreiten bei den Organen der Rechtspflege, Herausgabe einer Mitgliederzeitschrift und Einrichtung einer kostenfreien Beratung der Mitglieder in Wettbewerbsangelegenheiten (§ 2 Abs 2 der Statuten). Der Verein stützt sich hauptsächlich auf die Mitgliedschaft der Organisationen der gewerblichen Wirtschaft; daneben kann jede unbescholtene eigenberechtigte physische Person und jede juristische Person Mitglied sein (§ 4 der Satzung). Der Kläger ist nach einer Mitteilung der Kommission zu Art 4 Abs 3 der Richtlinie 98/27/EG über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen (in der Folge: Unterlassungsklagen-Richtlinie) eine zur Klageerhebung im Sinne des Art 2 dieser Richtlinie berechtigte qualifizierte Einrichtung (ABl C 222 vom , S. 12 ff).

Die Beklagte ist eine inländische Aktiengesellschaft. Sie betreibt das freie Gewerbe des Gewerbeberaters gemäß § 103 Abs 1 lit b Z 54 GewO und das freie Gewerbe der Dienstleistungen in der automatischen Datenverarbeitung und Informationstechnik. Sie erstellt im Internet unter der Adresse „www.fairguide.com" ein internationales Messe- und Ausstellungsverzeichnis. Dazu sendet sie weltweit jährlich rund fünf Millionen Formulare an Messe- und Ausstellungsteilnehmer aus, mit denen Werbeeinschaltungen im Verzeichnis der Beklagten gebucht werden können. Nach Auffassung des klagenden Vereins sind diese Formulare wettbewerbswidrig, weil sie die Adressaten in die Irre führen. Zur Sicherung seines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruchs beantragt der Kläger, der Beklagten zur Sicherung seines Anspruchs auf Unterlassung wettbewerbsfremder Handlungen und/oder Ankündigungen mit einstweiliger Verfügung für die Dauer dieses Rechtsstreits aufzutragen,

1. es ab sofort im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs in der europäischen Gemeinschaft, dem EWR und der Schweiz zu unterlassen, für Einträge in einer ins Internet gestellten Datensammlung, insbesondere einem als "Fair Guide" bezeichneten Internetverzeichnis unter der Domain „www.fairguide.com" durch Übersendung von Korrekturformularen mit dem Titel „Fair Guide - Das Messe- und Ausstellerverzeichnis" oder einem sinnähnlichen Titel an Ausstellungs- oder Messeteilnehmer der im Formular angegebenen Messe (Veranstaltung) zu werben, mit welchen Daten angeblich bestehende Einträge aktualisiert bzw korrigiert und unterfertigt retourniert werden sollen, ohne in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise klarzustellen, dass durch Vervollständigung und/oder Korrektur mit Rücksendung des unterfertigten Formulars in Wahrheit ein kostenpflichtiger Auftrag zur Einstellung von Unternehmerdaten in der Internetdatensammlung „Fair Guide", welche in keinerlei Beziehung zu den von den Ausstellungs- oder Messeorganisatoren herausgegebenen offiziellen Ausstellungs- oder Messeteilnehmerverzeichnissen steht, erteilt werden soll, insbesondere mit Formularen wie Beilage ./I;

2. Unternehmen, Personen oder sonstigen Einrichtungen gegenüber, welche auf Grund einer zu 1. beschriebenen Handlungsweise irrtümlich das Korrekturformular vervollständigt und/oder unterfertigt haben, auf Zahlungsansprüchen zu bestehen, Ansprüche aus einer angeblichen Verlängerung durchzusetzen und/oder Ansprüche auf Rückzahlung nicht zu erfüllen.

