OGH vom 09.07.2014, 2Ob106/14y
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dkfm. D*****, vertreten durch Dr. Monika Gillhofer und Dr. Maria Luise Plank, Rechtsanwältinnen in Wien, gegen die beklagte Partei Mag. D*****, vertreten durch BINDER GRÖSSWANG Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 151.951,84 EUR sA und Feststellung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 16 R 48/14t 24, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom , GZ 25 Cg 238/12x 20, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben und es wird die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Die E***** KEG (in der Folge kurz: E*****) war ab 1994 Mieterin von Räumlichkeiten der S***** GmbH (in der Folge kurz: S*****) in W*****. Die E ***** vermietete diese Räumlichkeiten an die A*****gesellschaft mbH (in der Folge kurz: A*****). Die A***** bezahlte Miete an die E*****, die ihrerseits Bestandzahlungen an die S***** entrichtete. Komplementärin der E***** war die S***** Vermietungsgesellschaft mbH, deren selbständig vertretungsbefugte Geschäftsführer der Kläger und eine weitere Person waren. Die E***** verrechnete der A*****, die Zahlungsschwierigkeiten hatte, im Zeitraum 1996 bis April 1997 keine Benutzungsentgelte. Am wurde über das Vermögen der E ***** und der A***** das Konkursverfahren eröffnet. Am erstattete die S***** Strafanzeige gegen den Kläger und den zweiten Geschäftsführer.
Mit Beschluss vom bestellte das Landesgericht für Strafsachen Wien über Antrag der Staatsanwaltschaft Wien den Beklagten mit dem Auftrag zum Sachverständigen, Befund und Gutachten unter anderem zur Frage zu erstatten, ob die Verdächtigen, darunter der Kläger, Bestandteile des Firmenvermögens der E***** verheimlicht, beiseite geschafft, veräußert oder beschädigt hätten, nicht bestehende Verbindlichkeiten vorgeschützt oder anerkannt oder sonst das Vermögen der E***** wirklich oder nur zum Schein verringert hätten und dadurch die Befriedigung der Gläubiger oder wenigstens eines von ihnen vereitelt oder geschmälert hätten. Der Beklagte erstattete sein Gutachten im Juli 2006.
Die Staatsanwaltschaft Wien erhob mit Anklageschrift vom Anklage unter anderem gegen den Kläger. Die Beschuldigten erhoben gegen diese Anklageschrift Einspruch. Mit Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom wurde der Anklage Folge gegeben. In der Begründung dieses Beschlusses wurde festgehalten, die Verfahrensergebnisse reichten aus, die drei Beschuldigten in den Anklagestand zu versetzen.
Der Beklagte wurde in der Hauptverhandlung als Sachverständiger beigezogen. Am wurde die Hauptverhandlung zur Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens erstreckt. Außerhalb der Verhandlung bestellte das Gericht einen weiteren Sachverständigen, der sein schriftliches Gutachten am erstattete.
Am zog die Staatsanwaltschaft Wien die Anklage zurück. Mit Verfügung vom verständigte das Strafgericht sämtliche Verteidiger von der Zurückziehung der Anklage. Diese Mitteilung wurde am zugestellt. Am gleichen Tag verständigte das Strafgericht die Vertreter der beiden Privatbeteiligten, die Zustellung erfolgte ebenfalls am . Die Privatbeteiligten erklärten binnen einem Monat nach Verständigung vom Rücktritt der Staatsanwaltschaft von der Anklage nicht, die Anklage als Subsidiarankläger aufrechtzuerhalten (§ 72 Abs 1 und 3 StPO).
Mit Beschluss vom stellte das Strafgericht das Strafverfahren unter anderem gegen den Kläger ein und begründete dies mit der Zurückziehung der Anklage und der Nichterbringung einer Subsidiaranklage durch die Privatbeteiligten. Dieser Beschluss wurde dem Vertreter des Klägers am zugestellt.
