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OGH vom 28.03.2017, 4Ob240/16x

OGH vom 28.03.2017, 4Ob240/16x

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Schwarzenbacher, Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache des Klägers J***** J*****, vertreten durch MMag. Forrest Spallinger, Rechtsanwalt in Wien, als Verfahrenshelfer, gegen die Beklagte M*****-AG, *****, wegen Wiederaufnahme des Verfahrens AZ 40 R 232/14k des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien, über den Rekurs des Klägers gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom , GZ 40 Nc 4/16t-19, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

1. Dem Rekurs gegen die Zurückweisung der Wiederaufnahmsklage wird gegeben.

2. Der Rekurs gegen die Abweisung des Antrags auf Gewährung von Verfahrenshilfe wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Mit Urteil vom , AZ 40 R 232/14k, gab das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien der Berufung des Klägers gegen das Urteil des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom , GZ 95 C 69/11s-92 (zuvor 44 C 581/09g) nicht Folge.

Der anwaltlich nicht vertretene Kläger brachte daraufhin eine an das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien gerichtete Wiederaufnahmsklage ein, wobei er sich auf den Wiederaufnahmsgrund des § 530 Abs 1 Z 4 ZPO berief. Gleichzeitig stellte er einen Antrag auf Verfahrenshilfe.

Das angerufene Gericht wies die Wiederaufnahmsklage mit Beschluss zurück, weil der Kläger seine Anschuldigungen eines strafbaren Verhaltens der Richter nicht einmal ansatzweise konkretisiert habe, und wies den Verfahrenshilfeantrag ab, weil die vom Kläger beabsichtigte Rechtsverfolgung offensichtlich aussichtslos sei. Zwar herrsche im vorliegenden Fall absolute Anwaltspflicht, ein Verbesserungsversuch könne aber unterbleiben, wenn – wie hier – die Rechtsmittelklage wegen Fehlens der besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen jedenfalls zurückzuweisen sei.

Einem daraufhin gestellten Verfahrenshilfeantrag des Klägers zur Erhebung des Rekurses gab das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien sodann doch Folge.

Der Kläger macht in seinem – aus „prozessualer Vorsicht“ sowohl beim Erstgericht als auch beim Berufungsgericht des Vorprozesses eingebrachten –rechtzeitigen Rekurs als Verfahrensmangel geltend, das angerufene Gericht hätte einen Verbesserungsauftrag zu erlassen gehabt, um die Postulationsfähigkeit und qualifizierte Vertretung des Klägers sicherzustellen und eine weitere Konkretisierung des Antrags auf Wiederaufnahme zu erwirken. Im Übrigen sei das Vorbringen ausreichend schlüssig gewesen und die Rechtsverfolgung nicht offenbar aussichtslos.

Dazu ist auszuführen:

Rechtliche Beurteilung

1.1. Gegen den Beschluss auf Zurückweisung einer beim Gericht zweiter Instanz eingebrachten Wiederaufnahmsklage ist der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig (RIS-Justiz RS0044597), weil dies dem Fall des § 519 Abs 1 Z 1 ZPO gleichzuhalten ist, sodass es weder auf den Wert des Entscheidungsgegenstands noch auf eine erhebliche Rechtsfrage ankommt (6 Ob 189/16m mwN).

1.2. Rechtsmittel gegen die im Verfahren über eine Nichtigkeitsklage oder Wiederaufnahmsklage ergehenden Entscheidungen sind bei dem Gericht einzubringen, das im Vorprozess in erster Instanz eingeschritten ist, auch wenn das Berufungsgericht des Vorprozesses in erster Instanz entscheidet (RIS-Justiz RS0045877).

2.1. Für eine Wiederaufnahmsklage nach § 530 Abs 1 Z 4 ZPO besteht absolute Anwaltspflicht, wenn das Gericht zweiter Instanz oder der Oberste Gerichtshof die erste Instanz des Rechtsmittelklageverfahrens ist (Jelinek in Fasching/Konecny2§ 533 ZPO Rz 10; 3 Ob 196/12p; vgl RIS-Justiz RS0121427).

