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OGH vom 14.12.2011, 3Ob160/11t

OGH vom 14.12.2011, 3Ob160/11t

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon. Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und widerbeklagten Partei M*****, Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Dr. Andreas Walter, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte und widerklagende Partei Dr. P*****, vertreten durch Dr. Edeltraud Fichtenbauer, Rechtsanwältin in Wien, wegen 39.220 EUR sA und 11.000 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 14 R 53/11h 44, womit infolge Berufung der beklagten und widerklagenden Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom , GZ 53 Cg 141/08g (53 Cg 88/10s) 40, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision der klagenden Partei wird Folge gegeben.

Das Urteil des Berufungsgerichts wird teilweise abgeändert, und zwar dahin, dass einschließlich des bereits in Rechtskraft erwachsenen Teils das Urteil des Erstgerichts mit der Maßgabe wiederhergestellt wird, dass nach dem Klammerausdruck in der letzten Zeile des ersten Absatzes des Urteilsspruchs die Worte „bestimmten Prozesskosten“ eingefügt werden.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.774,04 EUR (darin 462,34 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit 1.967,26 EUR (darin 327,88 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der in Deutschland wohnhaften Klägerin wurde von J***** und E***** M***** (als Geschäftsführer der M***** T***** GmbH) ein lukratives Versicherungsgeschäft auf der Grundlage von Refinanzierungsdarlehen in Aussicht gestellt, mit dem sie bei Einzahlung eines Betrags von 50.000 EUR innerhalb weniger Monate mit einem Gewinn von 2.000.000 EUR rechnen könne; zumindest würde sie den von ihr geleisteten Betrag erhalten. In diesem Zusammenhang unterfertigte die Klägerin am einen „Antrag auf Abschluss einer Rentenversicherung“. Im Zusammenhang mit der Unterfertigung übergab E***** M***** der Klägerin diverse Unterlagen, in denen auch der Name des Beklagten aufschien. Dieser war anwaltlicher Vertreter der M***** T***** GmbH und von E***** M*****. Sowohl J***** als auch E***** M***** betonten gegenüber der Klägerin, dass ein Politiker und angesehener Rechtsanwalt hinter ihnen stehe und nannten den Namen des Beklagten.

Die Klägerin übergab an J***** im Februar 2006 insgesamt 50.220 EUR. Das geplante Refinanzierungsgeschäft kam jedoch nicht zustande. Als die Klägerin ein Jahr lang nichts in der Sache gehört hatte, wandte sie sich an ihren Rechtsanwalt, der mit dem Beklagten Kontakt aufnahm. In einem Telefonat am erklärte der Beklagte, dass er den gesamten von der Klägerin geleisteten Betrag bezahlen wolle; dies sei ihm jedoch nur in monatlichen Raten à 10.000 EUR ab Oktober 2007 möglich. Nach weiteren Telefonaten und Urgenzen leistete der Beklagte schließlich im Dezember 2007 bzw Jänner 2008 zwei Zahlungen in Höhe von 6.000 EUR und 5.000 EUR mit dem Zahlungszweck „M***** T***** M*****“.

Die Klägerin und Widerbeklagte (verkürzt bezeichnet als Klägerin) begehrt vom Beklagten die Zahlung von 39.220 EUR mit der Behauptung, dieser habe sich persönlich zur Rückzahlung des von der Klägerin geleisteten Betrags von 50.220 EUR durch Ratenzahlung verpflichtet, bisher jedoch nur 11.000 EUR geleistet.