Die Beklagte werbe - in Konkurrenz zu den vom Kläger zu vertretenden Mitgliederinteressen sowie in Verletzung der wahrzunehmenden Interessen nach der Unterlassungsklagen-Richtlinie - bei Messe- und Ausstellungsteilnehmern mittels weltweit unverlangt zugesandter Formularaussendungen um Aufträge für kostenpflichtige Einschaltungen für ihre Datensammlung. Die Formulare erweckten bei den Adressaten den unrichtigen Eindruck, es handle sich um das offizielle Ausstellungsverzeichnis der jeweils angeführten Messe (Veranstaltung) und verleiteten durch ihre täuschende Gestaltung planmäßig zur Unterzeichnung eines als solches nicht erkannten und tatsächlich auch nicht gewollten Auftrags für ein kostenpflichtiges Inserat. Der Auftrag werde für drei Jahre erteilt und betreffe eine - für die Auftraggeber in Wahrheit „nutzlose" - private Internetdatensammlung, die mit dem jeweiligen Ausstellungs- und Messeverzeichnis des offiziellen Messe- und Ausstellungsveranstalters nichts zu tun habe und von letzterem nicht autorisiert sei. Die Beklagte verfolge im Fall der Zahlungsverweigerung mit Nachdruck die ihr vermeintlich zustehenden Ansprüche in Höhe von je 971 EUR jährlich. Ihr Verhalten habe bereits zahllose Beschwerden ua in der Schweiz und in den Mitgliedstaaten der EU und des EWR hervorgerufen und sei geeignet, das Ansehen Österreichs als Rechtsstaat und Wirtschaftsstandort sowie das Ansehen der österreichischen Wirtschaft insgesamt zu beeinträchtigen. Negativ betroffen seien auch Messe- und Ausstellungsveranstalter, die sich mit den Beschwerden ihrer Messeteilnehmer auseinanderzusetzen hätten und deren Daten im Ausstellungskatalog zweckwidrig und missbräuchlich verwendet würden. Das Vorgehen der Beklagten verstoße in den Ländern der EU, des EWR und der Schweiz mehrfach gegen lauterkeitsrechtliche Vorschriften, und zwar sowohl nach dem jeweiligen nationalen Recht (in Österreich §§ 1, 2 und 28a UWG) als auch nach dem Gemeinschaftsrecht, namentlich gegen die in den Mitgliedstaaten bereits umgesetzte Irreführungs-Richtlinie 84/450/EWG und die Richtlinie 2000/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken (UGP-RL).

Die Beklagte beantragt die Abweisung des Sicherungsantrags. Der Kläger sei nicht klageberechtigt. Das Klagerecht von Vereinigungen nach § 14 UWG bestehe nur dann, wenn die von der Vereinigung nach ihrer Satzung vertretenen (wirtschaftlichen) Interessen von Unternehmen durch die beanstandete Handlung berührt würden. Der Kläger vertrete nur die Interessen von Unternehmungen in Österreich. In Österreich nehme die Beklagte nicht am Wettbewerb teil, weil sie keine Aussendungen nach Österreich durchführe. Sie stehe demnach nicht in Konkurrenz zu den Mitgliedern des Klägers. Die Aussendungen der Beklagten würden nicht von Österreich aus versandt. Die Klageberechtigung könne auch nicht aus Art 4 der Unterlassungsklagen-Richtlinie abgeleitet werden; diese Bestimmung begründe die Klagslegitimation im Inland für qualifizierte EU-ausländische Einrichtungen, nicht jedoch für den inländischen Kläger. Das Datenverzeichnis der Beklagten sei wahrscheinlich das einzige weltweite Messe- und Ausstellerverzeichnis mit gewaltiger Werbewirkung und daher keineswegs nutzlos. Die beanstandeten Aussendungen hätten mit irreführender (Erlagschein-)Werbung nichts zu tun. Die Formulare verschleierten ihren Angebotscharakter nicht, weil sie optisch und inhaltlich erkennbar als Offert aufgemacht seien. Sie richteten sich nicht an Verbraucher, sondern an Unternehmer, die bei Messen ausstellten. Die Voraussetzungen, unter welchen in den Mitgliedstaaten der EU, des EWR und der Schweiz einstweilige Verfügungen erlassen werden könnten, seien unterschiedlich. So sei etwa in der Schweiz und in Deutschland eine gewisse Eilbedürftigkeit Voraussetzung, nach den meisten Rechtsordnungen auch das Vorliegen eines drohenden unwiederbringlichen Schadens. Diese Voraussetzungen habe der Kläger ebenso wenig bescheinigt wie das Bestehen eines Wettbewerbsverhältnisses nach dem nationalen Recht. Die Aussendungen der Beklagten seien dem Kläger seit mehreren Jahren bekannt. Im Übrigen sei die Wiederholungsgefahr nach deutschem Recht weggefallen, weil gegen die Beklagte am ein Anerkenntnisurteil des Landgerichts Landshut ergangen sei. Rechtsverletzungen im Ausland seien nicht ausreichend bescheinigt. Der Kläger habe nichts zu Rechtsprechung und Lehre in den Mitgliedstaaten vorgebracht. Die Auffassung der angesprochenen Verkehrskreise sei in den einzelnen Mitgliedstaaten unterschiedlich. Die UGP-RL sei noch nicht umgesetzt und richte sich gegen irreführende Praktiken von Gewerbetreibenden gegenüber Verbrauchern; die Aussendungen der Beklagten fielen nicht unter die im Anhang 1 zu dieser Richtlinie angeführten verbotenen Geschäftspraktiken. Die Unterlassungsgebote seien überschießend; ihre sich an § 28a UWG orientierende Fassung könne für andere Länder nicht von Bedeutung sein und hätte zur Folge, dass die Beklagte überhaupt keine Aussendungen mit klaren und eindeutigen Formularen mehr durchführen könnte. Ein Anspruch auf Unterlassung der Durchsetzung von Ansprüchen bestehe nach österreichischem Recht nicht und sei auch für andere Länder nicht bescheinigt. Jedenfalls müsste der Vollzug der einstweiligen Verfügung vom Erlag einer angemessenen Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden.

