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OGH vom 22.10.2010, 7Ob178/10t

OGH vom 22.10.2010, 7Ob178/10t

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. K*****, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen von Dr. K***** (***** des Handelsgerichts Wien) gegen die beklagte Partei U*****versicherung AG, *****, vertreten durch Wolf Theiss Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Feststellung (Streitwert: 1.000.000 EUR), über den Revisionsrekurs der Antragstellerin I***** AG, *****, vertreten durch Preslmayr Rechtsanwälte OG in Wien, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom , GZ 1 R 67/10w-29, womit der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom , GZ 12 Cg 39/09v-20, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin ist schuldig, der beklagten Partei die mit 4.074,22 EUR (darin 679,03 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Mit der am eingebrachten Klage begehrt der klagende Masseverwalter die Feststellung, dass die Beklagte im Umfang des vom Gemeinschuldner bei ihr abgeschlossenen Versicherungsvertrags Deckung für einen bestimmten Schadensfall zu leisten habe.

Während das Erstgericht mit Beschluss vom dem Antrag der Geschädigten auf Nebenintervention auf Seite des Klägers stattgab, gab das Rekursgericht dem Antrag der Beklagten auf Zurückweisung der Nebenintervenientin mit der Begründung Folge, dass dem geschädigten Dritten im Deckungsprozess gegen den Haftpflichtversicherer nach ständiger Rechtsprechung allenfalls ein wirtschaftliches, aber kein rechtliches Interesse zugebilligt werde (7 Ob 20/82 = SZ 55/39; Schubert in Fasching/Konecny ² II/1 § 17 ZPO Rz 2). Der Revisionsrekurs sei zulässig, weil die zitierte „etablierte“ Rechtsprechung und Literatur durch die Entscheidung 7 Ob 29/06z „in Fluss geraten“ könnte. In 7 Ob 29/06z habe der Oberste Gerichtshof nämlich ausgesprochen, dass dem geschädigten Dritten unter Umständen die Klage gegen den Versicherer auf Feststellung von dessen Deckungspflicht gegenüber dem Versicherungsnehmer offen stehe, zum Beispiel, wenn ihm der Deckungsanspruch als Befriedigungsobjekt entzogen zu werden drohe, etwa durch Verjährung oder durch Ablauf der Frist des § 12 Abs 3 VersVG, die auch durch Klage des Dritten gewahrt werden könne, oder wenn der Versicherer seine Eintrittspflicht verneine und der Versicherungsnehmer nichts unternehme. Der Begriff des rechtlichen Interesses in den §§ 17 und 228 ZPO unterliege wohl demselben Maßstab.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Antragstellerin ist, soweit er sich gegen die Kostenentscheidung des Rekursgerichts richtet, jedenfalls unzulässig (§ 528 Abs 2 Z 3 ZPO); im Übrigen ist er entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden - Ausspruch des Rekursgerichts mangels erheblicher Rechtsfrage im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO unzulässig .

Das Rechtsmittel wird (auch) als „Kostenrekurs“ bezeichnet und richtet sich insoweit ausdrücklich gegen die Kostenentscheidung des Rekursgerichts. Rekurse gegen die Entscheidung des Gerichts zweiter Instanz über den Kostenpunkt, und zwar sowohl über die Verpflichtung zum Kostenersatz als auch über die ziffernmäßige Festsetzung des Kostenbetrags, sind aber grundsätzlich und ausnahmslos unzulässig. Der Ausschluss eines Rekurses gegen Entscheidungen der zweiten Instanz über den Kostenpunkt erstreckt sich auf sämtliche Entscheidungen, mit denen in irgendeiner Form über Kosten abgesprochen wird. Das Gericht zweiter Instanz entscheidet also in allen mit Kostenansprüchen zusammenhängenden Fragen endgültig (stRsp; RIS-Justiz RS0044233; RS0053407; RS0110033), was zur Zurückweisung des „Kostenrekurses“ führen muss.

Vorweg ist zur abgesonderten Anfechtbarkeit der Entscheidung des Erstgerichts festzuhalten, dass § 18 Abs 4 aF ZPO (wonach die Entscheidung, welche die Nebenintervention für zulässig erklärte, nicht durch ein abgesondertes Rechtsmittel angefochten werden konnte) mit Art III Z 2 ZVN 2009 aufgehoben wurde, weil es der Gesetzgeber für zweckmäßig erachtete, dass auch die Frage der Zulassung eines Nebenintervenienten sofort geklärt werden kann (RV 89 BlgNR 24. GP 7). Diese Novelle trat - „soweit nichts anderes angeordnet ist“ - mit in Kraft (Art XIV ZVN 2009). Letzteres ist bei Art III Z 2 ZVN 2009 der Fall (1 Ob 234/09g).

