OGH vom 30.04.1952, 2Ob315/52
Norm
Kopf
SZ 25/112
Spruch
Der Antrag eines Erben, eine ihm als Vorausvermächtnis zugefallene Liegenschaft von der Beschränkung der fideikommissarischen Substitution zu befreien, ist als Antrag nach § 178 AußstrG. zu behandeln und im außerstreitigen Verfahren zu erledigen.
Einantwortung für die Frage der Legatserfüllung nicht präjudiziell.
Entscheidung vom , 2 Ob 315/52.
I. Instanz: Bezirksgericht Döbling; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.
Text
Auf Grund der Einantwortungsurkunde nach dem am 14. Feber 1943 verstorbenen Erblasser ist bei sämtlichen den zwei Erben zugefallenen Liegenschaften ihr Eigentumsrecht durch ein Substitutionsband beschränkt worden. Die eine Erbin, der Liegenschaftsanteile ausdrücklich als Vorausvermächtnis hinterlassen worden waren, beantragte die Einverleibung der Löschung der Substitutionsbeschränkung bei den ihr vermachten Liegenschaftsanteile.
Das Erstgericht gab dem Antrag Folge.
Das Rekursgericht wies ihn ab.
Der Oberste Gerichtshof stellte den erstgerichtlichen Beschluß wieder her.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Der Rechtsansicht des Rekursgerichtes, daß der Antrag der Erbin schon deshalb abzuweisen sei, weil sie mit ihrem Antrag den im außerstreitigen Verfahren unzulässigen Versuch unternehme, im Wege einer Auslegung der letztwilligen Verfügung des Erblassers eine Befreiung von der Beschränkung der fideikommissarischen Substitution bezüglich der ihr zugekommenen Liegenschaften zu erreichen, kann nicht beigetreten werden. Der Antrag der Erbin ist nicht, wie das Rekursgericht vermeint, darauf gerichtet, die Aufhebung des Substitutionsbandes, unter welchem der Nachlaß an sie und den Miterben eingeantwortet wurde, zu erreichen, sondern lediglich darauf, das unbeschränkte Eigentum an den ihr auf Grund des Testamentes als Vorausvermächtnis zugefallenen Liegenschaftsanteilen zu erlangen. Da die Antragstellerin auf Grund der Einantwortungsurkunde als Eigentümerin der gegenständlichen Liegenschaftsanteile bereits einverleibt war, konnte die vom Erstgericht erlassene Verfügung nur dahin gehen, die Einverleibung der Löschung der Beschränkung durch die fideikommissarische Substitution laut Punkt III des Testamentes anzuordnen, falls die Erbin in ihrer Eigenschaft als Vermächtnisnehmerin zur Übernahme des Substitutionsbandes nicht verpflichtet war. Diese Anordnung des Erstgerichtes, welche sich lediglich aus der Vorschrift des § 178 AußstrG. ergibt, wonach Vermächtnisnehmern von der Abhandlungsbehörde auf ihr Ersuchen Bestätigungen zu erteilen sind, daß sie in den öffentlichen Büchern als Eigentümer eingetragen werden können, ist jedoch, entgegen der Rechtsmeinung des Rekursgerichtes von der Einantwortung des Nachlasses völlig unabhängig. Die Einantwortung stellt nur die Einweisung des Erben in den Besitz des Nachlasses dar, ohne die damit verbundenen Lasten, wie Legatsansprüche, irgendwie zu berühren, so daß sie auch für die Frage der Legatserfüllung in keiner Weise präjudiziell wirkt. Bei Entscheidung über einen gemäß § 178 AußstrG. gestellten Antrag hat jedoch das Gericht lediglich auf Grund der letztwilligen Erklärung zu prüfen, ob ein Vermächtnis vorliegt oder nicht. Erachtet das Gericht dies als gegeben, ist die dort vorgesehene Bestätigung zu erteilen, wenn nicht die letztwillige Verfügung wegen Abganges der gesetzlichen Förmlichkeiten (§§ 577 ff. ABGB.) als ungültig bestritten wird (vgl. Weiss in Klangs Kommentar, 2. Aufl., zu § 647 ABGB., S. 482 ff.). Im vorliegenden Fall hatte daher das Erstgericht lediglich zu prüfen, ob nach dem klar erkennbaren Willen des Erblassers laut Punkt V des Testamentes die Antragstellerin mit einem Vorausvermächtnis im Sinne des § 648 ABGB. bedacht wurde, da in letzterem Fall die vorausvermachten Liegenschaftsanteile nicht in die Substitutionsmasse fallen.
Das Erstgericht hat diese Frage mit Recht bejaht. Aus dem Inhalt des Testamentes ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte dafür, daß der Erblasser mit dem Vorausvermächtnis an die beiden gleichteilig eingesetzten Erben (Punkt V des Testamentes) lediglich eine Teilungsanordnung treffen bzw. eine Zuweisung auf die beiden Erbteile ohne jede Liberalitätsabsicht und ohne jeden Liberalitätseffekt vornehmen wollte. Für letztere Annahme spricht auch nicht Punkt XII des Testamentes, da eine Einbeziehung der vermachten Liegenschaftsanteile in die Erbteilung jedenfalls auch dann in Frage käme, wenn die Vermächtnisnehmer das Vermächtnis aus irgendwelchen Gründen, z. B. wegen Vorversterbens, nicht erwerben sollten. Auch die im Rekurs des Substitutionskurators ausgesprochene Rechtsmeinung, es sei bei Vorausvermächtnissen im Zweifel eine bloße Teilungsanordnung bzw. Zuweisung auf den Erbteil anzunehmen, wenn sich für eine vom Erblasser gewollte Liberalität gegenüber den betreffenden Erben keine Anhaltspunkte ergeben, kann nicht geteilt werden. Die dort zitierte Entscheidung vom 15. Feber 1854, GlU. 13, betrifft nicht den vom Erblasser hier klar ausgedrückten Fall eines Vorausvermächtnisses. Es ist daher davon auszugehen, daß bei einem Vorausvermächtnis die Vermutung keineswegs schlechthin für eine Teilungsanordnung bzw. Zuweisung auf den Erbteil spricht. Die Begründung der Gegenmeinung, daß die im Vorausvermächtnis liegende Liberalität des Erblassers, der ein echtes Vorausvermächtnis errichtet, nicht ohneweiters angenommen werden kann, ist nicht zwingend. Diese Auffassung übersieht, daß die Liberalität des Erblassers im Falle eines echten Vorausvermächtnisses nicht auf seine, sondern auf Kosten des belasteten Erben geht. Es entscheidet daher in dieser Frage vielmehr die objektive Sachlage, deren Ermittlung besonderen Schwierigkeiten kaum ausgesetzt sein wird. Dies umsoweniger, wenn, wie im vorliegenden Fall die Ausdrucksweise des Erblassers klar und bestimmt ist, wobei das Wort "Vorausvermächtnis" im Punkt V des Testamentes ausdrücklich gebraucht wurde. Hiezu kommt, daß im vorliegenden Fall außer den beiden Vermächtnisnehmern, die gleichzeitig zu gleichen Teilen als Erben eingesetzt wurden, sonstige Erben nicht vorhanden sind, das sogenannte uneigentliche Vorausvermächtnis jedoch, das seinem ganzen Umfang nach in den Anteil des bedachten Erben einzurechnen ist und in Wahrheit nur eine Teilungsanordnung bzw. Zuweisung auf den Erbteil bedeutet, vor allem nur dann seinen Zweck zu erfüllen vermag, wenn auch sonstige Miterben vorhanden sind, deren Belastung jedoch vom Erblasser ausgeschlossen wird, so daß die Last des Vermächtnisses nur den bedachten Erben zuzufallen hat. Ist aber ein derartiger Wille des Erblassers nicht erkennbar, so können nur die für das echte Vorausvermächtnis geltenden Grundsätze Anwendung finden, wonach der Vermächtnisnehmer das Vermächtnis zusätzlich zu dem bekommt, was er als Erbe aus dem Nachlaß erlangt. Ein solches Vorausvermächtnis an den Alleinerben oder bei welchem wie im vorliegenden Fall, außer den Vermächtnisnehmern und gleichzeitigen Erben sonstige Miterben nicht vorhanden sind, zeitigt aber eine Reihe von gleichen Wirkungen wie das Vorausvermächtnis an einzelne Miterben. So gebührt es nach der Auslegungsregel des § 1279 ABGB. nicht dem Erbschaftskäufer. Die Unwirksamkeit der Erbseinsetzung zieht nicht notwendigerweise die Unwirksamkeit der Vermächtnisanordnung nach sich und umgekehrt. Darüber hinaus können aber mehrere Erben und gleichzeitige Vorausvermächtnisnehmer, wenn sonstige Miterben nicht vorhanden sind, in gleicher Weise wie der mit dem Vorausvermächtnis bedachte Alleinerbe ihre Rechtsstellung als Nachlaßgläubiger unter Berufung auf ihren Vermächtnisanspruch unbeschränkt in allen Fällen geltend machen, wo die Vereinigung der Gläubiger- und Schuldnerstellung in einer Person das Erlöschen der Forderung nicht herbeiführt, also namentlich gegenüber einem etwa eingesetzten Nacherben. Die mit dem Vorausvermächtnis bedachten Vorerben unterliegen daher betreffs der ihnen vermachten Nachlaßgegenstände nicht den Verfügungsbeschränkungen der §§ 608 und 613 ABGB. (vgl. Weiss in Klangs Kommentar, 2. Aufl., zu § 648 ABGB., S. 495 ff.).
Wenngleich sich der vor Fassung des erstrichterlichen Beschlusses vernommene Substitutionskurator gegen den Antrag der Erbin mit der Begründung ausgesprochen hat, daß Punkt V des Testamentes die Vorausvermächtnisse zu dem Zweck bestimmt habe, um einen Modus für eine gerichtliche Aufteilung des Liegenschaftsbesitzes zwischen den Erben zu schaffen und allfälligen Streitigkeiten in dieser Hinsicht vorzubeugen, konnte im Hinblick darauf, daß die Bestimmung des Punktes V des Testamentes, die auch mit dessen sonstigen Inhalt nicht in Widerspruch steht, zu keinem Zweifel Anlaß gibt und es sich sohin um die Lösung einer streitigen Rechtsfrage handelt, von einer Verweisung der Parteien auf den Rechtsweg gemäß § 2 Abs. 2 Z. 7 AußstrG. Abstand genommen werden (s. Schrutka: Die rechtliche Verhandlung nach § 2 Z. 7 AußstrG., Österr. Gerichtszeitung 1912, 63. Jahrgang, 89 ff., 145 ff.; vgl. Entsch. , GlUNF. 6273; Entsch. 11. März 1862, GlU. 1494).