Am langte beim Erstgericht eine Replik des Klägers ein, die vom Erstgericht am mit dem Vermerk „ges., kreuzte sich mit Erledigung" versehen und nicht mehr berücksichtigt wurde (der erstgerichtliche Beschluss ist mit datiert, der Abfertigungsvermerk gibt als Datum des Einlangens den an). Der Kläger brachte darin ergänzend vor, schon die Möglichkeit einer Beeinträchtigung der vertretenen Interessen begründe seine Aktivlegitimation. Die Beklagte sei Mitbewerberin im In- und Ausland der etwa in den Fachgruppen Werbung und Marktkommunikation oder Unternehmensberatung und Informationstechnologie zusammengefassten Unternehmen; ebenso seien in- und ausländische Messe- und Ausstellungsveranstalter mit in- und ausländischen Ausstellern betroffen. Der Vereinszweck des Klägers sei weder räumlich noch sachlich auf Österreich beschränkt. Der Kläger sei nach der Unterlassungsklagen-Richtlinie befugt, die von Österreich aus gesetzten Verstöße der Beklagten (auch) in anderen Mitgliedstaaten geltend zu machen; dies umfasse das Recht, einen gesetzlich vorgesehenen österreichischen Gerichtsstand zu nutzen. Viele österreichische Unternehmen seien Tochter- oder Enkelgesellschaften ausländischer Unternehmen; viele Adressaten von Aussendungen der Beklagten verfügten über eine Niederlassung in Österreich, so etwa die Privatbrauerei M.C.W***** KG in Oberbayern, die eine Niederlassung in Salzburg besitze und aufgrund der Teilnahme an einer in Salzburg veranstalteten Messe einer Täuschung über das im Mai 2005 ausgesendete Formular erlegen sei. Die verfolgten Ansprüche seien nicht verjährt; der Kläger, der einen eigenen Unterlassungsanspruch verfolge, habe innerhalb der Frist des § 20 Abs 2 UWG von den Verletzungen Kenntnis erlangt. Die prozessualen Voraussetzungen für die Erlassung der einstweiligen Verfügung seien nach der lex fori zu prüfen, die materiellrechtlichen gemäß § 48 Abs 2 IPRG nach den Rechtsordnungen der jeweiligen Länder, auf deren Markt sich der Wettbewerb auswirke. Die Frage der Gefahrenbescheinigung und der Eilbedürftigkeit seien prozessuale Voraussetzungen. Die Dringlichkeit sei in der Schweiz keine Voraussetzung für die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs und werde auch nach deutschem Prozessrecht grundsätzlich vermutet. Von den bescheinigten Verstößen in Deutschland habe der Kläger erst im Dezember 2005 erfahren. Ein zwischen Fremden ergangenes Anerkenntnisurteil beseitige weder den Unterlassungsanspruch des Klägers noch dessen Dringlichkeit. Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Es nahm als bescheinigt an, dass die Beklagte keine Aussendungen nach Österreich verschickt und keine Formulare an österreichische Unternehmen versendet. Mitglieder des Klägers seien deshalb durch das Verhalten der Beklagten nicht betroffen. Damit fehle dem Kläger die aktive Klagslegitimation. Seine Befugnis, Wettbewerbsverletzungen hintanzuhalten, erstrecke sich schon nach seinen Statuten nur auf Österreich. Zwar habe die Beklagte ihren Sitz im Inland, die Wirkungen ihres beanstandeten Handelns träten jedoch ausschließlich in anderen Staaten ein. Inländische Messen oder Ausstellungen seien davon nicht betroffen, auch österreichische Unternehmungen würden nicht geschädigt. Erstbegehungsgefahr in Österreich sei nicht gegeben. Die Klagslegitimation lasse sich auch nicht aus § 14 Abs 2 UWG iVm der Unterlassungsklagen-Richtlinie zum Schutz der Verbraucherinteressen ableiten. Im Anlassfall solle nicht von der Organisation eines anderen Mitgliedstaats im Ursprungsland des behaupteten Verstoßes eine Klage eingebracht werden, sondern es gehe um die Klage einer Organisation im Mitgliedstaat selbst. Art 4 Abs 3 Unterlassungsklagen-Richtlinie habe die Klagelegitimation bei grenzüberschreitenden Verstößen innerhalb der Gemeinschaft zum Gegenstand. Die vom Kläger zu schützenden Unternehmer seien aber durch die behauptete Vorgangsweise der Beklagten nicht beeinträchtigt. Es bedürfe daher keiner inhaltlichen Überprüfung des beanstandeten Verhaltens.