Verfahrensgesetze sind grundsätzlich nach dem letzten Stand anzuwenden (RIS-Justiz RS0008733). Ein laufendes Verfahren ist daher, soweit nicht Übergangsbestimmungen etwas anderes anordnen, vom Zeitpunkt des Inkrafttretens der neuen Vorschrift an nach den neuen Verfahrensgesetzen fortzusetzen und zu beenden (1 Ob 234/09g mwN; Fasching LB² Rz 130). Der am gefasste Beschluss, mit dem (zu Punkt 1) die Nebenintervention zugelassen wurde, konnte daher - wie bereits das Rekursgericht zutreffend aufzeigt - mit abgesondertem Rechtsmittel bekämpft werden (vgl 1 Ob 234/09g).

Zu folgen ist den Vorinstanzen auch in der Beurteilung der Zweiseitigkeit des Rechtsmittelverfahrens:

Richtet sich nach Streitanhängigkeit ein Rekurs gegen einen Beschluss, der nicht bloß „verfahrensleitend“ ist, so hat das Prozessgericht erster Instanz, wenn es den Rekurs nicht zurückweist, die Rekursschrift dem Gegner des Rekurswerbers zuzustellen (§ 521a Abs 1 ZPO idF Art III Z 15 ZVN 2009 [anzuwenden, wenn - wie im vorliegenden Fall - das Datum der Entscheidung erster Instanz nach dem liegt: Art XIV Abs 2 ZVN 2009]). Mit der Zivilverfahrens-Novelle 2009, BGBl I 2009/30, wurde also zwecks weiterer Verstärkung des aus Art 6 Abs 1 EMRK herleitbaren Grundsatzes der Waffengleichheit das Rechtsmittelverfahren gegen Beschlüsse generell zweiseitig gestaltet (RV 89 BlgNR 24. GP 1, 3, 5, 15 f; G. Kodek , Änderungen im Rechtsmittelverfahren durch die ZVN 2009 und das Budgetbegleitgesetz, Zak 2009, 249 [250]; 6 Ob 201/09s; zu allem: 9 ObA 133/09p).

Ausgenommen sind seither nur mehr Beschlüsse, die vor Streitanhängigkeit ergehen, sowie prozessleitende (verfahrensleitende) Beschlüsse, soweit im Einzelnen nicht die Zweiseitigkeit angeordnet ist (vgl zur Rechtsprechung vor der ZVN 2009: RIS-Justiz RS0098745 ua). Prozessleitende Beschlüsse - weder das Gesetz noch die Gesetzesmaterialien geben eine Definition oder klare Abgrenzung - dienen nach der Lehre der notwendigen und zweckmäßigen Durchführung des Verfahrens, haben also keinen Selbstzweck und vermögen auch kein vom Verfahren losgelöstes Eigenleben zu entfalten (vgl Fasching , Lehrbuch² Rz 1590; Rechberger in Rechberger ³ § 425 ZPO Rz 3; M. Bydlinski in Fasching/Konecny ² III Vor §§ 425 ff ZPO Rz 10, § 425 Rz 3 ua; zu allem: 9 ObA 133/09p).

Anders als nach der früheren Rechtslage ist der Rekurs nach § 521a ZPO nunmehr also im Regelfall zweiseitig, sofern es sich nicht bloß um einen „verfahrensleitenden“ Beschluss handelt. Damit kehrt die neue Regelung das bisherige Regel-Ausnahme-Verhältnis um ( G. Kodek , Änderungen im Rechtsmittelverfahren durch die ZVN 2009 und das Budgetbegleitgesetz 2009 - Ein Überblick, Zak 2009, 249 [250]; 6 Ob 201/09s).

Die Lehre unterscheidet zwischen prozessbeendenden, verfahrensgestaltenden (dazu gehört etwa die Unterbrechung oder die Zulassung einer Klageänderung) und prozessleitenden Beschlüssen im engeren Sinn (vgl M. Bydlinski in Fasching/Konecny² Vor § 425 Rz 4 ff). Aus verfassungsrechtlicher Sicht stünde es durchaus mit Art 6 MRK in Einklang, unter „verfahrensleitenden" Entscheidungen all jene Beschlüsse zu subsumieren, die keine Sachentscheidung darstellen (vgl G. Kodek , Zur Zweiseitigkeit im Rekursverfahren, ÖJZ 2004, 534 [540]). Ein derartiges Verständnis verbietet sich aber im Hinblick auf den von § 48 Abs 1 AußStrG, der die Zweiseitigkeit des Rekursverfahrens vorsieht, wenn über die Sache oder die Kosten des Verfahrens entschieden wird, abweichenden Wortlaut der Neuregelung. Auch ist zu berücksichtigen, dass die Neuregelungen die Zweiseitigkeit gegenüber § 521a ZPO aF erweitern wollte ( G. Kodek in Zak 2009, 249 [250]; 6 Ob 201/09s).