Der Kläger begehrte mit der am beim Erstgericht eingebrachten Klage 151.951,84 EUR sA sowie die Feststellung der Haftung des Beklagten für alle künftigen Schäden, die durch seine gutachterliche Tätigkeit vor und im Strafverfahren, insbesondere durch Unrichtigkeiten und Unvollständigkeiten, entstehen. Der Beklagte habe in der gutachterlichen Tätigkeit die entlastenden Umstände hinsichtlich aller Tatvorwürfe nicht vollständig oder tendenziell dargestellt. Hätte er dies nicht getan, wäre es nicht zu einer Anklageerhebung gegen den Kläger gekommen. Dadurch seien dem Kläger Verteidigerkosten im Strafverfahren von 99.951,84 EUR für Dr. B***** und 42.000 EUR für Mag. R***** entstanden. Weiters mache er 10.000 EUR an seelischem Schmerzengeld geltend. Die vollständigen Auswirkungen des Strafverfahrens seien für ihn noch nicht absehbar und es bestehe unter anderem die Möglichkeit, dass Gesellschaften, für die der Kläger tätig gewesen sei, aufgrund des Strafverfahrens Ansprüche gegen ihn richten würden. Er habe daher ein Interesse an der Feststellung der Haftung des Beklagten für künftige Folgen. Der Kläger habe vereinbarungsgemäß die Abrechnung von Dr. E***** gegenüber dem Mitangeklagten Dr. G***** bezahlt. Dieser habe darüber hinaus sämtliche Schadenersatzansprüche gegen den Beklagten an den Kläger abgetreten. Die Ansprüche seien nicht verjährt, weil die Verjährungsfrist erst mit der Rechtskraft des Einstellungsbeschlusses des Strafgerichts vom begonnen habe.
Der Beklagte wendete ein, es bestehe keine Haftung von Gerichtssachverständigen für rechtskräftige Anklagen. Es fehlten konkrete Behauptungen, welche unrichtigen Aussagen im Gutachten kausal für den Eintritt der behaupteten Schäden gewesen sein sollten. Das Gutachten des Beklagten sei richtig gewesen. Die geltend gemachten Ansprüche seien überhöht. Wäre der Sachverhalt so wie vom Kläger behauptet, wäre es ihm leicht möglich gewesen, diese Umstände bereits so im Vorverfahren darzutun, dass es zu gar keiner Anklage gekommen wäre. Der Kläger habe daher seine Schadensminderungspflicht verletzt. Im Übrigen seien die Ansprüche verjährt. Die Verjährungsfrist habe spätestens mit der Zurückziehung der Anklage durch die Staatsanwaltschaft Wien am zu laufen begonnen. Auch wenn es wie hier Privatbeteiligte gebe, sei der Beschluss des Strafgerichts nur deklarativ. Die Wirkung trete bereits mit dem tatsächlichen Rücktritt von der Anklage ein, jedenfalls aber mit dem Ablauf der Frist für die Privatbeteiligten.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte den schon wiedergegebenen Sachverhalt fest und führte in rechtlicher Hinsicht aus, den Ansprüchen des Klägers stehe keine Bindungswirkung der Entscheidung des Oberlandesgerichts Wien über den Anklageeinspruch entgegen. Die Klageansprüche seien jedoch verjährt. Nach der Judikatur des Obersten Gerichtshofs führe der Rücktritt von der Anklage vor der Hauptverhandlung oder nach deren Beginn außerhalb derselben in den Fällen, in denen bis dahin kein Privatbeteiligtenanschluss vorliege, zur Beendigung des Verfahrens; der Beschluss des Vorsitzenden auf Einstellung des Verfahrens habe nur deklarative Bedeutung. Wenn ein Privatbeteiligtenanschluss vorliege, so bewirke zwar noch nicht der Rücktritt der Staatsanwaltschaft von der Anklage die Beendigung, aber der Ablauf der Frist von einem Monat für eine Erklärung der Privatbeteiligten (§ 72 Abs 3 StPO). Ein Rechtsmittel gegen einen später vom Gericht gefassten Beschluss könne nur dann Erfolg haben, wenn gar kein Rücktritt der Staatsanwaltschaft von der Anklage vorliege, die Frist für die Privatbeteiligten noch