Der Beklagte und Widerkläger (verkürzt bezeichnet als Beklagter) brachte seinerseits Widerklage gegen die Klägerin auf Rückzahlung der 11.000 EUR ein. Er habe für die M***** T***** GmbH bzw für E***** M***** irrtümlich eine Nichtschuld an die Klägerin bezahlt. E***** M***** habe ihm seine Forderung auf Rückzahlung von 11.000 EUR auch abgetreten.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren der Klägerin statt und wies die Widerklage rechtskräftig ab. Aufgrund der zwischen der Klägerin und E***** M***** bzw der M***** T***** GmbH getroffenen Vereinbarung sei letztere zur Rückzahlung des von der Klägerin geleisteten Betrags innerhalb weniger Monate ab Februar 2006 verpflichtet gewesen. Die Erklärung des Beklagten stelle einen Schuldbeitritt gemäß § 1406 Abs 1 ABGB dar, weshalb er zur Zahlung von 50.220 EUR in monatlichen Raten à 10.000 EUR ab Ende Oktober 2007 verpflichtet sei. Abzüglich der bereits geleisteten Zahlungen hafte demnach der Klagsbetrag noch unberichtigt aus.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten teilweise Folge und wies sowohl das Klagebegehren und auch das Widerklagebegehren ab. Bei der vom Beklagten abgegebenen Erklärung handle es sich um einen kumulativen Schuldbeitritt. Nach der jüngsten oberstgerichtlichen Judikatur (4 Ob 205/09i) sei der bloß mündlich erklärte Schuldbeitritt formungültig. Gemäß § 1432 ABGB könne der bestehende Formmangel durch Erbringung der versprochenen Leistung zwar geheilt werden; dies betreffe aber nur den Teil, der erfüllt worden sei, hier also nicht den noch offenen Betrag von 39.220 EUR.

Auf die Anspruchsgrundlage eines Anerkenntnisses ging das Berufungsgericht mit der Begründung, dass sich die Klägerin im bisherigen Verfahren noch nicht darauf berufen habe, nicht ein.

Das Berufungsgericht ließ die Revision nicht zu.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die außerordentliche Revision der Klägerin aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im klagsstattgebenden Sinn. Hilfsweise wird ein Aufhebungs und Zurückverweisungsantrag gestellt.

Der Beklagte beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, die außerordentliche Revision zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.

Die außerordentliche Revision ist zulässig und auch berechtigt.

Die Klägerin bringt im Wesentlichen vor, dass die Grundsätze der Entscheidung 4 Ob 205/09i auf den gegenständlichen Sachverhalt nicht anzuwenden seien, weil es sich im vorliegenden Fall nicht um einen Schuldbeitritt zu Sicherungszwecken handle, sondern um eine unmittelbar auf Erfüllung gerichtete Übernahme einer zuvor fremden Schuld zur Zahlung, für welche die Formerfordernisse des § 1346 Abs 2 ABGB nicht (analog) gelten würden. Die bisher hiezu ergangene Rechtsprechung sei vereinzelt und uneinheitlich. Außerdem sei das Berufungsgericht zu Unrecht davon ausgegangen, dass sich die Klägerin nicht auf ein Anerkenntnis des Beklagten berufen habe; sie habe alle anspruchsbegründenden Tatsachen dargetan, um auch eine Prüfung in Richtung eines Anerkenntnisses zu ermöglichen. Schließlich sei ein allenfalls vorliegender Formmangel auch durch die Zahlung von nur zwei Raten hinsichtlich der gesamten geschuldeten Verbindlichkeit als geheilt anzusehen.

Rechtliche Beurteilung

Dazu wurde erwogen:

1. Vorweg ist darauf hinzuweisen, dass die Anwendbarkeit österreichischen Sachrechts im Verfahren nicht strittig ist.

2. Anders als der Beklagte meint, hat die Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren in ausreichender Weise Tatsachenbehauptungen aufgestellt, die in rechtlicher Hinsicht ein konstitutives Anerkenntnis begründen können. So hat sie bereits in der Klage vorgebracht: „Im Zuge mehrerer … ab September 2007 mit dem Beklagten geführter Telefonate verpflichtete sich letzterer persönlich zur Rückzahlung des von der Klägerin an die M***** T***** GmbH geleisteten Betrages, wobei er beginnend mit Oktober 2007 monatliche Raten von je € 10.000,00 leisten wollte. … Anspruchsgrundlage gegenüber dem Beklagten ist dessen persönliche Zahlungszusage und jeder andere erdenkliche Rechtsgrund.“

Gerade eine Zahlungszusage legt die Möglichkeit eines konstitutiven Anerkenntnisses nahe (vgl etwa 7 Ob 257/06d; zur Zusage der Mängelbehebung RIS Justiz RS0018739, RS0032617).

