OGH vom 17.10.2013, 1Ob180/13x
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ. Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der gefährdeten Partei Mag. H***** B*****, vertreten durch Mag. Dietmar Huemer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die gefährdende Partei C***** B*****, vertreten durch Dr. Melanie Haberer, Rechtsanwältin in Wien, wegen einstweiligem Unterhalt, über den Revisionsrekurs der gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 44 R 140/13h 572, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom , GZ 2 C 14/07p 559, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die gefährdete Partei ist schuldig, der gefährdenden Partei die mit 373,68 EUR (darin 62,28 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Die gefährdete Partei (im Folgenden: Antragsteller) ist Ende 2001 aus dem ehelichen Haushalt ausgezogen und leistet seit 2002 keinen Unterhalt für die vier ehelichen Kinder, die bei der gefährdenden Partei (im Folgenden: Antragsgegnerin) leben und von dieser betreut werden. Seit September 2007 ist der Antragsteller erwerbsunfähig, seit November 2009 befindet er sich in Haft. Zumindest bis zum Antritt der Haft bedrohte, beschimpfte und beleidigte der Antragsteller die Antragsgegnerin und die beiden älteren Kinder massiv, wiederholt und in ordinärster Weise in Internetforen und in seinen Eingaben an die Gerichte. In mehreren Beiträgen im Internet bezeichnete der Antragsteller die Antragsgegnerin als „Franzosen Araber Negerhure“, „Scheißhure“ und „Kindermörderin“ und beschuldigte sie, ihre Tochter „von ihren Fickern vergewaltigen“ zu lassen. In einer Eingabe Anfang 2010 bezeichnete er sie mehrfach als „Negerhure“. In einer weiteren Veröffentlichung auf einer Internethomepage äußerte der Antragsteller Zweifel, ob der ältere Sohn von ihm abstamme; er wünsche ihm viel Glück, seinen leiblichen Vater zu finden. Seit 2007 ist ein Scheidungsverfahren zwischen den Streitteilen anhängig.
Der Antragsteller begehrte von der Antragsgegnerin bis auf weiteres die Zahlung einstweiligen Unterhalts in Höhe von 165 EUR monatlich.
Die Antragsgegnerin wandte unter anderem ein, er habe allfällige Unterhaltsansprüche durch sein Verhalten, insbesondere die Bedrohungen, Beleidigungen und obszönen Beschimpfungen, verwirkt. Weiters sei eine Verwirkung auch durch seine schweren Verfehlungen gegen die wirtschaftliche Sphäre der Antragsgegnerin eingetreten; weil er keinerlei Unterhalt für die Kinder bezahlt habe und bezahle, müsse die Antragsgegnerin seit Jahren alleine die „Lebenserhaltungskosten“ für die gemeinsamen Kinder bestreiten.
Das Erstgericht wies den Antrag im Wesentlichen mit der Begründung ab, der Antragsteller habe seinen Unterhaltsanspruch im Sinne des § 94 Abs 2 ABGB durch sein Verhalten gegenüber der Antragsgegnerin, nämlich die massiven und obszönen Beschimpfungen und Beleidigungen, verwirkt. Im vorliegenden Fall hätten die Beschimpfungen und Beleidigungen einen Grad an Obszönität erreicht, der jedenfalls auf den völligen Verlust des Ehewillens schließen lasse. Hinzu komme, dass diese Beschimpfungen nicht im persönlichen Rahmen erfolgt seien, sondern vom Antragsteller im Internet veröffentlicht wurden.
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig. Eine lang dauernde und nachhaltige Unterhaltsverletzung gegenüber den gemeinsamen Kindern bilde nicht nur eine schwere Eheverfehlung, sondern führe auch zur Verwirkung des Unterhaltsanspruchs. Es erscheine sittenwidrig und grob unbillig, wenn er einerseits Ehegattenunterhalt begehre, andererseits aber durch sein Verhalten die Unterhaltslast für die gemeinsamen Kinder allein der Antragsgegnerin auferlegt habe, was eine schwere Verfehlung gegen die wirtschaftliche Sphäre der Antragsgegnerin darstelle. Ob auch die massiven und obszönen Beschimpfungen und Beleidigungen der Antragsgegnerin einen Verwirkungstatbestand bilden, müsse wegen der schon aus den dargelegten Gründen eingetretene Verwirkung des Unterhaltsanspruchs nicht abschließend beurteilt werden. Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil keine oberstgerichtliche Rechtsprechung zur erheblichen Rechtsfrage vorliege, ob eine lang dauernde, schuldhafte Unterhaltsverletzung, die den anderen Ehegatten wirtschaftlich schädigt, indem diesem die Unterhaltslast für gemeinsame Kinder allein auferlegt wird, zur Verwirkung des Ehegattenunterhaltsanspruchs führt.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen erhobene Revision des Antragstellers ist nicht berechtigt.
Nach § 94 Abs 2 Satz 2 ABGB behält der bisher unterhaltsberechtigte Ehegatte seinen Unterhaltsanspruch gegen den anderen auch nach Aufhebung des gemeinsamen Haushalts, sofern die Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs nicht ein Missbrauch des Rechts wäre. Einen solchen Missbrauch, der zum Anspruchsverlust führt, haben die Vorinstanzen zu Recht angenommen. In der höchstgerichtlichen Rechtsprechung wird judiziert, dass ein Missbrauch des Rechts im dargestellten Sinn dann gegeben ist, wenn sich ein Ehegatte weigert, alle ihn aus der Ehe treffenden Verpflichtungen zu erfüllen, aber vom anderen die Leistung von Unterhalt fordert; es ist sittenwidrig, wenn ein Ehegatte, der schuldhaft selbst die gebotene eheliche Gesinnung vermissen lässt, finanzielle Vorteile aus der Ehe ziehen will, ohne bereit zu sein, die ihn selbst treffenden Verbindlichkeiten aus der Ehe zu erfüllen (RIS Justiz RS0009528, RS0009726).
Entgegen der Rechtsauffassung des Revisionsrekurswerbers kann keine Rede davon sein, dass die festgestellten Beschimpfungen und Beleidigungen mangels Hinzutretens körperlicher Übergriffe oder Drohungen nicht ausreichten, um die Verwirkung des Unterhaltsanspruchs auszulösen. Schon das Erstgericht hat ganz zutreffend auf die Massivität und Publizität der wiederholten Beschimpfungen und Beleidigungen hingewiesen.
Worauf der Revisionsrekurswerber schließlich mit seinem Hinweis hinaus will, nach der höchstgerichtlichen Judikatur wäre auch bei einer Bejahung der rechtsmissbräuchlichen Geltendmachung eine bloße Minderung des Unterhaltsanspruchs „möglich“, ist nicht nachvollziehbar, zumal schon das Rekursgericht darauf hingewiesen hat, dass seine wesentlichen Lebensbedürfnisse ohnehin gedeckt sind.
Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 393 EO,§ 50 Abs 1, § 41 Abs 1 ZPO.