OGH vom 08.09.2004, 7Ob178/04h

OGH vom 08.09.2004, 7Ob178/04h

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am verstorbenen Dipl. Arch. Johann Ferdinand Rudolf L*****, zuletzt: *****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Söhne des Erblassers 1. Dipl. Ing. Christian L*****, und 2. Mag. Art. Alexander L*****, beide vertreten durch Dr. Eric Agstner, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 45 R 106/04b-35, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 14 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 16 Abs 4 AußStrG iVm § 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung:

Im vorliegenden Fall ist der Notariatsakt vom , worin der am verstorbene Dipl. Arch. Johann Ferdinand Rudolf L***** die Vaterschaft hinsichtlich seiner minderjährigen (am geborenen) unehelichen Tochter Stefanie Madelaine L***** anerkannte, erst im Verlassenschaftsverfahren vorgelegt und über das Pflegschaftsgericht an das zuständige Standesamt übermittelt worden, wo diese Urkunde am einlangte (ON 38 im Pflegschaftsakt). Im dort geführten Geburtenbuch wurde das Anerkenntnis der Vaterschaft am , mit Wirksamkeit seit eingetragen (ON 31 im Verlassenschaftsakt).

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Rekursgericht die vom Erstgericht (gemäß § 92 Abs 2 Z 1 AußStrG) im Hinblick auf die minderjährige uneheliche Tochter des Erblassers angeordnete Inventierung des Nachlasses, die von seinen Söhnen bekämpft wird, mit der Begründung bestätigt, dass das Vaterschaftsanerkenntnis zum Zeitpunkt des Beschlussfassung erster Instanz () bereits dem Standesbeamten zugekommen war.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem Standpunkt des außerordentlichen Revisionsrekurses entspricht diese Entscheidung dem klaren Wortlaut des durch Art I Z 2 ErbRÄG 1989 (BGBl 1989/656) neu eingeführten, am in Kraft getretenen ersten Satzes des § 730 Abs 2 ABGB (vgl zu seiner Anwendbarkeit, wenn der Erblasser - wie hier - nach diesem Zeitpunkt gestorben ist: Art III Z 1 Satz 2 leg cit; JBl 1994, 822; Welser in Rummel³ I Rz 1 aE vor § 730 ABGB]) und des durch das KindRÄG 1989 (BGBl 1989/162) neu gefassten, am in Kraft getretenen zweiten Satzes des § 163c Abs 1 ABGB:

Kernaussage dieser beiden - hier anzuwendenden - Bestimmungen ist es nämlich, dass die Verwandtschaft zwischen dem unehelichen Erbansprecher und dem Erblasser zu dessen Lebzeiten (mit Anerkenntnis oder Urteil) festgestellt oder zumindest gerichtlich geltend gemacht sein muss (10 Ob 272/97s mwN; so auch der AB 1158 BlgNR 17. GP 3; RIS-Justiz RS0013525; Welser aaO Rz 3 zu §§ 730, 731 ABGB mwN), und dass Vaterschaftsanerkenntnisse auf den Zeitpunkt der (dazu abgegebenen [persönlichen]) Erklärung (im Zweifel: auf den der Beglaubigung) zurückwirken, sofern die (darüber errichtete inländische öffentliche oder öffentlich beglaubigte) Urkunde oder ihre beglaubigte Abschrift dem Standesbeamten zukommt (EFSlg 66.015; SZ 69/2; Stabentheiner in Rummel³ I Rz 12 f zu § 163c ABGB mit weiteren Hinweisen auf den AB 887 BlgNR 17. GP 5 und die Rsp des Rekursgerichtes [EFSlg 66.016; 68.760]; Welser aaO Rz 6 zu §§ 730, 731 ABGB); wobei § 163c nF ABGB auf alle Anerkenntnisse anzuwenden ist, die nach seinem Inkrafttreten () beim Standesamt einlangen (Welser aaO mit Hinweis auf die [bereits in SZ 69/2 zitierte, in der E EvBl 2004/54 näher behandelte] Übergangsbestimmung des Art VI § 5 KindRÄG 1989 [wonach sich die Voraussetzungen und das Verfahren für das Wirksamwerden oder Unwirksamwerden von Vaterschaftsanerkenntnissen, über die die Niederschrift vor dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes aufgenommen worden ist, nach dem bisher geltenden Recht bestimmen, es sei denn, das Anerkenntnis ist - wie hier - nach diesem Bundesgesetz rechtswirksam] vgl zum Zweck dieser Übergangsvorschrift; RIS-Justiz RS0118090).