Das Rekursgericht hob diesen Beschluss auf und verwies die Sache an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung zurück; es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei, weil Rechtsprechung zur Klagelegitimitation von Verbänden bei grenzüberschreitenden Wettbewerbsverstößen fehle. Der Kläger mache geltend, dass die Beklagte weltweit täuschende Formulare an Ausstellungs- und Messeteilnehmer versende, wobei ihr Verhalten den österreichischen Bestimmungen der §§ 1, 2 und 28a UWG, gemeinschaftsrechtlichen Richtlinien und den nationalen Lauterkeitsbestimmungen der Sitzländer der Adressaten widerspreche. Damit behaupte der Kläger ein wettbewerbswidriges Verhalten der Beklagten, dessen Bekämpfung in seinen satzungsgemäßen Tätigkeitsbereich falle. Es komme nicht darauf an, inwieweit Adressaten mit Niederlassungen in Österreich oder österreichische Messen betroffen seien: Das behauptete wettbewerbswidrige Verhalten sei jedenfalls geeignet, den wirtschaftlichen Erfolg der Beklagten auf Kosten gesetzestreuer österreichischer Mitbewerber zu fördern. Im Hinblick auf das behauptete Ausmaß weltweiter Formularversendungen in Millionenauflage fehle auch nicht die Eignung des beanstandeten Verhaltens, zu einer nicht bloß unerheblichen Nachfrageverlagerung zu führen. Es genüge, dass das Verhalten geeignet sei, die Wettbewerbslage zu beeinflussen; eine Wettbewerbshandlung liege auch dann vor, wenn ein Verhalten geeignet sei, dem Unternehmen gegenüber den Mitbewerbern (finanzielle) Vorteile zu bringen, wobei Wettbewerbsabsicht vermutet werde, wenn die Handlung der Förderung des eigenen Wettbewerbes diene und objektiv den Charakter einer Wettbewerbshandlung habe. Die Klagebefugnis ergebe sich danach aus § 14 Abs 1 UWG, lasse sich aber auch aus § 14 Abs 2 UWG und aus der Unterlassungsklagen-Richtlinie ableiten. Der Kläger sei als Einrichtung im Sinne des Art 4 dieser Richtlinie anerkannt und befugt, von Österreich ausgehende Lauterkeitsverstöße in anderen Mitgliedstaaten geltend zu machen; es müsse ihm dann aber auch möglich sein, dagegen unter Benützung eines unbestrittenen Gerichtsstands in Österreich vorzugehen. Die Befugnis des Klägers, Verstöße im Ausland gerichtlich geltend zu machen, stehe der Geltendmachung im Inland als Ursprungsland nicht entgegen; solches sei auch den erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage des Fernabsatzgesetzes zu entnehmen, wonach die Unterlassungsklagen-Richtlinie die Voraussetzungen dafür schaffen solle, dass gegen missbräuchliche Praktiken auch im grenzüberschreitenden Verkehr vorgegangen werden könne und es darum gehe, Lücken im Handlungsrahmen der Interessenvertretungen unabhängig vom anwendbaren Sachrecht zu schließen. Die prozessuale Legitimation eines klagenden Verbands richte sich nach der lex fori, im vorliegenden Fall also nach österreichischem Recht. Daraus könne nicht geschlossen werden, dass die Verbandsklage auf Fälle beschränkt sei, in denen österreichisches Lauterkeitsrecht zur Anwendung komme. Das Erstgericht habe die beanstandeten Handlungen inhaltlich nicht überprüft; seine Entscheidung leide daher unter Feststellungsmängeln, die zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung führten. Im fortgesetzten Verfahren werde das Erstgericht die behaupteten Wettbewerbsverstöße zu prüfen und dabei davon auszugehen haben, dass grenzüberschreitende Unterlassungsgebote im Sicherungsverfahren grundsätzlich möglich seien. Das Verbot könne auch für andere Staaten beantragt werden, wobei bei grenzüberschreitenden Werbemaßnahmen das Recht des Zielorts maßgebend sei, somit das materielle Recht jener Länder, in denen das Verbot wirksam werden solle. Dies gelte sowohl für die Frage der Verfahrensvoraussetzungen als auch für jene nach dem Erfordernis einer Gefahrenbescheinigung oder der Glaubhaftmachung eines drohenden erheblichen Nachteils, zumal der Gerichtsstand im Inland nicht dazu dienen könne, Verfahrensvorschriften jener Länder, für die die Sicherungsmaßnahme beantragt würden, zu umgehen. Bei der Ermittlung ausländischen Rechts bedürften jene ausländischen Normen keiner Bescheinigung, die vernünftigerweise nicht in Zweifel gezogen werden könnten, wovon jedenfalls bei älteren Mitgliedstaaten der Europäischen Union in Ansehung der Rechtskonformität mit Richtlinien zumindest dann auszugehen sein werde, wenn diese schon vor geraumer Zeit erlassen worden seien.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs der Beklagten ist zulässig, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Klagelegitimation eines inländischen Wettbewerbsvereins nach Art 4 der RL 98/27/EG über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen (Unterlassungsklagen-Richtlinie) fehlt; das Rechtsmittel ist auch berechtigt.