2.1. Im Rahmen eines konstitutiven Anerkenntnis kommt ein Feststellungsvertrag zustande (2 Ob 133/78 = SZ 51/176; 3 Ob 2199/96w = SZ 71/94 = JBl 1998, 643 [ Pfersmann ]; RIS Justiz RS0032779), mit dem ein Streit oder Zweifel über ein Recht dadurch bereinigt wird, dass der Schuldner durch eine Willenserklärung von seiner subjektiven Position (anders als beim Vergleich) einseitig abrückt (RIS Justiz RS0032603; Neumayr in KBB 3 § 1375 ABGB Rz 2). Ebenso wie der Vergleich schafft das konstitutive Anerkenntnis einen neuen selbständigen Verpflichtungsgrund (RIS Justiz RS0032496 [T8]; Kajaba in ABGB ON 1.00 § 1375 Rz 6) und wird im Wesentlichen nach den für den Vergleich bestehenden Regeln behandelt (8 Ob 508/89 = SZ 62/102). Außer bei Arglist des anderen Teils kann der Anerkennende nicht mehr aufgreifen, dass die anerkannte Forderung nicht zu Recht bestehe (RIS Justiz RS0032319). Durch konstitutives Anerkenntnis kann somit eine Forderung begründet werden, auch wenn sie objektiv vor dem Anerkenntnis nicht bestanden hat (5 Ob 12/75 = SZ 48/21 = RIS Justiz RS0032319 [T7]). Wegen der grundsätzlichen Unzulässigkeit abstrakter Geschäfte ist aber ein konstitutives Anerkenntnis nur wirksam, wenn dadurch ein Streit oder Zweifel über das Bestehen eines bestimmten Rechts bereinigt werden soll (2 Ob 344/00b = SZ 74/1; 9 Ob 83/01y = SZ 74/77; RIS Justiz RS0114623).

2.2. In Abgrenzung vom deklarativen Anerkenntnis wird ein konstitutives Anerkenntnis dann angenommen, wenn ein Gläubiger ernstlich eine Forderung behauptet und der Schuldner die Zweifel an deren Bestand bzw die entstandene Unsicherheit durch die (Willens )Erklärung beseitigt, die Verpflichtung auch für den Fall zu begründen, dass sie bisher nicht bestanden haben sollte (5 Ob 519/91 = SZ 64/35 = ÖBA 1992, 69 [ Rummel ]; RIS Justiz RS0110121). Je mehr bei den Parteien das Bewusstsein von der Unsicherheit der Rechtslage hervortritt, umso eher wird ein konstitutives Anerkenntnis angenommen (4 Ob 160/80; RIS Justiz RS0032522).

2.3. Das konstitutive Anerkenntnis ist dann formbedürftig, wenn für das anerkannte Recht Formvorschriften bestanden ( Heidinger in Schwimann , ABGB 3 § 1375 Rz 12; 1 Ob 617/91 = JBl 1992, 444 mit insoweit teilweise kritischer Anmerkung von Ostheim ). In concreto ist allerdings eine Formbedürftigkeit des nach den Behauptungen der Klägerin vom Beklagten anerkannten Rückzahlungsanspruchs nicht erkennbar. Die für die Interzession bestehenden Formvorschriften gelten nach einhelliger Praxis nicht für konstitutive Anerkenntnisse (vgl RIS Justiz RS0032319 [T4]).