Die im außerordentlichen Revisionsrekurs bekämpfte Beurteilung, dass ein Vaterschaftsanerkenntnis schon zu Lebzeiten des Erblassers wirksam und die Verwandtschaft somit iSd § 730 Abs 2 "zu seinen Lebzeiten festgestellt" ist, wenn der Erblasser zwar vor dem seine Vaterschaft vor dem Notar (persönlich) anerkannt hat, aber erst nach diesem Tag stirbt und erst dann das Anerkenntnis an den Standesbeamten weitergeleitet wird (und diesem zukommt), entspricht demnach nicht nur den - vom Rekursgericht zitierten - Ausführungen von Preslmayr (Wirksamwerden des Vaterschaftsanerkenntnisses und neues Erbrecht, NZ 1990, 217 [218 aE]), die im Rechtsmittel zu Unrecht als "gedankenansatzloser" Schluss[satz] bezeichnet werden, sondern auch der dargestellten, auf Gesetzeswortlaut sowie -materialien gestützten einhelligen Rechtsprechung (vgl zuletzt: 4 Ob 197/03d = EvBl 2004/56) und Lehre, die von der aufgezeigten rückwirkenden Rechtsbeständigkeit (iS einer Rechtswirkungen erzeugenden Existenz) solcher Vaterschaftsanerkenntnisse nach Eintritt der in § 163c Abs 1 Satz 2 ABGB normierten aufschiebenden Bedingung ausgehen (SZ 69/2; Stabentheiner aaO mwN und Welser aaO; vgl [zur materiellen, insb zeitlichen Rückwirkung] auch:

Stabentheiner aaO Rz 12a zu § 163c ABGB mit Hinweis auf Pichler, Neues im Kindschaftsrecht, JBl 1989, 677 [684 f] und den AB 887 BlgNR

17. GP 5).

Von diesen Grundsätzen abzugehen besteht kein Anlass; was nämlich die von den Rechtsmittelwerbern zuletzt ins Treffen geführte Argumentation betrifft, "eine Gesetzesrückwirkung zu Lasten der Einschreiter als leibliche Kinder und testamentarische Erben" sei schon aus grundsätzlichen Erwägungen über den Schutz des Eigentums, "des Rückziehungsverbots usw" (?) ausgeschlossen, wird Folgendes übersehen:

Gerade im Zusammenhang mit dem ErbRÄG 1989 hat der Oberste Gerichtshof bereits wiederholt festgehalten,


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-
dass das - offenbar auch hier angesprochene - "Rückwirkungsverbot" (nach § 5 ABGB) nur eine Zweifelsregel ist, die durch jede Rückwirkungsanordnung als lex specialis durchbrochen werden kann (RIS-Justiz RS0015520; zuletzt: 8 Ob 139/03d),
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dass der Verfassungsgerichtshof rückwirkende Gesetze (nur) am Gleichheitssatz misst, da es nach hA kein verfassungsrechtliches Rückwirkungsverbot gibt (Bydlinski in Rummel³ I Rz 2 zu § 5 ABGB mwN), und
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dass von einer gleichheitswidrigen Anordnung beim ErbRÄG 1989 als jener Regelung, die die Ungleichheiten zwischen ehelichen und unehelichen Kindern beseitigt hat, keine Rede sein kann (SZ 71/93; SZ 67/50).
Da die Revisionsrekurswerber eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 14 Abs 1 AußStrG somit nicht aufzeigen, ist ihr Rechtsmittel unzulässig.