OGH vom 17.02.2011, 2Ob106/10t
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C***** P***** vertreten durch Dr. Peter Wasserbauer, Dr. Gisela Possnig und Dr. Michael Maurer, Rechtsanwälte in Weiz, gegen die beklagte Partei H***** AG, *****, vertreten durch BLS Rechtsanwälte Boller Langhammer Schubert KG in Wien, wegen 217.668,15 EUR sA und Feststellung (Streitwert 5.625 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom , GZ 3 R 50/10p 29, womit das Teil und Zwischenurteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom , GZ 27 Cg 94/09y 22, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Text
Begründung:
Der Kläger stürzte anlässlich eines Krampusumzugs vom Traktoranhänger des Versicherungsnehmers der Beklagten und erlitt dabei schwerste Kopfverletzungen; seit dem Unglück befindet er sich im Zustand eines Wachkomas.
Die Vorinstanzen haben mittels Teil- und Zwischenurteils ausgesprochen, dass der (eingeklagte) Schmerzengeldanspruch des Klägers dem Grunde nach zu Recht bestehe und dass die Beklagte für ¾ der künftig entstehenden Unfallschäden, beschränkt auf die Höhe der Versicherungssumme, hafte. Der Unfall Kippen des Anhängers sei durch die überhöhte Geschwindigkeit des Traktors verursacht worden. Schmerzengeld stehe auch dann zu, wenn der Verletzte aufgrund der Verletzung unfähig geworden ist, Schmerz zu empfinden.
Die Beklagte macht in der Zulassungsbeschwerde ihrer außerordentlichen Revision geltend, dass zur Rechtsfrage, ob Personen, die lebenslänglich im Koma liegen, ein rechtliches Interesse am Zuspruch von Schadenersatz in Geld haben, keine einheitliche, gesicherte und aktuelle Rechtsprechung vorliege.
Rechtliche Beurteilung
Dies trifft jedoch keineswegs zu, ist doch in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs seit langem anerkannt, dass es für einen Schmerzengeldanspruch weder erforderlich ist, dass der Verletzte die Schmerzen bei klarem Bewusstsein erlebt noch dass er sie rational verarbeitet. Die jüngere Rechtsprechung gewährt einen Schmerzengeldanspruch selbst bei völliger Zerstörung der Persönlichkeit mit gänzlichem Verlust jeglicher Wahrnehmungs- und Empfindungsfähigkeit sowie damit einhergehender, völliger und dauerhafter Schmerzunempfindlichkeit: Auch derjenige, dem die Erlebnisfähigkeit genommen wird, erleidet einen schadenersatzrechtlich bedeutsamen Nachteil an seiner Person (RIS-Justiz RS0031232; insbesondere 6 Ob 535/92; 2 Ob 192/97t; vgl auch 2 Ob 104/06t; Danzl ua, Schmerzengeld 9 121 f mwN; Karner , Schmerzengeldbemessung, vermindertes Schmerzempfinden und Schmerztherapie, ZVR 2010/130 [284 f]; zweifelnd Huber in Schwimann , ABGB TaKomm § 1325 Rz 112 f).
Die angefochtene Entscheidung folgt dieser Rechtsprechung. Es haftet ihr daher in Bezug auf die von der Beklagten aufgegriffene Thematik keine vom Obersten Gerichtshof wahrzunehmende Fehlbeurteilung an.