Die „verfahrensleitende“ Entscheidung nach § 521a ZPO ist daher im Sinn des prozessleitenden Beschlusses im engeren Sinn (vgl Fasching , Lehrbuch² Rz 1587 ff; M. Bydlinski in Fasching/Konecny ² Vor § 425 ZPO Rz 10 ff) zu verstehen, der auch sonst abweichenden Regeln unterliegt (vgl § 522 Abs 1 ZPO). Damit ist nach der neuen Rechtslage nicht nur das Rekursverfahren gegen die Zurückweisung einer Klage nach Streitanhängigkeit, sondern auch das Rekursverfahren gegen verfahrensbeendende und verfahrensgestaltende Beschlüsse wie etwa die Unterbrechung zweiseitig ( G. Kodek in Zak 2009, 249 [251]; RIS-Justiz RS0125481).

Aus diesem Grund ist auch das vorliegende Rechtsmittelverfahren, in dem über die Zulässigkeit einer Nebenintervention zu entscheiden ist (anders als nach der früheren Rechtslage [vgl 2 Ob 12/09t mwN] und auch anders als im Außerstreitverfahren [16 Ok 9/09]), nicht (mehr) einseitig, weshalb die Revisionsrekursbeantwortung der Beklagten nicht als unzulässig zurückzuweisen ist.

Die Rechtsmittelgegnerin zeigt darin zu Recht das Fehlen einer erheblichen Rechtsfrage auf.

Nach § 17 Abs 1 ZPO kann, wer ein rechtliches Interesse daran hat, dass in einem zwischen anderen Personen anhängigen Rechtsstreit die eine Person obsiege, dieser Partei im Rechtsstreit beitreten (Nebenintervention). Das Interesse, das der Nebenintervenient am Sieg einer der Prozessparteien hat, hat er nach § 18 Abs 1 Satz 2 ZPO bestimmt anzugeben . Die Schlüssigkeit des behaupteten Interventionsinteresses gehört zu den formellen Beitrittsvoraussetzungen. Eine insofern unschlüssige Nebenintervention führt zu deren Zurückweisung im Rahmen der gerichtlichen Vorprüfung (6 Ob 201/09s mwN).

Nach ständiger Rechtsprechung reicht ein bloß wirtschaftliches Interesse für die Nebenintervention nicht aus ( Schubert in Fasching/Konecny ² § 17 ZPO Rz 2 mwN). In diesem Sinn wurde etwa das rechtliche Interesse eines Konkursgläubigers am Obsiegen des Masseverwalters in einem Anfechtungsprozess verneint ( Schubert aaO mwN). Ebensowenig kann der Geschädigte im Deckungsprozess des Versicherungsnehmers gegen den Haftpflichtversicherer als Nebenintervenient auf Seiten des Versicherungsnehmers eintreten. All dies hat der Oberste Gerichtshof auch zuletzt ausdrücklich bekräftigt (6 Ob 201/09s mwN).

Ein Abgehen von diesen Grundsätzen ist aus der vom Rekursgericht zitierten Entscheidung (7 Ob 29/06z), die zu diesem Thema überhaupt nicht Stellung nimmt (sondern das allfällige Vorliegen eines Feststellungsinteresses des Geschädigten [iSd § 228 ZPO] an hier gar nicht erfüllte Voraussetzungen knüpft), nicht abzuleiten. Demgemäß trifft es auch nicht zu, dass es - wie die Revisionsrekurswerberin meint - noch keine einheitliche und gefestigte Rechtsprechung zur Frage gebe, ob dem geschädigten Dritten, der seine (Schadenersatz-)Forderung im Konkurs des Versicherungsnehmers angemeldet habe, im Deckungsprozess des Versicherungsnehmers gegen den Versicherer (nicht vielleicht doch) ein rechtliches Interesse zugebilligt werden könne. Auch hier liegt nämlich ein „klassischer“ Deckungsprozess vor, für dessen Ergebnis (und damit auch für das [fehlende] rechtliche Interesse des Geschädigten am Prozessergebnis) die Konkurseröffnung über das Vermögen des Deckungsklägers völlig bedeutungslos ist. Die Frage der Stellung der Revisionsrekurswerberin als geschädigte Dritte kann somit im vorliegenden Fall nicht anders beurteilt werden, als wenn über das Vermögen des Deckungsklägers nicht der Konkurs eröffnet worden wäre.

Mangels erheblicher Rechtsfragen im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO ist der Revisionsrekurs daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 Abs 1, 50 Abs 1 ZPO. Da die Beklagte in ihrer Revisionsrekursbeantwortung auf die Unzulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels hingewiesen hat, diente ihr Schriftsatz der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung.