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OGH vom 31.10.2018, 7Ob176/18k

OGH vom 31.10.2018, 7Ob176/18k

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Hon.-Prof. Dr. Höllwerth, Dr. E. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei T***** P*****, vertreten durch die Rechtsanwaltskanzlei Dr. Lins KG in Bludenz, gegen die beklagte Partei U***** AG, *****, vertreten durch die Pressl Endl Heinrich Bamberger Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen 15.000 EUR sA, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Handelsgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 60 R 2/18a-35, womit das Urteil des Bezirksgerichts für Handelssachen Wien vom , GZ 1 C 375/15a-29, aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Rekursbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Der Kläger begehrte aus seiner Unfallversicherung mit der im Dezember 2015 erhobenen Klage – neben einer nicht rekursrelevanten „Knochenbruchpauschale“ von 500 EUR – vorerst 2.500 EUR. Er habe am durch einen Freizeitunfall schwere Verletzungen (mehrere Beckenringfrakturen, Blasenruptur und Nervenläsionen) erlitten und mache Ansprüche aus dauernder Invalidität geltend. Da der Invaliditätsgrad noch nicht mit Sicherheit feststehe, mache er „aus anwaltlicher Vorsicht vorerst ein[en] Gesamtinvaliditätsgrad von 5 %“ geltend, womit ihm ausgehend von der Versicherungssumme „zumindest“ 2.500 EUR „vorbehaltlich der Ausdehnung nach Vorliegen eines med. Sachverständigengutachtens“ zustünden. Nach Vorliegen eines Gutachtens im April 2017 dehnte der Kläger im Mai 2017 aufgrund dauernder Invalidität von 24 % aufgrund eines Freizeitunfalls, wofür 48 % der Versicherungssumme zustünden, das Klagebegehren in diesem Punkt auf 24.000 EUR, zuletzt restliche 15.000 EUR aus.

Die Beklagte bestritt vorerst mit der Behauptung, es liege der Ausschluss nach Art 17.8 AUVB 2012 vor, weil der Kläger beim Unfall alkoholisiert gewesen sei. Nach der Ausdehnung des Klagebegehrens erkannte die Beklagte zwar das ursprüngliche Begehren von 3.000 EUR (darin 2.500 EUR wegen Invalidität) an, bestritt jedoch das darüber hinausgehende Begehren nunmehr wegen Verjährung nach § 12 Abs 3 VersVG.

Das Erstgericht gab der Klage statt.

Das Berufungsgericht hob das Urteil des Erstgerichts wegen Verfahrensmängeln auf, teilte jedoch dessen Rechtsansicht, dass der mit der Klagsausdehnung begehrte Anspruch nicht verjährt sei. Den Rekurs an den Obersten Gerichtshof ließ das Berufungsgericht zu, weil nur die höchstgerichtliche Entscheidung 7 Ob 61/07g vorliege, auf die es sich gestützt habe. Diese Entscheidung stehe in einem Spannungsverhältnis zur übrigen Rechtsprechung, wonach die Verjährung bei einer Teileinklagung nur hinsichtlich des eingeklagten Teilbetrags unterbrochen werde. Der Entscheidung komme über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu.

1. Der Oberste Gerichtshof ist nach § 508a Abs 1 ZPO, der sinngemäß auch im Verfahren über einen Rekurs gegen einen Beschluss nach § 519 Abs 1 Z 2 ZPO gilt (RISJustiz RS0043685), bei der Prüfung der Zulässigkeit des Rekurses an einen Ausspruch des Berufungsgerichts nach § 519 Abs 2 iVm § 500 Abs 2 Z 3 ZPO nicht gebunden.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nach § 519 Abs 1 Z 2 ZPO nur dann zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer erheblichen, in ihrer Bedeutung über den Einzelfall hinausgehenden Rechtsfrage des materiellen oder des Verfahrensrechts iSd § 502 Abs 1 ZPO abhängt, was hier nicht der Fall ist. Die Entscheidung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 528a iVm § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).

Auch eine Entscheidung, die zwar bisher die einzige ist, die aber ausführlich begründet und mehrfach veröffentlicht wurde, zu der gegenteilige Entscheidungen nicht vorliegen und die auch vom Schrifttum ohne Kritik übernommen wurde, reicht für das Vorliegen einer gesicherten Rechtsprechung aus (RIS-Justiz RS0103384; RS0042833 [T3]).