nicht abgelaufen sei oder sie doch eine wirksame und rechtzeitige Erklärung abgegeben hätten, eine Subsidiaranklage zu erheben. Wenn der Beschluss nach § 227 Abs 1 StPO nach der Rechtsprechung deklarativ sei, so sei kein Grund ersichtlich, warum nicht auch der Beschluss nach § 72 Abs 3 StPO ebenfalls deklarativ sein sollte. Wenn die Privatbeteiligten nicht rechtzeitig eine Subsidiaranklage erheben würden, würden die Rechtsfolgen gemäß § 72 Abs 3 StPO eintreten, ohne dass es eines Beschlusses bedürfe. Habe ein Geschädigter Kenntnis davon, dass die Staatsanwaltschaft von der Anklage zurückgetreten sei, und auch Kenntnis von der Zustellung an den Privatbeteiligten, so ergebe sich mit Ablauf der Frist des § 72 Abs 3 StPO von einem Monat die Möglichkeit, ohne Gefahr des Einwands der Bindungswirkung eine Klage zu erheben, wenn innerhalb dieser Frist keine Erklärung der Privatbeteiligten erfolge. Die Einbringung der Klage sei daher erst nach Ablauf der Verjährungsfrist erfolgt. Der Kläger könne sich auch nicht darauf berufen, dass er vom Zeitpunkt der Zustellung an die Privatbeteiligten keine Kenntnis habe. Da der Kläger über seinen Verteidiger zurechenbar Kenntnis vom Rücktritt der Staatsanwaltschaft von der Anklage gehabt habe, hätte er sich erkundigen müssen, ob und wann die Privatbeteiligten Kenntnis erlangt hätten. Ausgehend von seinem Vorbringen habe der Kläger auch bereits vor diesem Zeitpunkt Kenntnis vom behaupteten Schaden und auch vom behaupteten Schädiger gehabt.
Das Berufungsgericht bestätigte das erstgerichtliche Urteil. Es hielt die rechtliche Beurteilung des Erstgerichts für zutreffend und führte weiter aus, Rechtsprechung und Lehre hätten sich bisher mit der Frage, ob der Einstellungsbeschluss nach § 72 Abs 3 StPO bloß deklarativ sei, nicht befasst. Mit dem Erstgericht sei eine lediglich deklarative Wirkung eines derartigen Beschlusses anzunehmen: In diesem Fall sei die Beendigungswirkung des Rücktritts von der Anklage durch die Staatsanwaltschaft nur durch die Möglichkeit einer Subsidiaranklage durch die Privatbeteiligten binnen eines Monats ab ihrer Verständigung vom Rücktritt der Anklage bedingt. Es gebe keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber dem Einstellungsbeschluss nach § 72 Abs 3 StPO konstitutive Wirkung beimessen habe wollen. Sowohl beim Rücktritt von der Anklage ohne Vorhandensein von Privatbeteiligten als auch beim Rücktritt von der Anklage bei Vorhandensein von Privatbeteiligten stelle der Einstellungsbeschluss bloß den Eintritt von Rechtsfolgen fest, diese träten jedoch von selbst ein. Die Rechtslage sei mit jener vergleichbar, wenn im Zivilprozess die klagende Partei die Klage ohne Anspruchsverzicht nach Erstattung der Klagebeantwortung bzw Erhebung des Einspruchs zurücknehme. Dort trete die Wirkung dieser Klagerücknahme erst mit der Zustimmung des Beklagten ein. Die Rechtsprechung kenne im Zivilprozess mehrere Anwendungsfälle von deklarativen Beschlüssen: Bei der Unterbrechung nach § 158 ZPO, bei der Beendigung des Verfahrens infolge Klagerücknahme und bei der Unterbrechung nach § 7 IO. Alle diese Konstellationen hätten gemein, dass die Unterbrechungs bzw Beendigungswirkung ex lege eintrete und das Gericht die Rechtslage nur deklarativ festhalte. Auf den Einstellungsbeschluss des Strafgerichts komme es daher nicht an, sondern auf den Eintritt der Wirkung des Anklagerücktritts nach Ablauf der Frist für die Erhebung einer Subsidiaranklage durch die Privatbeteiligten. Diese Frist sei am (gemeint: 2009) abgelaufen, sodass ab (gemeint: 2009) eine Schadenersatzklage hätte eingebracht werden können.
Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage fehle, ob der Einstellungsbeschluss nach § 72 Abs 3 StPO bloß deklarative Wirkung habe.
Gegen das berufungsgerichtliche Urteil richtet sich die Revision des Klägers mit dem Antrag auf Aufhebung dieses Urteils und Zurückverweisung der Rechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung.
Der Beklagte beantragt in der Revisionsbeantwortung, die Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig und berechtigt.
Der Revisionswerber bringt vor, das Zivilgericht hätte jede Klage zurückgewiesen, solange „es“ (gemeint das Strafverfahren) noch nicht rechtskräftig eingestellt worden sei, da es bis zu diesem Zeitpunkt dem Rechtsbestand angehört habe. Das Strafverfahren sei gegen den Kläger solange als offen anzusehen, als nicht der Einstellungsbeschluss vom rechtskräftig geworden sei.
Der erkennende Senat hat dazu Folgendes erwogen:
1. Der Sachverständige haftet den Prozessparteien für die Folgen eines im Rechtsstreit schuldhaft abgegebenen unrichtigen Gutachtens (RIS Justiz RS0026319). Dies hat auch für Strafverfahren zugunsten der Angeklagten beziehungsweise Beschuldigten zu gelten. Die Einholung eines Gutachtens im Strafverfahren dient nämlich der Erforschung der materiellen Wahrheit, soll also die Grundlage dafür schaffen, die Schuld oder Unschuld einer Person festzustellen (RIS Justiz RS0026319 [T4]).
Sollte also der Beklagte schuldhaft ein unrichtiges Gutachten erstattet haben und diese Unrichtigkeit des Gutachtens den Kläger der weiteren Strafverfolgung ausgesetzt haben, würde der Beklagte dem Kläger für den dadurch verursachten Schaden ersatzpflichtig.
2.1. Solange das verurteilende Strafurteil aufrecht ist, kann der Verurteilte nicht vom Sachverständigen, auf dessen Gutachten sich das Urteil stützt, Schadenersatz wegen unrichtiger Begutachtung begehren (RIS Justiz RS0026373). Dies gilt auch nach der Aufhebung des § 268 ZPO, weil nach der Entscheidung des verstärkten Senats SZ 68/195 nach wie vor von der Bindung des Zivilgerichts an das rechtskräftige verurteilende Strafurteil auszugehen ist (RIS Justiz RS0026373 [T1]). Diese Rechtsprechung gründet sich darauf, dass das Zivilgericht, solange das strafgerichtliche Erkenntnis nicht beseitigt ist, bindend davon auszugehen hat, dass der Verurteilte die im Strafurteil festgestellte Tat tatsächlich begangen hat (RIS Justiz RS0026373 [T2]).
2.2. In SZ 27/285 hat der Oberste Gerichtshof Folgendes ausgeführt: Solange ein rechtskräftiges Urteil besteht, beinhaltet es die anders als durch seine Aufhebung (durch Wiederaufnahme) nicht widerlegbare Vermutung der Richtigkeit (Rechtsordnungsgemäßheit) seines Spruchs und der darauf beruhenden weiteren Folgen. Ein durch ein solches Urteil verwertetes Sachverständigengutachten kann, wenn das Urteil gemäß dem Gutachten erflossen ist, nach den Denk Gesetzen notwendigerweise nur richtig sein, weil aus einem Gutachten ein mit ihm übereinstimmendes richtiges Urteil nur erfließen kann, wenn auch das Gutachten richtig ist. Ist aber das Urteil richtig und das Gutachten falsch, dann kann zwar das falsche Gutachten (mittelbar) das richtige Urteil bewirkt haben, es kann aber nicht Ursache des Schadens sein, weil ein richtiges Urteil begrifflich niemals einen Schaden bewirken kann.