1. Die Beklagte wirft dem Rekursgericht vor, die Unterlassungsklagen-Richtlinie unrichtig auszulegen; diese räume dem klagenden Wettbewerbsverband im Anlassfall keine Aktivlegitimation ein.

1.1. Die Unterlassungsklagen-Richtlinie (innerstaatlich umgesetzt durch § 14 Abs 2 UWG) ist auf grenzüberschreitende Verstöße gegen die Kollektivinteressen der Verbraucher innerhalb der Gemeinschaft anwendbar. Ihr Hauptregelungsgegenstand ist die Klagebefugnis sogenannter „qualifizierter Einrichtungen", also bestimmter Verbraucherverbände, zur Wahrnehmung jener Kollektivinteressen, die in den Schutzbereich der neun wichtigsten Verbraucherschutzrichtlinien - darunter jene über irreführende Werbung - fallen. Die Klagebefugnis wird den Verbraucherverbänden eines Mitgliedstaats nach Art 4 Abs 1 der Richtlinie dann eingeräumt, wenn der Verstoß seinen Ursprung in einem anderen Mitgliedstaat hat als jenem, in dem die von den Verbraucherverbänden geschützten Interessen durch den Verstoß beeinträchtigt und die Schutzorganisation tätig ist (vgl auch § 14 Abs 2 UWG).