2. Der Fachsenat hat mit ausführlicher Begründung und zahlreichen Nachweisen bereits zu 7 Ob 61/07g den Zweck der Ausschlussfrist des § 12 Abs 3 VersVG dargelegt, wonach eine möglichst rasche Klärung der Berechtigung einer Deckungsablehnung erfolgen soll. Dies liegt im Interesse des Versicherers, weil durch jede Verzögerung in der Erledigung zweifelhafter Ansprüche die zuverlässige Feststellung der maßgebenden Tatsachen erschwert wird. Dieser angestrebte Zweck wird auch durch einen gerichtlichen Schritt erreicht, der vom prozessualen Standpunkt aus mit Mängeln behaftet ist, zum Beispiel durch Einbringung einer deshalb unzulässigen Feststellungsklage, weil teilweise schon Leistungsklage möglich wäre. Wird sodann rechtzeitig vor Abweisung des Klagebegehrens die Umwandlung in eine Leistungsklage vorgenommen, so muss darin eine Wahrung der Ausschlussfrist erblickt werden. Zwar wurde in diesem Zusammenhang auch ausgesprochen, dass man im Fall der Ausdehnung eines Leistungsbegehrens „in der Regel“ die Wahrung der Frist nur für jenen Teil des Begehrens annehmen werde können, der bereits im ursprünglichen Klagebegehren enthalten gewesen sei. Dies muss aber im Hinblick auf den dargelegten Zweck des § 12 Abs 3 VersVG einschränkend interpretiert werden. Kann der Versicherer nach Lage der Dinge erkennen, dass vom Versicherungsnehmer nur eine Teilforderung geltend gemacht wurde und kann er sich mit seinen Rückstellungen auf den Gesamtanspruch einstellen, besteht kein Grund, die fristwahrende Wirkung einer Klage nicht auch für eine nachfolgende entsprechende Ausdehnung anzunehmen. Ausgehend von dieser Überlegung wird von der deutschen Judikatur und Lehre (bei insofern vergleichbarer damaliger Rechtslage) zutreffend die Ansicht vertreten, dass die Klagefrist des § 12 Abs 3 VVG aF durch eine Teilklage für den gesamten Leistungsanspruch des Versicherungsnehmers gewahrt werden könne, was nicht nur gelte, wenn der Versicherungsnehmer die eingeklagte Forderung ausdrücklich als Teilforderung bezeichnet habe, sondern auch, wenn sich aus den Gesamtumständen ergebe, dass der Versicherungsnehmer eine Teilklage erheben habe wollen. Dem Versicherungsnehmer schade es auch nicht, wenn für den Versicherer deutlich erkennbar sei, dass er den gesamten Anspruch einklagen habe wollen, versehentlich aber nur einen Teil geltend gemacht habe. Letzterer Fall lag zu 7 Ob 61/07g vor.

3.1. Die Entscheidung wurde mehrfach veröffentlicht und nicht kritisiert (Gruber, Aktuelle versicherungsrechtliche Entscheidungen des OGH, ZFR 2008/128, 227 [229]; ders in Fenyves/Schauer, VersVG § 12 [2014] Rz 84; Ertl, Rechtsprechungsübersicht Versicherungsrecht, ecolex 2008, 1094 [1097 f]; ders; Die Giftzähne des § 12 Abs 3 VersVG – Zur E 7 Ob 79/09g, ecolex 2010, 338; Schauer, Culpa in contrahendo und § 12 Abs 3 VersVG, VbR 2015/80, 111).

3.2. Als Zwischenergebnis ist festzuhalten, dass mit 7 Ob 61/07g (= RISJustiz RS0122118) eine gesicherte Rechtsprechung des Fachsenats dahin besteht, dass dann, wenn der Versicherer nach den spezifischen Umständen des Falls erkennen kann, dass vom Versicherungsnehmer nur eine Teilforderung geltend gemacht wurde, und er sich mit seinen Rückstellungen auf den Gesamtanspruch einstellen kann, kein Grund besteht, die die Frist des § 12 Abs 3 VersVG wahrende Wirkung einer Teilklage nicht auch für eine nachfolgende entsprechende Ausdehnung anzunehmen.

4. Die Entscheidungen der Vorinstanzen halten sich daher im Rahmen der Judikatur. Der Kläger hat bereits in der Klage auf seine schweren unfallbedingten Verletzungen und die Unsicherheit des Invaliditätsgrades sowie ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er die Ausdehnung des Klagebegehrens vom Ergebnis eines medizinischen Sachverständigengutachtens abhängig mache. Zusammen mit der unstrittigen Versicherungssumme ist es auch hier nicht zu beanstanden, die fristwahrende Wirkung der Klage auch für die nachfolgende, weniger als drei Jahre nach dem Unfall (vgl § 12 Abs 1 VersVG) erfolgte entsprechende Ausdehnung zu bejahen, zumal diese ausdrücklich vorbehalten wurde und für die Beklagte bereits aufgrund der Klagsangaben die maximal von ihr zu bildenden Rückstellungen für diesen Versicherungsfall überblickbar waren.

5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 50, 40 ZPO. Da der Kläger in seiner Rekursbeantwortung nicht auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen hat, diente sein Schriftsatz nicht der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2018:0070OB00176.18K.1031.000

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