2.3. In der Entscheidung 8 Ob 69/08t befasste sich der Oberste Gerichtshof mit dem Schadenersatzbegehren eines Beschuldigten, der behauptete, wegen des falschen Gutachtens der beklagten Sachverständigen sei die über ihn verhängte Untersuchungshaft aufrechterhalten worden. Der 8. Senat führte dazu aus, die vom Obersten Gerichtshof im Grundrechtsbeschwerdeverfahren überprüfte Entscheidung über die Untersuchungshaft sei nach wie vor wirksam. Jedenfalls solange die Untersuchungshaft andauere, stehe dem vom Kläger im Zivilverfahren erhobenen Begehren die Bindungswirkung dieser Entscheidung entgegen. Es müsse daher nicht geklärt werden, ob eine Schadenersatzklage gegen den im Strafverfahren bestellten Sachverständigen überhaupt vor rechtskräftiger Beendigung des Strafverfahrens erhoben werden könne. Dagegen könnte ins Treffen geführt werden, dass im Strafverfahren, in dem das Gutachten erstattet worden sei, die Beurteilung der Richtigkeit des Gutachtens ausschließlich dem Gericht, das ihn bestellt habe, obliege. Bejahe man die Möglichkeit, den Sachverständigen vor Abschluss des Verfahrens mit einer auf die behauptete Unrichtigkeit des Gutachtens gestützten Schadenersatzklage zu belangen, käme es im Ergebnis nicht nur zu einer Überprüfung des im Strafverfahren ergangenen Beschlusses auf Verhängung der Untersuchungshaft, sondern auch zu einem mit dem Wesen dieses Gerichtsverfahrens unvereinbaren Druck auf den Sachverständigen. Aus eben diesen Erwägungen habe der Oberste Gerichtshof bereits mehrfach entschieden, dass das Interesse an einer ordnungsgemäßen Rechtspflege die Ausnahme der Tätigkeit eines vom Gericht bestellten Sachverständigen von Unterlassungs- und Widerrufsansprüchen iSd § 1330 Abs 2 ABGB gebiete.
2.4. Die unter 2.2. und 2.3. zitierten Entscheidungen zeigen, dass die Grundsätze der unter 2.1. wiedergegebenen Rechtsprechung nicht nur im Fall eines schon vorliegenden rechtskräftigen verurteilenden Strafurteils anzuwenden sind, sondern auch dann, wenn noch nicht feststeht, dass das von einem Sachverständigen im Strafverfahren erstattete Gutachten mag es richtig oder falsch sein Grundlage für eine rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilung ist oder nicht. Ob nämlich ein Gutachten sei es richtig oder falsch Ursache eines Schadens sein kann, lässt sich im Sinne der vorstehenden Ausführungen in der Regel erst beurteilen, wenn das Strafverfahren rechtskräftig beendet ist, sei es durch Verurteilung, sei es durch Freispruch oder Einstellung. Solange die rechtskräftige Anklage nicht erledigt ist, kann die Verjährungsfrist des § 1489 ABGB nicht zu laufen beginnen.
3. Nach § 1489 ABGB ist jede Entschädigungsklage in drei Jahren von der Zeit an verjährt, zu welcher der Schade und die Person des Beschädigers dem Beschädigten bekannt wurde.
Wendet man die unter Punkt 2. dargestellten Grundsätze im vorliegenden Fall an, so ergibt sich Folgendes:
4. Es gab zwei Privatbeteiligte. Tritt wie hier die Staatsanwaltschaft außerhalb der Hauptverhandlung von der Anklage zurück, so hat das Gericht den Privatbeteiligten zu verständigen, der seine Erklärung binnen einem Monat abgeben kann. Sofern er dies nicht tut, wird angenommen, dass er die Verfolgung nicht aufrecht halte. In diesem Fall ist das Verfahren mit Beschluss einzustellen (§ 72 Abs 3 StPO).
Gemäß § 86 Abs 2 StPO ist jeder Beschluss schriftlich auszufertigen und den gemäß § 87 StPO zur Beschwerde Berechtigten zuzustellen. Ein Beschluss, mit dem das Verfahren eingestellt wird, ist überdies der Kriminalpolizei und dem Privatbeteiligten zu übermitteln.