1.2. Diese Bestimmung unterscheidet demnach zwischen dem Handlungsstaat (in dem der Verletzer handelt und der Verstoß demnach seinen Ursprung hat) und dem Schadensstaat (in dem sich die Verletzung der Kollektivinteressen auswirkt und in dem der Verbraucherverband, der den Verstoß abstellen lassen will, tätig ist). Sie erweitert nicht etwa die Klagebefugnis der Verbraucherverbände des Schadenstaats auf Sachverhalte mit Auslandsberührung oder räumt ihnen Klagebefugnis ein, sondern anerkennt die Klagebefugnis der Verbraucherverbände des Schadensstaats im Handlungsstaat (De Sousa in FS Geimer, Über die grenzüberschreitende Popularklage zum Schutz der Verbraucherinteressen, 1317, 1323 ff). Die Verbraucherverbände können demnach nunmehr auch grenzüberschreitend in der Gemeinschaft tätig werden, wenn sie durch den jeweiligen Verstoß eines Marktteilnehmers aus einem anderen Mitgliedstaat betroffen sind (EuZW 1998, 547; vgl auch EB zum Fernabsatzgesetz Blg NR 20. GP 1998, 7).

1.3. Im Anlassfall ist unstrittig, dass der inländische klagende Verein eine zur Klageerhebung im Sinne des Art 2 der Unterlassungsklagen-Richtlinie berechtigte qualifizierte Einrichtung ist. Seinen Behauptungen nach besteht das wettbewerbswidrige Verhalten des beklagten inländischen Unternehmens in der weltweiten Versendung zur Irreführung geeigneter Formulare. Der inländische Kläger strebt eine Klagsführung wegen dieses Verhaltens vor einem inländischen Gericht an. Damit liegt - wie zuvor ausgeführt - kein Anwendungsfall des Art 4 Unterlassungsklagen-Richtlinie vor: Der Kläger bedarf keiner grenzüberschreitenden Klagebefugnis nach Gemeinschaftsrecht im Handlungsstaat, wenn er ein Verbraucherverband des Handlungsstaats ist und er in diesem den Rechtsweg gegen einen inländischen Unternehmer beschreiten will. Prozessuale Binnensachverhalte, in denen der Sitzstaat des Verbraucherverbands zugleich behaupteter Handlungsstaat ist, berührt die Unterlassungsklagen-Richtlinie - und damit § 14 Abs 2 UWG als entsprechende inländische Norm - nach ihrem insoweit klaren Wortlaut nicht.

2. Der Kläger leitet seine Klagslegitimation auch aus § 14 Abs 1 UWG ab. Die Rechtsmittelwerberin vertritt dazu die Auffassung, dass die Satzung des Klägers seine Tätigkeit auf Österreich beschränke; nur in diesem Umfang bestehe daher auch seine Sachlegitimation. Die Beklagte handle im Inland nicht wettbewerbswidrig, ihr Verhalten berühre somit keine vom Kläger vertretenen inländischen Interessen.

2.1. Die Verbandsklagebefugnis (hier: nach § 14 Abs 1 UWG) wird von der Rechtsprechung und Teilen der Lehre nach der materiellen Berechtigung beurteilt und ist damit eine Frage der Sachlegitimation (4 Ob 382/85 = JBl 1986, 251 = ÖBl 1986, 9 - Wecker-Rabatt; Fasching LB² Rz 338; vgl Schubert in Fasching, ZPO³ vor § 1 Rz 82).