2.2. Der Formmangel des Fehlens der Unterschrift eines Rechtsanwalts auf einem Rechtsmittelschriftsatz ist ohne wesentliche Bedeutung, wenn das Rechtsmittel jedenfalls (als unzulässig) zurückzuweisen ist (RIS-Justiz RS0005946). Dasselbe gilt auch für eine unzulässige Wiederaufnahmsklage, die nach § 538 Abs 1 ZPO bereits in nichtöffentlicher Sitzung als unschlüssig zurückzuweisen ist (vgl 3 Ob 48/06i).

2.3. Im vorliegenden Fall hat der Kläger in seiner auf § 530 Abs 1 Z 4 ZPO gestützten Wiederaufnahmsklage bloß pauschal vorgebracht, das Berufungsgericht habe „bereits rechtskräftige Entscheidungen und Beweise“ zum Nachteil des Klägers außer Acht gelassen und dadurch seine Amtspflicht verletzt. Entgegen den Ausführungen im Rekurs wurde dieses Vorbringen in der angefochtenen Entscheidung zutreffend als unschlüssig qualifiziert, zumal nicht im Ansatz ausgeführt wurde, inwiefern sich die Richter strafbar gemacht hätten. Auch bei einer auf den Wiederaufnahmsgrund des § 530 Abs 1 Z 4 ZPO gestützten Klage muss der Sachverhalt, also das tatsächliche Geschehen, das den Anfechtungsgrund herstellt, vorgebracht werden. Hat dies der Wiederaufnahmskläger unterlassen, und damit die Klage nicht auf einen gesetzlichen Anfechtungsgrund gestützt, ist seine Klage gemäß § 538 Abs 1 ZPO zurückzuweisen (RIS-Justiz RS0044604).

3. Ob das Vorbringen in der Wiederaufnahmsklage des unvertretenen Klägers einer Verbesserung zugänglich gewesen wäre und dem angerufenen Gericht mangels Gewährung der Verbesserungsmöglichkeit ein Verfahrensfehler unterlaufen ist, kann dahingestellt bleiben, weil auch in dem vom Verfahrenshelfer verfassten Rekurs gegen den Zurückweisungsbeschluss nicht dargelegt wird, inwiefern sich die Richter strafbar gemacht hätten. Es wird lediglich eine Sachverhaltsdarstellung an die WKStA als Beweismittel angeführt (wobei offen ist, ob tatsächlich ein Strafverfahren eingeleitet wurde). Nach ständiger Rechtsprechung ersetzt aber der Verweis auf Urkunden oder Beweisergebnisse kein Prozessvorbringen (RIS-Justiz RS0037915 [T1, T 2, T 6]). Es wäre jedoch am Rechtsmittelwerber gelegen, die abstrakte Eignung des behaupteten Verfahrensverstoßes, eine unrichtige Entscheidung des Gerichts herbeizuführen, darzulegen. Bei fehlender Schlüssigkeit des Sachantrags hat die Partei nämlich im Rechtsmittel darzulegen, welches konkrete Sachvorbringen sie erstattet hätte, um ihren Sachantrag schlüssig zu machen (vgl RIS-Justiz RS0043027 [T7]). Da dies unterblieben ist, liegt jedenfalls kein relevanter Verfahrensmangel des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vor. Dem Rekurs gegen den Zurückweisungsbeschluss ist somit nicht Folge zu geben.

4. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass der Rechtsmittelausschluss des § 528 Abs 1 Z 4 ZPO nicht auf Entscheidungen zu beschränken ist, in denen ein Gericht formell als Rekursgericht tätig geworden ist. Vielmehr sind alle Entscheidungen über die in den §§ 63 bis 72 ZPO geregelten Gegenstände einer Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof entzogen. Der Rechtsmittelausschluss gilt somit ebenso für Entscheidungen von Gerichten zweiter Instanz über die Verfahrenshilfe, auch wenn diese funktionell als Prozessgericht bzw in erster Instanz tätig wurden, und auch für Entscheidungen in Wiederaufnahmsverfahren (1 Ob 202/16m mwN). Der Rekurs gegen die Abweisung des Verfahrenshilfeantrags ist somit zurückzuweisen.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2017:0040OB00240.16X.0328.000

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