2.4. Nach den vom Berufungsgericht übernommenen Feststellungen des Erstgerichts (Seiten 7 9 des Ersturteils) war der Beklagte nicht in die zwischen E***** M*****, J***** und der Klägerin geführten Gespräche, die zur Übergabe der namhaften Geldbeträge durch die Klägerin führten, eingebunden; es wurde nur offenbar zur Bestärkung der Seriosität des Geschäfts sein Name genannt. Der Beklagte kam dadurch ins Spiel, dass ihm der damalige Rechtsvertreter der Klägerin in einem Brief vom (Beilage ./F) mitteilte, dass die Klägerin offensichtlichen betrügerischen Machenschaften zum Opfer gefallen sei, an denen im Wesentlichen E***** M***** und J***** beteiligt seien, weiters dass in den vorliegenden Unterlagen auch der Name des Beklagten in Verbindung mit horrenden Summen auftauche und dass seinen Informationen nach zwischen E***** M***** und dem Beklagten nicht nur ein anwaltliches Mandatsverhältnis, sondern auch ein geschäftlicher Kontakt bestanden habe. Bei einem Telefonat mit dem damaligen Rechtsvertreter der Klägerin erklärte der Beklagte, dass er den gesamten von der Klägerin geleisteten Betrag in Raten zahlen wolle. Bei einem weiteren Telefonat am sagte der Beklagte zu, Zahlungen von 6.000 EUR und 5.000 EUR zu leisten und wegen der Höhe der weiteren Raten noch mit dem Vertreter der Klägerin zu reden. Diese beiden Zahlungen wurden auch tatsächlich geleistet, wobei der Beklagte als Zahlungszweck „M***** T***** M*****“ anführte.

2.5. Unter Bedachtnahme auf die von der Rechtsprechung entwickelten und oben unter 2.1. und 2.2. angeführten Kriterien sind die Voraussetzungen für die Annahme eines wirksamen konstitutiven Schuldanerkenntnisses des Beklagten in Bezug auf die Rückzahlung des gesamten von der Klägerin geleisteten Betrags zu bejahen. Er hat auf die ernstliche Behauptung einer Forderung durch den damaligen Rechtsvertreter der Klägerin und konfrontiert mit einer möglichen Involvierung seiner Person in das behauptete betrügerische Geschäft die bestehende Unsicherheit über den Bestand einer Forderung durch die Erklärung beseitigt, sich zur Zahlung zu verpflichten. Damit ist impliziert, dass dies auch für den Fall gelten sollte, dass der Anspruch der Klägerin gegenüber dem Beklagten bisher nicht bestanden haben sollte. Diese Willenserklärung in Richtung der Neubegründung einer eigenen , unabhängig von Verpflichtungen anderer Personen bestehenden Verpflichtung wurde vom Beklagten durch die tatsächliche Erbringung von Teilzahlungen bekräftigt, wobei der angegebene Zahlungszweck, dem es an einer Aussagekraft in Bezug auf den Anspruch fehlt, nichts an der von ihm selbst übernommenen Rückzahlungsverpflichtung zu ändern vermag.

2.6. Soweit sich der Beklagte in der Revisionsbeantwortung darauf beruft, die Klägerin habe einen Anspruch gegenüber der M***** T***** GmbH behauptet und er habe nur zum Schutz von E***** M***** und der M***** T***** GmbH für diese (erkennbar für die Klägerin) in Vorleistung treten wollen, wodurch er (nur) einer fremden Schuld beigetreten sei, entfernt er sich von den erstgerichtlichen Feststellungen.

2.7. Das Erstgericht hat daher im Ergebnis zu Recht den Rückzahlungsanspruch der Klägerin gegenüber dem Beklagten bejaht.

3. Im Hinblick darauf bedarf es keines Eingehens auf Fragen der Erfüllungsübernahme und der Formgebundenheit des Schuldbeitritts.

4. Die Entscheidung über die der Klägerin zu ersetzenden Kosten der Rechtsmittelverfahren beruht auf §§ 50, 41 ZPO. Die für die Revision anfallenden gerichtlichen Pauschalgebühren, von deren Entrichtung die Klägerin wegen Verfahrenshilfe vorläufig befreit war, sind unmittelbar beim Beklagten einzuheben (§ 70 ZPO).