2.2. Nach der Rechtsprechung besteht die Klagebefugnis der in § 14 Abs 1 UWG genannten Vereinigungen, sofern der behauptete Wettbewerbsverstoß innerhalb des satzungsgemäß festgelegten Aufgabenbereichs liegt (vgl RIS-Justiz RS0079371; vgl auch die Judikaturübersicht bei Duursma-Kepplinger in Gumpoldsberger/Baumann, UWG § 14 Rz 146). Die Klagebefugnis besteht nicht nur dann, wenn die Interessen eines Mitglieds der Vereinigung konkret verletzt sind, sondern bereits dann, wenn die bloß abstrakte Möglichkeit einer Beeinträchtigung der von der Vereinigung vertretenen Interessen gegeben ist (Nachweise bei Duursma-Kepplinger aaO Rz 143).

2.3. Nach seiner Satzung erstreckt der Kläger seine Tätigkeit auf ganz Österreich. Vereinszweck ist die Bekämpfung aller Formen des unlauteren Wettbewerbs und von Wettbewerbsbeschränkungen sowie die Förderung und Vertretung wirtschaftlicher Interessen von [erg:

inländischen] Unternehmern im Sinne des § 14 UWG und des Kartellrechts. Nun ist zwar bescheinigt, dass die Beklagte keine Aussendungen nach Österreich verschickt und keine Formulare an österreichische Unternehmen versendet. Entgegen der Auffassung der Beklagten und des Erstgerichts kann daraus jedoch noch nicht der Schluss gezogen werden, das der Beklagten vorgeworfene Verhalten berühre keine satzungsmäßigen Interessen des Klägers. Der Kläger hat nämlich vorgebracht, dass das Verhalten der Beklagten zu zahllosen Beschwerden geführt habe. Es kann dann aber nicht ausgeschlossen werden, dass potenzielle Auftraggeber als Folge eigener oder fremder schlechter Erfahrungen mit der Beklagten künftig keine Geschäftsbeziehungen zu inländischen Mitbewerbern der Beklagten eingehen wollen. Damit ist das beanstandete Verhalten zumindest abstrakt geeignet, den Wirtschaftsstandort Österreich und die hier tätigen Mitbewerber zu schädigen. Die Wirkungen des beanstandeten Verhaltens treten daher - entgegen der Auffassung der Beklagten - nicht nur im Ausland ein, und der in den Statuten des Klägers festgelegte Vereinszweck, die inländischen wirtschaftlichen Interessen seiner Mitglieder zu vertreten, deckt die Klageführung im Anlassfall.

2.4. Diesem Ergebnis steht auch nicht entgegen, dass die beanstandeten Formulare - wie die Beklagte behauptet - nur vom Ausland aus versendet würden: Eine Wettbewerbshandlung (hier: Täuschung durch Versenden irreführender Formulare) kann zwar in beliebig viele einzelne Handlungselemente (Fassen des Entschlusses; Planung; Herstellung der Briefsendungen, Transport der Formulare zum Aufgabeort uvm) zerlegt werden. Stehen jedoch diese einzelnen Elemente - wie hier - in einem engen faktischen und wirtschaftlichen Zusammenhang und sind sie auch vom selben Täter zu verantworten, so sind sie als Teile eines einheitlichen Geschehens anzusehen, das dort verwirklicht ist, wo es auf betroffenen Märkten wirksam wird (Marktwirkungsprinzip). Wie zuvor gezeigt, ist aber auch der inländische Markt betroffen.

3. Die im angefochtenen Beschluss enthaltenen Aufträge des Rekursgerichts an das Erstgericht zur Beachtung im fortgesetzten Verfahren beruhen auf einer zutreffenden Rechtsansicht, die vom erkennenden Senat geteilt wird (§ 510 Abs 3 ZPO iVm § 528a ZPO). Ob die anzuwendenden ausländischen Rechtsnormen ausreichend bescheinigt sind - was von der Rekurswerberin in Zweifel gezogen wird - war bisher nicht Gegenstand des Verfahrens; diese Frage kann daher vom Senat in diesem Stadium noch nicht beurteilt werden. Gleiches gilt für die ebenfalls im Rechtsmittel aufgeworfene Frage, ob ausreichende Umstände vorliegen, nach § 4 Abs 2 IPRG inländisches Recht anzuwenden.

4. Der Kostenvorbehalt beruht auf §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 52 Abs 1 zweiter Satz ZPO.