Gemäß § 87 Abs 1 StPO steht gegen gerichtliche Beschlüsse der Staatsanwaltschaft, dem Beschuldigten, soweit dessen Interessen unmittelbar betroffen sind, und jeder anderen Person, der durch den Beschluss unmittelbar Rechte verweigert werden oder Pflichten entstehen oder die von einem Zwangsmittel betroffen ist, gegen einen Beschluss, mit dem das Verfahren eingestellt wird, auch dem Privatbeteiligten die binnen 14 Tagen ab Bekanntmachung einzubringende (§ 88 Abs 1 StPO) Beschwerde an das Rechtsmittelgericht zu, soweit das Gesetz im Einzelnen nichts anderes bestimmt.
5. Wenngleich dies aus dem Wortlaut der StPO nicht eindeutig hervorgeht, ist doch davon auszugehen, dass der Einstellungsbeschluss gemäß § 72 Abs 3 letzter Satz StPO (auch) dem Beschuldigten zuzustellen ist, zumal auch im Fall des § 194 Abs 1 Satz 1 StPO die Staatsanwaltschaft den Beschuldigten von der Einstellung des Verfahrens zu verständigen hat. Trotz der am dem Verteidiger des Klägers zugestellten Verständigung von der Anklagezurückziehung der Staatsanwaltschaft durfte somit der Kläger darauf vertrauen, dass seinem Verteidiger nach Ablauf der Monatsfrist für die allfällige Erklärung der Privatbeteiligten gemäß § 72 Abs 1 iVm 3 StPO bei Unterlassung dieser Erklärung der Einstellungsbeschluss zugestellt würde. Hier stand somit für den Kläger frühestens mit der Zustellung des Einstellungsbeschlusses am fest, ob ein allenfalls unrichtiges Gutachten des Beklagten für ihn einen klagbaren Schaden darstellte. Wegen der Möglichkeit einer Subsidiaranklage konnte der Kläger gegen den Beklagten frühestens ab diesem Zeitpunkt eine Klage mit hinreichender Aussicht auf Erfolg erheben (vgl RIS Justiz RS0034524). Die Verjährungsfrist war demnach bei Klagseinbringung am nicht abgelaufen, allfällige Schadenersatzansprüche des Klägers gegen den Beklagten sind daher nicht verjährt. Überlegungen zur Rechtskraft des Einstellungsbeschlusses sind bei der hier gegebenen Datenlage entbehrlich.
6. Den Rechtsausführungen des Beklagten in der Revisionsbeantwortung ist noch kurz Folgendes zu erwidern:
Die Entscheidung 14 Os 123/08g (= RIS Justiz RS0124396) ist wie schon das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat hier nicht einschlägig, weil dort kein Privatbeteiligtenanschluss vorlag.
Die Rechtskraft der Anklageschrift hilft dem Beklagten nicht, weil diese im Fall einer rechtskräftigen Einstellung des Verfahrens oder auch eines rechtskräftigen Freispruchs jegliche Bedeutung verloren hat.
Der Beklagte meint, die Überprüfung seines Gutachtens stelle das Zivilgericht vor nahezu unlösbare Aufgaben, weil es für den Fall, dass das Gutachten anders ausgefallen wäre, den hypothetischen Alternativverlauf des Strafverfahrens berücksichtigen müsse.
Dem ist entgegenzuhalten, dass sich das Problem der Feststellung eines hypothetischen alternativen Geschehensablaufs, so auch eines Prozessverlaufs, öfter stellt (zB bei der Beurteilung einer Schlechtvertretung durch den Rechtsanwalt) und von den Gerichten durchaus bewältigt werden kann (vgl RIS Justiz RS0022706; 1 Ob 218/02v = RIS Justiz RS0022706 [T4]).
7. Da die Vorinstanzen aufgrund ihrer vom Obersten Gerichtshof nicht geteilten Rechtsansicht, die Klagsansprüche seien verjährt, keinerlei Feststellungen getroffen haben, die eine Beurteilung der geltend gemachten Ansprüche auf Schadenersatz und Feststellung erlauben würden, ist das Verfahren ergänzungsbedürftig, weshalb die Sache an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen war.
8. Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.
European Case Law Identifier
ECLI:AT:OGH0002:2014:0020OB00106.14Y.0709.000