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OGH vom 26.10.1948, 2Ob322/48

OGH vom 26.10.1948, 2Ob322/48

Norm

ABGB § 541;

ABGB § 551;

ABGB § 726;

ABGB § 730;

ABGB § 780;

3. Teilnovelle zum allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch § 54;

3. Teilnovelle zum allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch § 64;

3. Teilnovelle zum allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch § 65;

Außerstreitgesetz § 9;

Kopf

SZ 21/147

Spruch

Die Nachkommen eines auf den Pflichtteil gesetzten Noterben sind deshalb allein von ihrem gesetzlichen Erbrecht nicht ausgeschlossen.

Entscheidung vom , 2 Ob 322/48.

I. Instanz: Bezirksgericht für Zivilrechtssachen Graz; II. Instanz:

Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz.

Text

Der Erblasser Walter H. ist ohne Nachkommen verstorben und hat eine außereheliche Mutter Maria Z., geborene H., sowie sieben halbbürtige Geschwister hinterlassen.

In seinem Testament vom enterbte der Erblasser seine Ehegattin Johanna H. und setzte zu seinem Alleinerben den Franz H. ein, der den Erbanfall jedoch nicht erlebte.

Seine Mutter Maria Z. beschränkte Walter H. auf den Pflichtteil. Dem Franz L. wurde ein Legat ausgesetzt. Der genannte Vermächtnisnehmer hat zu gegenständlichem Verlassen eine bedingte Erbserklärung abgegeben, über deren Annahme das Erstgericht noch nicht entschieden hat. Außerdem hat die erbliche Mutter erklärt, gemäß dem Testamente vom den Pflichtteil in Anspruch zu nehmen, während die sieben erblassenden Geschwister sich aus dem Titel des Gesetzes mit der Rechtswohltat des Inventars zu Erben zum Nachlasse ihres Bruders erklärt haben.

Der Erstrichter nahm die Erklärung der erblasserischen Mutter zur Kenntnis, wies aber die Erbserklärung der erblasserischen halbbürtigen Geschwister "zurück", weil die noch lebende erblasserische Mutter ihre Nachkommenschaft vom gesetzlichen Erbrecht ausschließe. Das Rekursgericht hob den erstrichterlichen Beschluß insoweit auf, als er die Erbserklärung der erblasserischen Geschwister nicht angenommen hat, und trug dem Erstgericht auf, unter Abstandnahme von dem gebrauchten Zurückweisungsgrunde eine neuerliche Entscheidung nach Ergänzung des Verfahrens zu fällen.

Der Oberste Gerichtshof bestätigte den Aufhebungsbeschluß.

Rechtliche Beurteilung

Begründung:

Das Abhandlungsgericht wies die Erbserklärung der erblasserischen halbbürtigen Geschwister, die sich zum Nachlasse auf Grund des Gesetzes bedingt erbserklärt hatten, mit der Begründung ab, daß ihre eheliche Mutter, welche die außereheliche Mutter des Erblassers war, noch lebe und daher ihre Deszendenten vom Erbrechte ausschließe. Das Rekursgericht gab dem Rekurse der halbbürtigen Geschwister Folge und hob den erstrichterlichen Beschluß, der in seinem nicht angefochtenen Teile unberührt blieb, auf und trug dem Abhandlungsgericht auf, nach Ergänzung des Verfahrens neuerlich zu entschieden. Diese Entscheidung des Rekursgerichtes erging in der Erwägung, daß den Nachkommen eines noch am Leben befindlichen erblasserischen Vorfahrens das gesetzliche Erbrecht gemäß § 730 ABGB. kraft eigenen Rechtes zustehe. Da der Erblasser seine außereheliche Mutter auf den Pflichtteil beschränkt habe, müsse noch geprüft werden, ob er den Ausschluß seiner außerehelichen Mutter auf deren Nachkommen ausgedehnt wissen wollte, u. zw. insbesondere auch für den Fall, als der eingesetzte Erbe den Erbanfall nicht erlebte. Gegen den Beschluß des Rekursgerichtes erhoben die halbbürtigen Geschwister des Erblassers und der Legatar Franz L. Rekurs. Wenngleich die von dem letzteren abgegebene bedingte Erbserklärung noch immer nicht vom Gerichte angenommen wurde (B. Z. 16), mußte ihm ein Rekursrecht gemäß § 9 AußstrG. zuerkannt werden, weil er, wenn den halbbürtigen Geschwistern ein gesetzliches Erbrecht nicht zukäme, gemäß § 726 ABGB., als Erbe in Betracht käme. Die Revisionsrekurse sind nicht begrundet.

Da der testamentarisch eingesetzte Erbe vor dem Erblasser gestorben ist, hat die gesetzliche Erbfolge einzutreten; das Testament bleibt aber in seinen übrigen Verfügungen wirksam. Nach dem in Betracht kommenden weiteren Inhalt der letztwilligen Anordnung ist die außereheliche Mutter des Erblassers auf den Pflichtteil gesetzt und dem Franz L. ein Legat, u. zw. der Kraftwagen des Erblassers samt Zubehör, ausgesetzt.

Die Frage, ob ein Nachkomme nur als Erbe seines Vorfahren das Eintrittsrecht geltend mache und daher nur das Recht des Vorfahren ausübe, war in früherer Zeit umstritten (vgl. Unger, Erbrecht, S. 138, Anmerkung 4, nach welchem § 541 ABGB. nicht eine Ausnahme der Regel enthält, das sogenannte Repräsentationsrecht sich nur auf das Erbgut, nicht aber auf die Erbberechtigung bezieht und die entfernten Verwandten jure proprio und nicht jure repraesentationis eintreten). Die Ansicht, daß ein lebender Vorfahren das Erbrecht des Abkömmlings ausschließt und daß der Eintretende das Recht des Vorfahren ausübe, wurde seit der Geltung der dritten Teilnovelle zum ABGB. ausgegeben (§§ 64, 65 und 54 der Novelle, §§ 541, 780, 551 ABGB.). Grundsätzlich ist dann, wenn ein noch vorhandener lebender Vorfahren von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen ist, der Nachkomme kraft eigenen Rechtes zur gesetzlichen Erbfolge berufen; es würden daher im vorliegenden Falle, da die außereheliche Mutter auf ihren Pflichtteil beschränkt ist, ihre Nachkommen kraft eigenen Rechtes als Erben eintreten, sofern nicht nach dem Willen des Erblassers durch die abgeordnete Beschränkung der Mutter auf den Pflichtteil auch das gesetzliche Erbrecht berührt werden sollte. Da aus dem Inhalte des Testamentes über diese Frage nicht volle Klarheit gewonnen werden konnte, war die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses behufs Erforschung des mutmaßlichen Willens des Erblassers geboten. Der unter SZ. XIII/239 behandelte Fall unterscheidet sich von dem gegenständlichen wesentlich dadurch, daß dort schon aus dem Wortlaute der letztwilligen Anordnung, aber auch aus nachträglichen Äußerungen des Erblassers gefolgert werden mußte, daß dieser nicht nur seine Geschwister, sondern auch deren Nachkommen vom Erbrechte ausschließen wollte.